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Oktober 28, 2021

Abrahamitische Häuser: städtische Zentren für interreligiöse Verständigung

Auf ShareAmerica, einer Website des US-Außenministeriums, erschien am 24. August 2021 dieser Bericht von Lauren Monsen über die interreligiösen abrahamitischen Familienhäuser, an denen auch in Deutschland Interesse besteht. 

Wie viele andere Studierende und Absolventen, die ein neues Studienjahr beginnen oder ihre erste Stelle antreten, werden am 1. September vier junge Erwachsene Kisten mit Küchenutensilien, Büchern und anderen Habseligkeiten in ihr neues Zuhause in Washington tragen.

Aber diese vier werden im nächsten Jahr nicht nur zusammenwohnen. Sie haben ein Stipendium erhalten, um in diesem Haus mit subventionierter Miete durch das Zusammenleben etwas über die Religion ihrer Mitbewohner dazuzulernen. Alle vier gehören entweder dem Judentum, dem Christentum, dem Islam oder der Bahá-í-Religion an.

Die vier ziehen in ein abrahamitisches Haus, das auf eine Idee von Mohammed Al Samawi zurückgeht. Es ist das zweite Haus dieser Art; das erste wurde Anfang 2020 in Los Angeles eröffnet.

Die Abrahamic-House-Stipendien stehen Menschen im Alter von 21 bis 35 Jahren offen, die dann eine intensive Vorbereitung durchlaufen, bevor sie zu interreligiösen Gesprächen und Veranstaltungen einladen.

Die Stipendiaten nehmen an einer Orientierungsveranstaltung teil, in deren Rahmen sie ihr religiöses Erbe erkunden und ihre Hoffnungen formulieren.

Bei der Vorbereitung werden schwierige Themen wie Islamfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus gegen Schwarze behandelt. Dabei wird auch darüber diskutiert, wie Fanatismus entsteht und wie man „eine gesunde, sichere und positive Umgebung“ schafft, so Al Samawi.

Drei Frauen und ein Mann stehen vor einem Weihnachtsbaum, vor ihnen auf dem Tisch ein Adventskranz. (Foto mit freundlicher Genehmigung von The Abrahamic House)
Die Bewohner des Abrahamic House in Los Angeles freuen sich über die Weihnachtsdekoration. Von links nach rechts: Hadar Cohen, Ala’ Khan, Maya Mansour und Jonathan Simcosky (Foto mit freundlicher Genehmigung von The Abrahamic House)

Die Bewohner der abrahamitischen Häuser organisieren Gemeinschaftsveranstaltungen, die die interreligiöse Harmonie fördern.

Weil kurz nach Eröffnung des Hauses in Los Angeles die Corona-Pandemie ausbrach, hielten die Bewohner Veranstaltungen online ab. Ebenso wie die Stipendiaten aus Washington hoffen sie, auch bald wieder Programme mit persönlicher Anwesenheit durchführen zu können. Aber in der Zwischenzeit haben die virtuellen Veranstaltungen Teilnehmende aus so weit entfernten Ländern wie Frankreich, Saudi-Arabien und Israel angezogen.

Das abrahamitische Haus in Los Angeles hat zu virtuell stattfindenden Iftar-Abendessen, Sabbatmahlzeiten und Osteressen eingeladen, zu Gesprächen über soziale Gerechtigkeit als religionsübergreifendes Thema, zu Filmvorführungen und zu gesellschaftlichen Veranstaltungen.

Häufig sagen die Teilnehmenden Al Samawi, sie hätten gemerkt, dass Klischees über andere Glaubensrichtungen nicht wahr seien. Zudem finden sie, dass die virtuellen Zusammentreffen die Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen abrahamitischen Religionen deutlicher machen. „Letztendlich geht es allen Glaubensrichtungen, nicht nur den abrahamitischen, um die gleichen Ziele: Einheit, Integrität und Engagement“, erklärt Al Samawi.

 

 

Persönliche Entwicklung 

Vor zehn Jahren nahm Al Samawi, der damals Mitte 20 war, an einer interreligiösen Konferenz in Sarajevo teil. Heute gibt er zu, dass er einige Vorbehalte hatte. Als gebürtiger Jemenit war er mit festen Vorstellungen über seinen eigenen muslimischen Glauben und über andere Religionen aufgewachsen.

Mohammed Al Samawi (Foto mit freundlicher Genehmigung von The Abrahamic House)
Mohammed Al Samawi (Foto mit freundlicher Genehmigung von The Abrahamic House)

Da er in einer konservativen Gemeinschaft aufgewachsen ist, war er überrascht, Muslime kennenzulernen, die kein Arabisch sprechen, und eine Muslimin, die noch nie einen Hidschab getragen hat.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat setzte sich Al Samawi für den Dialog mit Juden und Christen ein. Allerdings war seine Überzeugung vom Wert interreligiöser Arbeit nicht erwünscht. Er erhielt Morddrohungen von Extremisten, musste fliehen und wurde schließlich in den Vereinigten Staaten als Flüchtling anerkannt.

Bei der Verständigung zwischen den Religionen geht es nicht darum, jemanden von einem anderen Glauben zu überzeugen, erklärt Al Samawi. „Es geht nicht darum, dass ‚mein Glaube besser ist als deiner‘, oder um irgendwelche politischen Ziele. Es ist einfach eine Reise, auf der jeder Einzelne mehr Empathie, Verständnis und Mitgefühl entwickeln kann.“

Nach einer Ansprache bei einer Versammlung in einem Moishe House in den Vereinigten Staaten, einem von Dutzenden Häusern weltweit, die jungen Jüdinnen und Juden im Gegenzug für die Organisation jüdischer Veranstaltungen eine erschwingliche Unterkunft bieten, traf Al Samawi Daniel Cygielman, den Begründer der Häuser.

Als Al Samawi Cygielman sagte, er wolle eine interreligiöse Version der Moishe Houses entwickeln, bot dieser an, ihn dabei zu beraten.

Nun, da sein „multireligiöser Inkubator für sozialen Wandel“ nach Washington expandiert, hofft Al Samawi, dass es eines Tages in allen 50 Bundesstaaten ein solches Haus geben wird. Er träumt davon, auch in anderen Ländern abrahamitische Häuser: zu eröffnen und hat dafür bereits Anfragen aus Marokko, der Türkei und Deutschland erhalten.

 

Originaltext: Abrahamic Houses: Urban hubs for interfaith understanding