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Januar 7, 2022

Biden zum Jahrestag des tödlichen Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar 2021

Die folgende Rede zum Jahrestag des Angriffs auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 hielt US-Präsident Biden am 6. Januar 2022.  

Biden zum Jahrestag des tödlichen Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar 2021
Biden zum Jahrestag des tödlichen Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar 2021

Frau Vizepräsidentin, meine amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute vor einem Jahr fand an diesem heiligen Ort ein Angriff auf die Demokratie statt – schlicht und ergreifend ein Angriff. Der Wille des Volkes wurde angegriffen. Die Verfassung – unsere Verfassung – sah sich der schlimmsten aller Bedrohungen gegenüber.  

Zahlenmäßig unterlegen schafften es die Polizei des Kapitols, die Metropolitan Police von Washington, D.C., die Nationalgarde und andere mutige Polizeibeamte, im Angesicht dieses äußerst gewalttätigen Angriffs den Rechtsstaat zu schützen.  

Unsere Demokratie hielt stand. Wir, das Volk, harrten aus. Und wir, das Volk, haben obsiegt.  

Zum ersten Mal in unserer Geschichte hat ein Präsident nicht nur eine Wahl verloren, sondern versucht, die friedliche Machtübergabe zu verhindern, während ein gewalttätiger Mob das Kapitol stürmte.  

Aber sie sind gescheitert. Sie sind gescheitert.  

Und an diesem Tag des Erinnerns müssen wir dafür sorgen, dass sich so ein Angriff nie, niemals wiederholt.  

Ich spreche heute aus der Statuary Hall, einem Saal im US-Kapitol, zu Ihnen. Hier tagte das Repräsentantenhaus 50 Jahre lang in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg. Hier, auf dieser Ebene, saß ein junger Kongressabgeordneter aus Illinois, Abraham Lincoln, an Tisch Nummer 191.  

Über ihm – über uns, über dieser Tür zur Rotunde – befindet sich eine Skulptur von Klio, der Muse der Geschichtsschreibung. In ihren Händen hält sie ein offenes Buch, in dem sie aufzeichnet, was sich in der unter ihr befindlichen Kammer ereignet.  

Klio stand heute vor einem Jahr über diesem Saal Wache, genau so, wie sie es seit über 200 Jahren tut. Sie zeichnete auf, was geschah. Die wahre Geschichte. Die wahren Fakten. Die echte Wahrheit. Die Fakten und die Wahrheit, über die Vizepräsidentin Harris gerade gesprochen hat, und die Sie und ich und die ganze Welt mit eigenen Augen gesehen haben.  

Die Bibel sagt uns, dass wir die Wahrheit erkennen sollen und dass die Wahrheit uns frei machen wird. Wir sollen die Wahrheit erkennen.  

Nun, Gottes Wahrheit über den 6. Januar 2021 ist folgende:  

Schließen Sie die Augen. Erinnern Sie sich an diesen Tag. Was sehen Sie? Randalierende Aufrührer, die erstmals im Innern dieses Kapitols eine Konföderiertenflagge schwenkten, die Flagge, die für das Ziel steht, Amerika zu zerstören, dafür, uns auseinanderzureißen.  

Selbst während des Bürgerkrieges ist das nie geschehen. Aber es ist hier passiert, im Jahr 2021.  

Was sehen Sie noch? Einen Mob, der Fenster zerschlägt, Türen eintritt, die Sperren des Kapitols durchbricht. Amerikanische Flaggen an Fahnenmasten, die als Waffen, als Speere eingesetzt werden. Feuerlöscher, die auf die Köpfe von Polizeibeamten geworfen werden.  

Eine Menschenmenge, die vorgibt, der Polizei wohlgesonnen zu sein, ging auf diese Polizeikräfte los, zerrte an ihnen, besprühte sie, trampelte auf ihnen herum.  

Mehr als 140 Polizeikräfte wurden verletzt.  

Wir alle haben die Aussagen der an diesem Tag anwesenden Polizeikräfte zu den Ereignissen gehört. Ein Beamter nannte es, ich zitiere, eine „mittelalterliche“ Schlacht, und sagte, er habe an diesem Tag mehr Angst gehabt als bei seinem Kriegseinsatz im Irak.  

Seitdem haben sie immer wieder gefragt: Wie kann irgendjemand, auch nur ein einziger Mensch wagen, die Hölle, die sie erlebt haben, kleinzureden, zu verharmlosen oder zu leugnen?  

Wir haben es mit unseren eigenen Augen gesehen. Randalierer haben diese Hallen bedroht, das Leben der Präsidentin des Hauses bedroht, im wahrsten Sinne des Wortes Galgen errichtet, um den Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten zu hängen.  

Aber was sahen wir nicht?  

Einen ehemaligen Präsidenten, der den Mob gerade zum Angriff aufgestachelt hatte – und im privaten Esszimmer neben dem Oval Office im Weißen Haus saß, sich das alles im Fernsehen ansah und stundenlang tatenlos zusah, während Polizeikräfte tätlich angegriffen, Leben in Gefahr gebracht wurden und die Hauptstadt der Nation im Belagerungszustand war.  

Das war keine Touristengruppe. Das war ein bewaffneter Aufstand.  

Sie wollten nicht den Willen des Volkes durchsetzen. Sie wollten dem Volk seinen Willen versagen.  

Sie wollten nicht freie und faire Wahlen schützen. Sie wollten ein Wahlergebnis kippen.  

Sie wollten nicht die amerikanische Sache schützen. Sie wollten die Verfassung umstürzen.  

Hier geht es nicht darum, der Vergangenheit nachzuhängen. Hier geht es darum, dafür zu sorgen, dass die Vergangenheit nicht begraben wird.  

Das ist der einzige Weg in die Zukunft. Das tun große Nationen. Sie begraben die Wahrheit nicht, sondern stellen sich ihr. Das klingt übertrieben, ist aber die Wahrheit: Sie stellen sich ihr.  

Wir sind eine großartige Nation.  

Meine amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, im Leben gibt es Wahrheit und leider auch Lügen – Lügen, die im Sinne von Profit und Macht erdacht und verbreitet werden.  

Wir müssen sehr deutlich machen, was wahr ist und was gelogen.  

Und das ist die Wahrheit: Der vorherige Präsident der Vereinigten Staaten hat über die Wahl 2020 ein Netz aus Lügen gesponnen und verbreitet. Er hat das getan, weil ihm Macht wichtiger ist als Prinzipien, weil er seine eigenen Interessen für wichtiger hält als die Interessen seines Landes und die Interessen Amerikas, und weil sein verletztes Ego ihm mehr bedeutet als unsere Demokratie und unsere Verfassung.  

Er kann nicht akzeptieren, dass er verloren hat, obwohl das 93 US-Senatoren, sein eigener Justizminister, sein eigener Vizepräsident, Gouverneure und Staatsbeamte in allen hart umkämpften Staaten festgestellt haben: Er hat verloren.  

Das haben 81 Millionen von Ihnen gesagt, als Sie für einen neuen Weg nach vorn gestimmt haben.  

Er hat getan, was kein Präsident in der amerikanischen Geschichte – der Geschichte dieses Landes – jemals getan hat: Er hat sich geweigert, die Ergebnisse einer Wahl und den Willen des amerikanischen Volkes anzuerkennen.  

Während einige mutige Männer und Frauen in der Republikanischen Partei Widerstand leisten und versuchen, die Prinzipien dieser Partei aufrechtzuerhalten, gibt es zu viele andere, die diese Partei zu etwas anderem machen. Sie scheinen nicht länger die Partei von Lincoln, Eisenhower, Reagan, den Bushs sein zu wollen.  

Aber was auch immer meine anderen Meinungsverschiedenheiten mit Republikanern sein mögen, die für Rechtsstaatlichkeit und nicht für die Herrschaft eines einzelnen Mannes eintreten: Ich werde immer versuchen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Lösungen zu finden, wo das möglich ist. Denn wenn wir gemeinsam an die Demokratie glauben, dann ist alles möglich. Alles.  

Und so müssen wir uns jetzt entscheiden: Welche Art von Nation werden wir sein?  

Werden wir eine Nation sein, die politische Gewalt als normal akzeptiert?  

Werden wir eine Nation sein, in der parteiische Wahlbeamte die Möglichkeit haben, den rechtmäßigen Willen des Volkes zu untergraben?  

Werden wir eine Nation sein, die sich nicht vom Licht der Wahrheit leiten lässt, sondern im Schatten von Lügen lebt?  

Wir dürfen nicht zulassen, dass wir zu so einer Nation werden. Der Weg nach vorn ist, die Wahrheit anzuerkennen und nach ihr zu leben.  

Die große Lüge, die vom vorherigen Präsidenten und vielen Republikanerinnen und Republikanern verbreitet wird, die sich vor seinem Zorn fürchten, ist, dass der Aufstand in diesem Land tatsächlich am Tag der Wahl stattgefunden hat – am 3. November 2020.  

Denken Sie einmal darüber nach. War das Ihr Eindruck? Haben Sie das gedacht, als Sie an jenem Tag gewählt haben? Dass Sie sich an einem Aufstand beteiligen? War es das, was sie zu tun glaubten? Oder dachten Sie, dass Sie ihre höchste Pflicht als Bürgerin oder Bürger erfüllten, wählen zu gehen?  

Der vorherige Präsident und seine Unterstützerinnen und Unterstützer versuchen, die Geschichte umzuschreiben. Sie wollen, dass Sie den Wahltag als Tag des Aufstandes und den Aufstand, der hier am 6. Januar stattfand, als den wahren Ausdruck des Willens der Bevölkerung betrachten.  

Können Sie sich eine noch absurdere Sicht auf dieses Land, auf Amerika, vorstellen? Ich kann es nicht.  

Die Wahrheit ist: Die Wahl 2020 war der größte Ausdruck der Demokratie in der Geschichte dieses Landes.  

Bei dieser Wahl haben mehr von Ihnen Ihre Stimme abgegeben als jemals zuvor bei einer Wahl in der Geschichte Amerikas. Mehr als 150 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner sind an die Wahlurnen geströmt und haben an diesem Tag während einer Pandemie, teilweise unter Gefahr für ihr Leben, ihre Stimme abgegeben. Wir sollten ihnen Beifall spenden, anstatt sie anzugreifen.  

Momentan werden nach und nach in unterschiedlichen Bundesstaaten neue Gesetze verabschiedet – nicht, um die Stimmabgabe zu schützen, sondern um sie zu verhindern, nicht nur, um Wählerstimmen zu unterdrücken, sondern um die Wahl zu unterwandern, nicht um unsere Demokratie zu stärken oder zu schützen, sondern weil der vorherige Präsident verloren hat.  

Statt anhand der Wahlergebnisse von 2020 festzustellen, dass sie neue oder bessere Ideen brauchen, um mehr Wähler für sich zu gewinnen, haben der vorherige Präsident und seine Unterstützer entschieden, dass der einzige Weg nach vorn für sie ist, Ihre Stimme zu unterdrücken und unsere Wahl zu untergraben.  

Das ist falsch. Es ist undemokratisch. Und offen gesagt ist es auch unamerikanisch.  

Die zweite große Lüge, die der vorherige Präsident und seine Unterstützer und Unterstützerinnen verbreiten, ist, dass den Wahlergebnissen von 2020 nicht zu trauen ist. 

Die Wahrheit ist, dass keine Wahl in der amerikanischen Geschichte genauer beobachtet oder sorgfältiger ausgezählt wurde.  

Jedes mögliche Rechtsmittel zur Anfechtung der Ergebnisse vor allen Gerichten dieses Landes wurde eingelegt und abgewiesen – häufig abgewiesen von Richtern, die von den Republikanern ernannt worden waren, darunter auch Richter, die vom vorherigen Präsidenten selbst ernannt worden waren, von Gerichten der Bundesstaaten bis hin zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten.  

In einem Bundesstaat nach dem anderen wurden die Stimmen neu ausgezählt. In Georgia wurden die Stimmen dreimal neu ausgezählt, davon einmal per Hand.  

Noch lange nach der Wahl wurden in mehreren Bundesstaaten fragwürdige und parteiische Überprüfungen der Ergebnisse durchgeführt. Nichts von alldem hat den Wahlausgang verändert. In einigen Fällen wurde der Abstand, mit dem wir gewonnen haben, ironischerweise sogar noch etwas größer.  

Sprechen wir Klartext über das, was 2020 vorgefallen ist. Noch bevor die erste Stimme abgegeben wurde, zog der ehemalige Präsident das Wahlergebnis vorsorglich in Zweifel. Er hat seine Lüge über Monate geschürt. Ihr lagen keinerlei Fakten zugrunde. Er war auf der Suche nach einer Ausrede, nach einem Vorwand, um die Wahrheit zu verschleiern.  

Er ist nicht nur ein ehemaliger Präsident. Er ist ein ehemaliger Präsident, der eine Wahl verloren hat – mit einem Abstand von über sieben Millionen Stimmen der Wählerinnen und Wähler in einer allgemeinen, freien und fairen Wahl.  

Es gibt ganz einfach keinerlei Beweis für ein falsches Wahlergebnis. Es ist vielmehr sogar so, dass der ehemalige Präsident überall dort, wo Beweise vorgelegt werden und ein Eid, die Wahrheit zu sagen, geschworen werden musste, darauf verzichtet hat, seine Argumente vorzubringen.  

Vergegenwärtigen Sie sich das einmal: Der ehemalige Präsident und seine Unterstützer konnten nie erklären, warum sie die anderen Wahlergebnisse vom 3. November akzeptieren – die der Gouverneurs- und Senatswahlen und der Wahlen zum Repräsentantenhaus –, Wahlen, in denen sie Sitze im Repräsentantenhaus dazugewinnen konnten.  

Nichts davon fechten sie an. Der Name des Präsidenten stand oben auf dem Stimmzettel, dann kamen die Gouverneure, Senatorinnen und Senatoren und das Repräsentantenhaus. Diese Ergebnisse auf den gleichen Stimmzetteln waren aus irgendeinem Grund korrekt, nur die Stimmen für den Präsidenten war es nicht?  

Auf demselben Stimmzettel, am selben Tag, ausgefüllt von den selben Wählerinnen und Wählern.  

Der einzige Unterschied war: Diese Wahlen hat der vorherige Präsident nicht verloren. Er hat nur seine eigene Wahl, die Präsidentschaftswahl, verloren.  

Die dritte große Lüge, die durch den ehemaligen Präsidenten und seine Anhängerinnen und Anhänger verbreitet wird, besteht in der Behauptung, dass es sich bei dem Mob, der seinen Willen gewaltsam durchsetzen wollte, um die wahren Patrioten der Nation gehandelt hat.  

War das ihr Eindruck, als Sie die Bilder dieser Menschen gesehen haben, die das Kapitol geplündert, Eigentum zerstört und sich buchstäblich in den Fluren erleichtert haben? Die die Schreibtische der Senatorinnen und Senatoren und Abgeordneten durchsucht haben und auf die Jagd nach Kongressmitgliedern gingen? Patrioten? Das sehe ich nicht so.  

Echt Patrioten sind für mich die 150 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner, die ihrer Stimme an der Wahlurne friedlich Ausdruck verliehen haben, die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die die Integrität der Wahl sichergestellt haben, und die Heldinnen und Helden, die dieses Kapitol verteidigt haben.  

Man kann sein Land nicht nur dann lieben, wenn man gewonnen hat.  

Man kann sich nicht nur dann nach dem Gesetz richten, wenn es einem gelegen kommt.  

Man kann kein Patriot sein, wenn man sich Lügen zu eigen macht und diese befeuert.  

Diejenigen, die das Kapitol gestürmt haben, jene, die sie dazu aufgehetzt und angestiftet haben, sowie all jene, die sie dazu aufgerufen haben, haben Amerika – der amerikanischen Demokratie – ein Messer an die Kehle gehalten.  

Nicht Patriotismus oder Prinzipien haben sie hierher geführt. Sondern ihre Wut – nicht im Dienste der Vereinigten Staaten, sondern im Dienste eines einzelnen Mannes.  

Diejenigen, die den Mob angestiftet haben, die eigentlichen Verschwörer, die verzweifelt versucht haben, die Bestätigung der Wahlergebnisse zu verhindern und den Willen der Wählerinnen und Wähler zu missachten.  

Aber ihr Plan wurde vereitelt. Mitglieder des Kongresses, ob Demokraten oder Republikaner, blieben vor Ort. Senatorinnen und Senatoren, Abgeordnete und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre Aufgabe erfüllt, wie es die Verfassung verlangt. Sie sind ihrem Eid gefolgt, die Verfassung gegen alle Feinde, ob aus dem Ausland oder dem Inland, zu verteidigen.  

Und jetzt ist es an uns – wir, das Volk – den Rechtsstaat zu verteidigen, die Flamme der Demokratie hochzuhalten und das Versprechen Amerikas am Leben zu erhalten.  

Dieses Versprechen ist in Gefahr. Es wird von jenen Mächten angegriffen, die rohe Gewalt der Unantastbarkeit der Demokratie, die Angst der Hoffnung und den persönlichen Vorteil dem Allgemeinwohl vorziehen.  

Täuschen Sie sich nicht: Wir leben an einem Wendepunkt der Geschichte.  

Sowohl hier in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland befinden wir uns erneut in einem Ringen zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen den Hoffnungen von Vielen und der Gier von Wenigen, zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen und der Selbstsucht von Autokraten.  

Von China bis Russland und darüber hinaus setzen sie darauf, dass die Tage der Demokratie gezählt sind. Sie haben mir sogar schon gesagt, dass die Demokratie zu langsam, zu sehr von Spaltung gelähmt sei, um in der heutigen, sich schnell verändernden, komplexen Welt zu bestehen.  

Und sie setzen darauf, dass Amerika bald mehr so sein wird wie sie und weniger wie wir. Sie setzen darauf, dass Amerika ein Ort des Autokraten, des Diktators, des starken Mannes wird.  

Daran glaube ich nicht. Das ist nicht das, wofür wir stehen. Das ist nichts, wofür wir jemals gestanden haben. Das ist nichts, wofür wir jemals stehen sollten.  

Unsere Gründerväter, so unvollkommen sie auch waren, haben ein Experiment begonnen, das buchstäblich die Welt verändert hat.  

Hier in den Vereinigten Staaten sollte das Volk herrschen und die Macht friedlich übergeben werden, niemals unter Androhung von Gewalt durch einen Speer oder eine Pistole.  

Sie haben eine Idee zu Papier gebracht, der sie selbst nicht gerecht werden konnten, die aber nicht aufzuhalten war: Ja, in Amerika sind alle Menschen gleich geschaffen.  

Wir weisen die Vorstellung zurück, dass ich scheitern muss, damit Sie Erfolg haben; dass Sie nur vorwärts kommen, wenn ich ins Hintertreffen gerate; dass ich dadurch aufsteige, dass ich Sie kleinhalte.  

Der vorherige Präsident, der Lügen über die Wahl verbreitet, und der Mob, der das Kapitol angegriffen hat, hätten sich nicht weiter von den zentralen amerikanischen Werten entfernen können.  

Sie wollen entweder herrschen oder das zerstören, wofür unser Land in Lexington und Concord, in Gettysburg, am Omaha Beach, in Seneca Falls, in Selma (Alabama) gekämpft hat. Und wofür haben wir gekämpft: für das Wahlrecht, das Recht, uns selbst zu regieren und unser Schicksal selbst zu bestimmen.  

Mit diesen Rechten gehen auch Verpflichtungen einher: Es liegt in unserer Verantwortung, uns gegenseitig als Nachbarn zu betrachten. Vielleicht sind wir mit diesen Nachbarn nicht immer einer Meinung, aber sie sind keine Feinde; wir haben die Verantwortung, eine Niederlage einzugestehen und das nächste Mal wieder aufs Spielfeld zu gehen und es noch einmal zu versuchen; und es liegt in unserer Verantwortung zu erkennen, dass Amerika eine Vorstellung ist, eine Vorstellung, die wachsame Führung braucht.  

Auch heute, ein Jahr nach dem 6. Januar 2021, sind die Lügen, die die Wut und den Wahnsinn an diesem Ort befeuert haben, nicht verschwunden.  

Wir müssen also standhaft, entschlossen und unerschütterlich das Wahlrecht und das Recht, jede Stimme zu zählen, verteidigen.  

Einige haben in diesem heiligen Unterfangen bereits das höchste Opfer gebracht.  

Jill und ich haben nach dem 6. Januar hier in der Rotunde des Kapitols nicht einmal, sondern bereits zweimal um die Polizistinnen und Polizisten getrauert: das erste Mal zu Ehren von Brian Sicknick, der am Tag nach dem Angriff sein Leben verlor, und ein zweites Mal zu Ehren von Billy Evans, der ebenfalls bei der Verteidigung des Kapitols sein Leben ließ.  

Wir sind in Gedanken auch bei allen anderen, die ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden oder mit den traumatischen Erlebnissen dieses Tages leben müssen – von denjenigen, die das Kapitol verteidigt haben, über Kongressabgeordnete beider Parteien und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis hin zu Journalistinnen, Mitarbeitern der Kantine, den Hausmeistern und Reinigungskräften und ihren Familien.  

Machen Sie sich nichts vor: Die Schmerzen und die Narben dieses Tages sitzen tief.  

Ich habe es schon häufiger gesagt, und im Kontext der Ereignisse vom 6. Januar wird es besonders zutreffend und real: Wir befinden uns in einem Kampf um die Seele Amerikas. Ein Kampf, in dem wir dank der Gnade Gottes und der Güte und Großartigkeit unserer Nation siegreich sein werden.  

Glauben Sie mir, ich weiß, wie mühsam Demokratie ist. Und ich kenne die Gefahren, denen Amerika gegenübersteht. Aber ich weiß auch, dass unsere dunkelsten Tage zu Licht und Hoffnung führen können.  

Wie Vizepräsidentin Harris sagte, entstand aus dem Tod und der Zerstörung in Pearl Harbor der Sieg über den Faschismus.  

Aus der Brutalität des Bloody Sunday auf der Edmund Pettus Bridge entstand das historische Wahlrechtsgesetz.  

Stellen wir uns nun also der Verantwortung und schreiben das nächste Kapitel der amerikanischen Geschichte, in dem der 6. Januar nicht das Ende der Demokratie einläutet, sondern den Anfang einer Renaissance der Freiheit und Anständigkeit.  

Ich wollte diesen Kampf, der heute vor einem Jahr ins Kapitol getragen wurde, nicht, werde aber auch nicht vor ihm zurückschrecken.  

Ich werde mich in die Schusslinie stellen. Ich werde dieses Land verteidigen. Und ich werde nicht zulassen, dass jemand unserer Demokratie ein Messer an die Kehle hält.  

Wir werden dafür sorgen, dass der Wille des Volkes gehört wird, dass Stimmzettel siegen und nicht Gewalt, dass die Macht in diesem Land immer friedlich übergeben wird.  

Ich bin überzeugt, dass die Kraft und der Sinn der Präsidentschaft darin liegen, diese Nation zu einen, nicht sie zu spalten, darin, uns alle voranzubringen, nicht uns zu spalten, und darin, dass es um uns geht, nicht um „mich“.  

Tief im Herzen Amerikas lodert eine Flamme, die vor beinahe 250 Jahren entzündet wurde – eine Flamme der Freiheit, Unabhängigkeit und Gleichheit.  

Dies ist kein Land der Könige, Diktatoren oder Autokraten. Wir sind ein Land der Gesetze, der Ordnung, nicht des Chaos, ein Land des Friedens, nicht der Gewalt.  

Hier in Amerika regiert das Volk durch seine Stimme, und der Wille des Volkes zählt.  

Denken wir also daran: Gemeinsam sind wir eine Nation, unter Gott, unteilbar. Heute, morgen und für alle Zeit sind wir, wenn wir uns auf uns besinnen, die Vereinigten Staaten von Amerika.  

Möge Gott Sie segnen. Möge Gott unsere Soldatinnen und Soldaten schützen. Und möge Gott jene segnen, die über unsere Demokratie wachen.  

Originaltext: Remarks By President Biden To Mark One Year Since The January 6th Deadly Assault On The U.S. Capitol