Der Krieg des Kreml gegen die Kinder der Ukraine
Global Engagement Center (GEC), 24. August 2023
Am 17. März 2023 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die russische Kinderrechtsbeauftragte, Maria Lvova-Belova. Sie werden des Kriegsverbrechens der rechtswidrigen Vertreibung oder Überführung von Kindern aus der Ukraine verdächtigt.
Russlands Propagandamaschinerie reagierte auf die Entscheidung des IStGH unmittelbar mit der Androhung von Atomschlägen, falschen Behauptungen über westliche „Experimente an Kindern“ und antirussische „Hysterie“, Aufrufen zur Verhaftung der Richter des IStGH und Behauptungen, dass die ukrainischen Kinder „zu ihrer Sicherheit“ außer Landes gebracht wurden. Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates der Russischen Föderation, Dmitri Medwedew, drohte dem Gericht in Den Haag mit einer Hyperschallrakete und verglich die Haftbefehle mit Toilettenpapier. Die Kreml-Propagandisten Wladimir Solowjow und Margarita Simonjan erklärten, jedes Land, das es wagt, Putin zu verhaften, müsse mit einem Atomschlag rechnen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, warf dem „aufgeklärten Westen“ vor, „die Rettung von Kindern zu kriminalisieren“, während eben diese westlichen Länder „mit Geschlechtsumwandlungen an Kindern experimentieren“. Der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, erklärte unabhängig davon, dass „der Westen hysterisch“ sei und dass jede gegen Putin gerichtete „Beschimpfung“ als Angriff auf Russland gewertet werde, und er ergänzte: „Yankees, Hände weg von Putin!“ Entsprechend bezeichnete die russische Botschaft in Washington die „Validierung“ der Haftbefehle „durch die Vereinigten Staaten“ als „schleichende Schizophrenie“ und verwies auf „US-Gräueltaten“ in anderen Ländern. Mehrere russische Senatorinnen und Senatoren schlugen vor, Haftbefehle gegen die Richter des IStGH zu erlassen und den Internationalen Strafgerichtshof zu „liquidieren“. Der vorliegende Bericht untersucht die Hintergründe der durch den IStGH erhobenen Anklagen und die russischen Maßnahmen zur Manipulation von Informationen sowie die Versuche, die Schuldzuweisungen bezüglich der mutmaßlichen Kriegsverbrechen abzuwehren.
Seit dem 24. Februar 2022, als die groß angelegte Invasion der Ukraine begann und der Kreml versuchte, die demokratisch gewählte Regierung in Kiew zu stürzen, haben Angehörige der russischen Streitkräfte in der Ukraine zahlreiche international dokumentierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, unter anderem auch gegen viele ukrainische Kinder. Am 5. Juni 2023 nahm der Generalsekretär der Vereinten Nationen die russischen Streitkräfte und bewaffnete Gruppen, die enge Verbindungen zum russischen Staat haben, in die Liste der Parteien auf, die „schwere Verletzungen der Rechte von Kindern in bewaffneten Konflikten“ begangen haben, weil sie Berichten zufolge Hunderte von ukrainischen Kindern getötet und verstümmelt, sie als menschliche Schutzschilde missbraucht und Schulen und Krankenhäuser angegriffen haben.
Der Kreml scheint entschlossen, die Existenz der Ukraine als Staat auszulöschen, indem er versucht, die Ukraine ihrer Zukunft zu berauben. Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass die Zwangsumsiedlung, Umerziehung und in einigen Fällen auch die Adoption ukrainischer Kinder wesentliche Elemente der systematischen Bemühungen Russlands zur Unterdrückung der Identität, Geschichte und Kultur der Ukraine sind. Schätzungen der ukrainischen Regierung zufolge haben die russischen Behörden 19.553 Kinder aus ihrem Zuhause nach Russland „überführt und/oder zwangsumgesiedelt“, unter anderem in so genannte „Sommerlager“ in den von Russland besetzten Gebieten und manchmal nach Russland selbst, sogar in abgelegene Regionen im Fernen Osten Russlands. Bis zum 1. August 2023 hatte die Ukraine 395 Kinder erfolgreich zurückgeholt.
Maria Lvova-Belova, Kinderrechtsbeauftragte im Büro des Präsidenten der Russischen Föderation, erklärte öffentlich, dass sich derzeit mehr als 700.000 Kinder aus der Ukraine in Russland aufhielten, wobei sie behauptete, die meisten von ihnen seien von Erziehungsberechtigten begleitet worden, und dies als „humanitäre Maßnahme“ bezeichnete. Das Humanitarian Research Lab der Yale School of Public Health (Yale HRL), ein Partner des vom US-Außenministerium unterstützten Conflict Observatory, berichtete, Russland habe seit Beginn der Invasion „mindestens 6.000 Kinder aus der Ukraine systematisch in ein Netz von Umerziehungs- und Adoptionseinrichtungen auf der von Russland besetzten Krim und dem russischen Festland umgesiedelt“. Die Ergebnisse des Yale HRL zeigen, dass in der Mehrheit der Lager pro-russische Umerziehungsmaßnahmen durchführt und Kinder in einigen Lagern militärisch ausgebildet werden. Die rechtswidrige Vertreibung oder Überführung geschützter Personen ist eine schwerwiegende Verletzung des vierten Genfer Abkommens zum Schutz von Zivilpersonen und ein international anerkanntes Kriegsverbrechen.
Um von seiner Verantwortung abzulenken, verbreitet Russland Desinformation und Propaganda, in der seine Rechtsverstöße als „humanitäre“ Gesten dargestellt werden. Zudem verbreitet Russland Desinformationen und Propaganda, die darauf abzielen, Kinder in den von Russland besetzten Teilen der Ukraine oder nach Russland überführte Kinder durch eine Gehirnwäsche glauben zu machen, dass der Kreml sie vor einem „Nazi-Regime in Kiew“ rettet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, Ziel dieser kriminellen Politik sei nicht nur, Menschen zu stehlen, sondern sie dazu zu bringen, die Ukraine zu vergessen und es ihnen unmöglich zu machen, dorthin zurückzukehren.
Rechenschaftspflicht ist ein Muss. Aus diesem Grund unterstützen die Vereinigten Staaten uneingeschränkt die Bemühungen der ukrainischen und internationalen Behörden, alle Beweise für Gräueltaten zu sammeln, zu dokumentieren und zu sichern, sodass Russlands Desinformation und Propaganda nicht die einzigen Aufzeichnungen darüber sind, was den Kindern der Ukraine widerfahren ist.
„Sie haben gesagt, dass meine Mutter mich nicht braucht“: Die Mechanismen der rechtswidrigen Vertreibung, Überführung und Adoption ukrainischer Kinder durch Russland.
Yale HRL zufolge begann Russland kurz vor der durch den Kreml angeordneten Vollinvasion der Ukraine im Februar 2022 damit, Kinder aus den von ihm kontrollierten oder besetzten Teilen der Ukraine nach Russland zu überführen. Russland nutzt verschiedene Methoden, um Kinder aus der Ukraine nach Russland zu überführen, unter anderem diese drei: 1.) Russische und von Russland eingesetzte Behörden in den besetzten ukrainischen Gebieten haben Kinder im Rahmen so genannter „Filtrations“-Operationen rechtswidrig überführt. 2.) Russische und von Russland eingesetzte Behörden haben Kinder aus staatlichen ukrainischen Einrichtungen entfernt. 3.) Russische und von Russland eingesetzte Behörden haben Kinder in angebliche Erholungslager auf die Krim und nach Russland verschleppt.
Filtration
Berichten von Amnesty International und der Ukrainska Pravda zufolge werden einige Kinder im Verlauf der russischen „Filtrationsmaßnahmen“ von ihren Eltern getrennt. Im Rahmen dieses Vorgangs hält Russland ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten fest, um zu prüfen, ob sie eine Gefahr für die russische Besatzung darstellen. Am Ende der „Filtration“ erhalten die betroffenen Personen entweder Papiere und verbleiben in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine oder sie werden gewaltsam nach Russland überführt oder aber in Gefängnissen in der Ostukraine oder Russland festgehalten. Während der „Filtration“ können Kinder von ihren Eltern getrennt und separat verhört werden. Teilweise werden Kinder ohne die Zustimmung oder Anwesenheit ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten befragt und durchsucht.
Sashko (12) aus Mariupol sagte aus, russische Soldaten hätten ihn und seine Mutter in eine „Filtrationseinrichtung“ in Bezimenne, einem Dorf im von Russland besetzten Teil der ukrainischen Region Donezk, gebracht. Seine Mutter wurde zum Verhör mitgenommen, und er hat sie seitdem nicht mehr gesehen. „Ich konnte mich nicht von meiner Mutter verabschieden … Sie [die russischen Soldaten] sagten, meine Mutter brauche mich nicht, ich käme in ein Kinderheim und dann in eine Pflegefamilie“, so Sashko. Sashko verbrachte zwei Monate in einem „Traumazentrum“ im russisch besetzten Donezk, bevor es ihm gelang, seine Großmutter Ljudmila zu kontaktieren, die dann nach Donezk reiste, um Sashko nach Hause zu holen. Andere Kinder aus Mariupol, die während der „Filtrationen“ von ihren Eltern getrennt wurden, wurden Berichten zufolge nach Moskau gebracht und werden dort auf ihre Adoption durch russische Familien vorbereitet.
Vertreibung/Überführung aus Institutionen
Russland überführt auch Kinder, die in ukrainischen Betreuungseinrichtungen leben. Lvova-Belova behauptete, dass diese Kinder keine Eltern oder Erziehungsberechtigten hätten. Associated Press zufolge jedoch wurden „ukrainische Kinder ohne Zustimmung nach Russland oder in die von Russland besetzten Gebiete überführt und ihnen wurde erzählt, ihre Eltern wollten sie nicht mehr. Russland nutzt sie als Propaganda, weist ihnen russische Familien zu und überträgt ihnen die russische Staatsbürgerschaft“. Timofey Chmel (17) sagte, die Behörden in Donezk hätten versucht, ihn mit „technischen Geräten und Kleidung“ und einem „entspannten“ Leben dazu zu überreden, nach Moskau zu gehen. „Wenn deine Eltern dich verlassen haben, brauchen sie dich nicht. Wir werden dir helfen“, sagten sie ihm. Timofey weigerte sich.
Nicht alle Kinder, die in den staatlichen Einrichtungen der Ukraine leben, sind Waisen. Es kann sich dabei um Kinder aus Familien in schwierigen Situationen handeln, oder um Kinder, deren Eltern durch die russischen Bombenangriffe getötet wurden, die aber möglicherweise noch andere Verwandte oder Erziehungsberechtigte haben. Der New York Times zufolge „werden Kinder in staatlichen Unterkünften [in der Ukraine] oft als Waisen bezeichnet, aber die meisten haben Familien.“ „Eltern, die mit Krankheit, Drogenmissbrauch oder finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und Eltern, die sich um Kinder mit komplexen medizinischen Problemen oder um Kinder mit Behinderungen kümmern, können ihre Kinder – vorübergehend oder dauerhaft – in staatlichen Einrichtungen der Ukraine unterbringen.“ Russland „evakuiert“ vermeintliche Waisenkinder unter dem Vorwand von „Sicherheitsbedenken“ oder zur „medizinischen Versorgung“, schickt sie in Krankenhäuser oder „Familienzentren“ in die von Russland besetzten Gebiete und überführt sie dann zur „Pflege oder Adoption“ nach Russland, wo einige von ihnen gezwungen werden, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Olga Druzhinina aus der sibirischen Stadt Salekhard erzählte Journalistinnen und Journalisten, dass sie vier Kinder aus der von Russland besetzten ukrainischen Stadt Donezk adoptiert hat. „Unsere Familie ist wie ein kleines Russland … Russland hat vier Gebiete eingenommen, und die Familie Druzhinin hat vier Kinder aufgenommen“, sagte Frau Druzhinina. Nach Angaben des Yale HRL sagte Lvova-Belova im Sommer 2022, dass 350 „Waisenkinder“ aus der Ukraine von russischen Familien adoptiert worden seien und „über tausend“ weitere kurz vor der Adoption stünden. Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zur Ukraine kam zu dem Schluss, dass „die Verbringung der Kinder die Anforderungen des humanitären Völkerrechts in keiner der von der Kommission untersuchten Situationen zu erfüllen scheint. Die Überführungen waren weder aufgrund von Sicherheitsbedenken noch aus medizinischen Gründen gerechtfertigt.“
Verbringung in „Sommerlager“
Die von Russland eingesetzten „Behörden“ und die Soldatinnen und Soldaten der Russischen Föderation in den besetzten Gebieten der Ukraine rekrutieren auch Kinder aus der Ukraine, die in so genannte „Erholungslager“ auf die besetzte Krim oder nach Russland „reisen“. Yale HRL hat über 6.000 Kinder aus der Ukraine erfasst, die in mindestens 43 solcher Einrichtungen festgehalten werden. Elf von Yale HRL identifizierte Lager befinden sich über 800 Kilometer von der ukrainischen Grenze zu Russland entfernt, darunter zwei in Sibirien und eines im Fernen Osten Russlands. Laut Yale HRL wird die Zustimmung der Eltern zur Teilnahme ihrer Kinder an den Lagern „unter Zwang eingeholt und dieses Erfordernis regelmäßig missachtet“. AP zufolge versuchen russische Beamte, den Kindern vorzugaukeln, dass „ihre Eltern sie nicht wollen“. Laut Yale HRL berichten Eltern, dass sie über die „Dauer des Aufenthalts und die Vorgehensweis zur Wiedervereinigung mit ihren Kindern“ angelogen werden. In einigen Fällen schickten die Organisatoren die Kinder gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern in die Lager. Rund zehn Prozent der Lager setzten die geplante Rückkehr der Kinder in die Ukraine aus und informierten die Eltern nicht über den Aufenthaltsstatus und -ort ihres Kindes, heißt es in demselben Bericht. Kinder aus zwei der Lager sind inzwischen bei Pflegefamilien in Russland untergebracht. Diese Verbringung und Überführung ukrainischer Kinder wird von den föderalen, regionalen und lokalen russischen Behörden „zentral koordiniert“, wozu auch die Förderung des Programms „Erholungslager“ in Russland und den von Russland besetzten Regionen der Ukraine gehört.
Wie im Menschenhandelsbericht 2023 erwähnt, ist das US-Außenministerium angesichts der Zwangsumsiedlung ukrainischer Kinder in die Russische Föderation durch Russland zutiefst besorgt. Diese Kinder sind in hohem Maße gefährdet, Opfer von Menschenhandel zu werden; würden sie zu Zwangsarbeit oder Prostitution gezwungen, würde es sich hier um Menschenhandel handeln. Da die Kenntnis über Wohlergehen und Aufenthaltsorte dieser Kinder und ihrer Familien begrenzt ist und sich auch dem Zugang humanitärer Hilfsorganisation entzieht, liegen aktuell nicht ausreichend Daten vor, um beurteilen zu können, ob die Ausbeutung dieser Kinder als Menschenhandel einzuordnen ist.
Missbrauch ukrainischer Kinder zu Propagandazwecken unter dem Vorwand humanitärer Hilfeleistung
Im Rahmen des russischen Desinformations- und Propagandaökosystems wird versucht, die vom Kreml angeordnete Zwangsumsiedlung, Umerziehung und Adoption von Kindern aus der Ukraine wahrheitswidrig als humanitäre Maßnahmen darzustellen, die diese Kinder vor dem – von Russland begonnenen – Krieg bewahren soll. Russische Staatsmedien zeigen regelmäßig Aufnahmen, in denen eben aus der Ukraine eingetroffene Kinder von russischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern geküsst und umarmt werden, Spielzeug und Geschenkkörbe und russische Ausweise erhalten und als „vergessene, vor dem Krieg gerettete Kinder“ dargestellt werden. Eng mit dem russischen Staat in Verbindung stehende Organisationen posten auf Telegram und YouTube Propagandavideos, die „einen kontinuierlichen Zustrom von Kindern aus der Ukraine nach Russland“ zeigen.
Darüber hinaus verbreitet Russland Unwahrheiten, die auf eine Dämonisierung der Ukraine und des Westens abzielen und weitere Vorwände für die Vertreibung und Überführung ukrainischer Kinder schaffen. So verbreiten zwei sogenannte „Dokumentarfilme“ Desinformationen, denen zufolge die Ukraine, der Westen und westliche Hilfsorganisationen illegalen Handel mit den Organen ukrainischer Kinder treiben. Ein Film des Senders RT mit dem Titel „Panzer für Nieren“ erhebt den absurden Vorwurf, die ukrainische Regierung sei Teil eines internationalen Rings für den illegalen Handel mit Kinderorganen. Außerdem deutet der Film an, die NATO und Ärzte ohne Grenzen hätten bereits in der Vergangenheit in Serbien eine ähnliche Operation unterstützt. In einem weiteren, über den kremlnahen Kanal Russia is me verbreiteten Film mit dem Titel „Lass Mama hören“ (Пусть мама услышит), wird von anonymen Quellen und angeblichen Fachleuten behauptet, dass die White Angels, eine Organisation, die scheinbar unter Federführung der ukrainischen Polizei agiert, in sogenannten Geheimlabors Kinder ermorde und ihre Organe an Kunden in Europa und den Vereinigten Staaten verkaufe. Neben der Verbreitung dieser entsetzlichen Desinformation nutzt der Film auch das Leid wehrloser Kinder aus. So wird ein Mädchen durch manipulative Fragen schließlich dazu gebracht zu erklären, dass es in Russland bleiben wolle, auch wenn seine Mutter sich entschließen sollte, es wieder zu sich in die Ukraine zu holen.
Lügen und Manipulation
Zwar räumen die russischen Behörden die Verschleppung ukrainischer Kinder innerhalb besetzter Teile der Ukraine und/oder ihre Überführung nach Russland ein, verbreiten jedoch gleichzeitig falsche Darstellungen, um die böswilligen Aktivitäten des Kreml zu verschleiern. So erklärte Lvova-Belova, Russland gehe aus humanitären Gründen und mit der Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten der Kinder so vor. Im Mai 2022 unterschrieb Putin einen Erlass, mit dem das Verfahren für den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft für Waisen aus der Ukraine und Kinder, die sich nicht in der Obhut ihrer Eltern befinden, erleichtert wurde. Im Januar 2023 wies Putin Lvova-Belova an, „weitere Maßnahmen zu ergreifen, um Minderjährige zu erfassen“, die in den besetzten Teilen der Ukraine leben. Bei einem Treffen mit Lvova-Belova im Februar 2023 rühmte er sich der „wachsenden Zahl der Anfragen unserer Bürgerinnen und Bürger bezüglich der Adoption von [ukrainischen] Kindern“. Dennoch bestreitet Lvova-Belova immer wieder, dass Adoptionen vollzogen würden, und behauptete im März 2023, 380 Waisen seien „vorübergehend bei Familien in Russland untergebracht, bis ihre Eltern sie zu sich holen können“. Einem Bericht der Rostower Regionalregierung zufolge hat die unabhängige investigative Nachrichtenagentur Vashniye Istorii (Wichtige Geschichten) festgestellt, dass die Zahl der ukrainischen Kinder, die bei Pflegefamilien in Russland leben, bei 1.184 liegt und damit dreimal so hoch ist wie von Lvova-Belova behauptet.
Desinformation und Propaganda zur Manipulation und Indoktrinierung ukrainischer Kinder
Russische Beamtinnen und Beamte leugnen unrichtigerweise auch, dass Russland systematisch versucht, ukrainische Kinder so „umzuerziehen“, dass sie sich auf die Seite Russlands stellen. Lvova-Belova bezeichnete die Hinweise auf „Umerziehung“ als „Verschwörungstheorie“ und „Fake News“. Yale HRL berichtet jedoch, dass „politische Umerziehung“ das wichtigste Ziel dieser Lager sei. Der Prozess der „Umerziehung“ beinhaltet eine pro-russische akademische, kulturelle und patriotische Ausbildung, zu der auch der Besuch von Kriegsmuseen und russischen Kulturstätten gehört. In einigen Fällen werden Kinder auch von russischen Kriegsveteranen militärisch ausgebildet, einschließlich des Unterrichts im Führen von Militärfahrzeugen und im Umgang mit Schusswaffen. Russland wirbt für die Lager als „Integrationsprogramme“ mit dem vermeintlichen Ziel, „Kindern aus der Ukraine die Vorstellung der russischen Regierung von nationaler Kultur, Geschichte und Gesellschaft zu vermitteln“.
Der BBC zufolge hat Lvova-Belova selbst beschrieben, wie Russland gefährdete Kinder aus der Ukraine so manipuliert, dass sie eine pro-russische „Ideologie und Weltsicht“ entwickeln. Lvova-Belova erzählte die angeblich wahre Geschichte von dreißig Kindern, die die russische Regierung von russischen Soldatinnen und Soldaten aus der zerstörten ukrainischen Stadt Mariupol nach Moskau bringen ließ. Sie sagte, die Kinder hätten sich zunächst feindselig über Putin geäußert und die ukrainische Nationalhymne gesungen, und bezeichnete ihre Ausdrucksweise als „scheußlich“. Nachdem sie aber „bei russischen Familien gelebt“ hätten, habe sich ihre Einstellung geändert und ihre „negative“ Sicht habe sich in „Liebe zu Russland“ verwandelt, so Lvova-Belova. Im Mai 2023 sagte Lvova-Belova: „Wir werden verschiedene Bildungs- und Informationsprogramme entwickeln müssen. Wir werden die Kinder [der Ukraine] umerziehen müssen.“
Es gibt viele weitere Beispiele für das, was die Menschenrechtsbeauftragte des Europarats als Russlands Versuche bezeichnet hat, Kinder aus der Ukraine so zu indoktrinieren, dass sie „eine pro-russische Weltsicht und historische Narrative annehmen, die die ukrainische Identität herabwürdigen.“ Die unabhängige Agentur Vashniye Istorii hat „patriotische“ Bildungsprogramme in einem Waisenhaus in Nischni Nowgorod dokumentiert, wo Kinder aus der Ukraine an einer Veranstaltung teilnahmen, bei der des Sieges der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland gedacht wurde. Den Social-Media-Kanälen des Waisenhauses zufolge ging es bei der Veranstaltung darum, in den Kindern die „Saat des Stolzes“ für das „großartige“ Russland zu säen. Das Waisenhaus empfing auch russische Soldatinnen und Soldaten, die Kindern „Heldengeschichten“ von der „militärischen Spezialoperation“ erzählten und behaupteten, Russland „beseitige“ Faschisten, Nazis und „Feinde“ aus der Ukraine. Während der Kreml Desinformation über die „Entnazifizierung“ der Ukraine verbreitet, hat er Beamtinnen und Beamte mit Neonazi-Gesinnung eingestellt, um an der rechtswidrigen Verbringung von Kindern aus der Ukraine nach Russland zu arbeiten. Reuters zufolge pflegte Aleksey Petrov, ein ranghoher Mitarbeiter von Lvova-Belova, „als Teenager online Umgang mit Rechtsextremen und Neonazi-Gruppierungen“.
Journalistinnen und Journalisten des unabhängigen russischen Medienunternehmens Verstka behaupteten, dass 14 ukrainische Waisen aus Cherson in ein „Waisenhaus“ auf der Krim gebracht wurden, in dem „unmenschliche“ Bedingungen herrschten. Auftrag dieses Waisenhauses sei es, den Kindern, die dort leben, „Patriotismus und staatsbürgerliche Gefühle“ zu vermitteln, um dafür zu sorgen, dass sie sich „als Bürgerinnen und Bürger eines multinationalen Russlands identifizieren“. Miroslava Kharchenko, Rechtsanwältin bei dem Projekt Save Ukraine, das überführten Kindern bei der Rückkehr in die Ukraine hilft, sagte der Ukrainska Pravda: „Sie [Russland] sagen, dass die Ukraine sie [die Kinder] aufgegeben hat. Sie bringen sie dazu, ihre Eltern zu hassen, dann ihr Land [zu hassen] und dann dazu, Russland zu lieben.“ Die 13-jährige Ekaterina aus Cherson und andere Kinder, die Zeit in einem Lager in Jevpatorija auf der russisch besetzten Krim verbracht haben, sagt, die Lagerleitung habe den Kindern verboten, über die Ukraine zu sprechen, sie gezwungen, sich jeden Morgen zur russischen Nationalhymne zu erheben, gedroht, Kiew weiter zu bombardieren und versichert, Cherson „wieder russisch“ zu machen. Vitaliy, ein 16-Jähriger aus Beryslav, der in einem Lager auf der russisch besetzten Krim untergebracht war, sagte: „Als sie uns dorthin gebracht haben, sagten sie, ‚die Ukraine besteht nur aus Terroristen, die Menschen töten‘. Sie haben uns für die Aussage „Ruhm der Ukraine“ mit Rohrstöcken geschlagen. Sie haben uns beschimpft und uns „Khokhols“ [Russisch, abwertend für „Ukrainer“] genannt. Als ein Mädchen in seinem Zimmer eine ukrainische Flagge aufgehängt hat, haben sie die Flagge verbrannt.“ Russische Besatzungsbehörden in der Region von Saporischschja haben die Kinder gezwungen, Briefe zu schreiben, um die russischen Soldatinnen und Soldaten, die in der Ukraine kämpfen, zu unterstützen, so das ukrainische Nationale Widerstandszentrum. Anderen Quellen, darunter auch die ukrainischen Kinder selbst, berichten von ähnlichen Indoktrinierungsmethoden. Lvova-Belova dazu: „Fühlt es sich nicht patriotisch an, wenn es keine ausländischen Kinder gibt und sie alle unsere sind?“
Die Vereinigten Staaten werden so lange darauf drängen, dass Russland für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen wird, wie es nötig ist.
Die russische Regierung hat im Rahmen der russischen Filteroperationen und anderer Methoden rechtswidrig tausende ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten, auch Kinder, innerhalb der besetzten Gebiete der Ukraine vertrieben oder nach Russland überführt. Das ist eine schwerwiegende Verletzung des vierten Genfer Abkommens und ein international anerkanntes Kriegsverbrechen. Die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs wirft Russland vor, mit der Überführung ukrainischer Kinder, von denen einige in Russland zur Adoption freigegeben wurden, ihre „Intention, diese Kinder dauerhaft aus ihrem Land zu entfernen“, deutlich zu machen. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andriy Kostin stellte dazu fest: Die „Entführung und Überführung von Kindern gehören zu den sechs schweren Verletzungen von Kinderrechten während bewaffneter Konflikte und sind nach internationalen Menschenrechtsgesetzen, humanitärem Völkerrecht und internationalem Strafrecht verboten. Dabei handelt es sich um eines von fünf Verboten gemäß des „Völkermord-Übereinkommens von 1949. Andere Fachleute sind sich einig, dass die „massenhafte Verbringung von Kindern ein Kriegsverbrechen ist, auch, wenn es sich bei ihnen um Waisen handelt“. Die Überführung ukrainischer Zivilistinnen und Zivilisten, einschließlich Kindern, die gewaltsam von ihren Eltern getrennt wurden, war eine der Grundlagen für die Feststellung des US-Außenministers im Februar 2023, dass Mitglieder russischer Truppen und andere Vertreterinnen und Vertreter der russischen Regierung in der Ukraine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Gemeinsam mit ihren Partnern im Vereinigten Königreich und der EU, unterstützen die Vereinigten Staaten die ukrainischen Ermittlungen und die Verfolgung der von Russland verübten Verbrechen gegen Kinder durch die Beratungsgruppe für den Umgang mit Gräueltaten (Atrocity Crimes Advisory – ACA).
Die verheerenden Auswirkungen von Putins Krieg auf die Kinder der Ukraine werden noch generationenlang nachwirken. Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Ukraine und werden so lange wie nötig mit Nachdruck darauf drängen, Russland für seine Verstöße zur Verantwortung zu ziehen.
Originaltext: The Kremlin’s War Against Ukraine’s Children