Konferenz „Uniting for Global Food Security“
Auf der Konferenz „Uniting for Global Food Security“ („Vereint für die Globale Ernährungssicherheit“) hielt US-Außenminister Antony J. Blinken am 24. Juni 2022 in Berlin eine Rede über die derzeitigen Herausforderungen für die weltweite Ernährungssicherheit. Wir haben die Rede unwesentlich gekürzt übersetzt.
Vielen herzlichen Dank, Annalena. […] Ich danke Ihnen und Deutschland sehr dafür, dass Sie uns alle in dieser kritischen Zeit an diesem Ort zusammengeführt haben. Ich bin allen Teilnehmenden sehr dankbar, vor allem aber denjenigen, die aus Ländern kommen, die die Hauptlast dieser Nahrungsmittelkrise tragen, und wir freuen uns sehr darauf, direkt von Ihnen zu hören, was wir gemeinsam tun können, um Ihre Bedürfnisse, die Bedürfnisse Ihrer Bevölkerung, besser zu erfüllen.
Wir haben die Zahlen gehört und sehen, dass sich die Krise in den vergangenen Jahren verschärft hat. Die Zahl der Menschen, die in akuter Ernährungsunsicherheit leben, also die Zahl der Menschen, die nicht in der Lage sind, sich ausreichend zu ernähren, und deren Leben oder Existenzgrundlage dadurch unmittelbar bedroht ist, lag 2016 bei etwa 108 Millionen Menschen und im vergangenen Jahr nach Schätzungen der Vereinten Nationen bei 193 Millionen Menschen. Nach Berechnungen der Weltbank werden durch den ungerechtfertigten und unbegründeten Krieg Russlands gegen die Ukraine, die lange Zeit eine der Kornkammern der Welt war, mindestens weitere 40 Millionen Menschen in die Gruppe derjenigen abrutschen, die von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sind.
Wir kennen also die Ursachen für all dies: Klima, COVID und jetzt dieser Konflikt durch die russische Aggression. Das russische Militär verwüstet ukrainische Bauernhöfe und Getreidesilos, stiehlt ukrainisches Getreide und die für die Ernte benötigte Ausrüstung und blockiert den Zugang zu und von ukrainischen Häfen auf dem Seeweg. In der Ukraine lagern derzeit etwa 25 Millionen Tonnen Getreide in Silos, wo es verrotten wird, wenn es nicht exportiert wird. In den kommenden Monaten werden mehrere zehn Millionen Tonnen geerntet, aber es gibt keinen Platz für die Lagerung des Getreides, denn die Ukraine ist aufgrund der russischen Blockade nicht in der Lage, das Getreide aus den vollen Silos abzutransportieren.
Es ist sehr wichtig, dass wir uns über etwas im Klaren sind, Annalena hat es vorhin schon gesagt; und ich möchte das noch einmal unterstreichen: Als wir Sanktionen gegen Russland verhängt haben, damit es seine Aggression gegen die Ukraine so schnell wie möglich einstellt, haben wir bewusst Ausnahmen für landwirtschaftliche Güter, für Düngemittel, für Versicherungen und für den Transport dieser Produkte geschaffen, um eine Verschärfung der Nahrungsmittelkrise zu vermeiden. Nichts, aber auch gar nichts verhindert den Transport von Nahrungs- und Düngemitteln aus Russland und nur ein Land blockiert Nahrungs- und Düngemitteltransporte aus der Ukraine, und das ist Russland.
Vergangenen Monat habe ich, wie Annalena schon sagte, eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates und ein Ministertreffen einberufen, um weitere gemeinsame Maßnahmen anzuregen. Wir haben unter anderem einen globalen Fahrplan erstellt, der die Länder dazu verpflichtet, umgehend konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Menschen auf der ganzen Welt mit Nahrungsmitteln zu versorgen, die sie jetzt brauchen, und die Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks zu stärken. Vierundneunzig Staaten, haben sich diesem Fahrplan angeschlossen, und es kommen immer noch mehr hinzu. Und was ist nun unsere Aufgabe? Unsere Aufgabe ist es, die Verpflichtungen, die die Länder im Rahmen des Fahrplans und anderer Initiativen eingegangen sind, umgehend in konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Dazu einige Vorschläge: Erstens müssen mehr Länder einen weiteren substanziellen Beitrag leisten, um den dringenden humanitären Bedarf zu decken. Die Kosten für die Arbeit wichtiger Organisationen wie des Welternährungsprogramms und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation sind drastisch gestiegen. Wir müssen ihnen helfen, einige dieser Lücken zu schließen. Seit Beginn der russischen Aggression im Februar haben die Vereinigten Staaten fast 2,8 Milliarden US-Dollar an Nahrungsmittelsoforthilfe bereitgestellt, einschließlich der Aufstockung unserer Hilfen für die am stärksten betroffenen Länder und Regionen – am Horn von Afrika, im Jemen, im Libanon und auf Haiti. Vergangenen Monat hat der US-Kongress weitere Mittel in Höhe von 5,5 Milliarden US-Dollar für die weltweite Ernährungssicherheit und humanitäre Hilfe bewilligt. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten noch mehr tun können, und Sie können bald mit weiteren Ankündigungen unserer zusätzlichen Unterstützung rechnen, unter anderem wird der Präsident auf dem G7-Treffen etwas dazu sagen.
Zweitens müssen wir die von den Vereinten Nationen geleiteten Bemühungen vorantreiben, die auf ein Ende der Blockade der ukrainischen Nahrungsmittelexporte durch Russland über das Schwarze Meer abzielen.
Drittens müssen wir die weltweite Düngemittellücke schließen, indem wir mehr Dünger produzieren und ihn effizienter einsetzen. Wir wissen, dass die Erträge sinken, wenn die Landwirte keinen Dünger erhalten. Die Erträge gehen zurück, die Engpässe nehmen zu, die Preise steigen. Die Düngemittelpreise sind mit Ausbruch der Pandemie in die Höhe geschnellt. Aufgrund der Aggression Russlands stiegen sie sogar noch weiter an. Der fehlende Zugang zu Düngemitteln führt dazu, dass viele einkommensschwache Länder ihre Produktion erheblich einschränken. Präsident Biden sagte 500 Millionen US-Dollar zu, um unsere eigene Düngemittelproduktion hochzufahren, und rief weltweit dazu auf, 100 Millionen US-Dollar für neue Forschungsarbeiten zur Effizienzsteigerung und die Entwicklung von Alternativen bereitzustellen.
Viertens müssen die Regierungen der Versuchung widerstehen, die Ausfuhr von Nahrungs- und Düngemitteln zu beschränken. Vergangene Krisen haben gezeigt, dass das Problem so nur verschlimmert wird.
Fünftens müssen wir die Kapazitäten und die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft überall auf der Welt deutlich erhöhen. Das habe ich wiederholt gehört, als ich vergangenen Monat am Rande unseres UN-Ministertreffens Gastgeber eines Treffens mit afrikanischen Amtskolleginnen und -kollegen war. Wir arbeiten hart daran, sowohl durch individuelle Bemühungen wie unsere eigene Initiative Feed the Future, im Rahmen derer wir eine Milliarde US-Dollar pro Jahr für den Aufbau von Kapazitäten bereitstellen, als auch durch die Mobilisierung von Investitionen durch internationale Finanzinstitutionen.
Sechstens, was diese Institutionen betrifft, sind wir uns einig, dass wir die Initiativen der internationalen Finanzinstitutionen weiterverfolgen müssen, um Nahrungsmittelschocks abzufedern und den Ländern mehr Flexibilität bei ihren Maßnahmen einzuräumen, damit sie ihre Bevölkerung ernähren können.
Und schließlich brauchen wir einen besseren Informationsaustausch und eine bessere Koordinierung, um den Bedarf besser ermitteln und effizient darauf reagieren zu können. Dies ist eine der treibenden Ideen hinter der Globalen Allianz für Nahrungsmittelsicherheit, die wir und andere G7-Mitglieder vergangenen Monat hier in Berlin ins Leben gerufen haben.
Lassen Sie mich also mit Folgendem abschließen: Wir haben all diese Zahlen gehört; wir alle haben Zahlen über die wachsende Ernährungsunsicherheit genannt. Aber wissen tun wir Folgendes: Wir wissen, dass es sich bei diesen Zahlen um Menschen handelt, um echte Menschen, echte Leben, echte Existenzen, Mütter, Väter, Kinder. Und wenn Sie zum Beispiel in Somalia sehen, wie eine Mutter eines ihrer Kinder auf eine unglaublich gefährliche Reise mitnimmt, um irgendwo Nahrung für ihr Kind und die anderen zu finden, die sie zurückgelassen hat, und sie es dorthin schafft und das Kind, das sie mitgenommen hat, in ihren Armen stirbt, weil sie nicht rechtzeitig an Nahrung kam – stellen Sie sich vor, das wären Ihre Kinder und versetzen Sie sich in ihre Lage. Stellen Sie sich das einmal vor. Als Menschen sollten wir alle davon ergriffen sein. Wir sehen das Leid und wir wissen, dass wir etwas dagegen tun können. Also lassen Sie es uns anpacken.
Originaltext: Secretary Antony J. Blinken During the Uniting for Global Food Security Conference