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September 16, 2022

Botschafterin Gutmann bei der Verleihung des M100-Medienpreises

Botschafterin und Bundeskanzler bei der Verleihung des M100-Awards an die Ukraine
Botschafterin und Bundeskanzler bei der Verleihung des M100-Awards an die Ukraine

Am 15. September 2022 wurde in Potsdam der M100-Medienpreis an die Bevölkerung der Ukraine verliehen. Neben Bundeskanzler Olaf Scholz und Wladimir Klitschko, der den Preis stellvertretend für die Ukrainerinnen und Ukrainer in Empfang nahm, hielt auch Botschafterin Amy Gutmann bei der Preisverleihung eine Rede, die wir hier in deutscher Übersetzung bereitstellen.

Bundeskanzler Scholz, Exzellenzen, meine Damen und Herren, es ist mir eine wahre Ehre, die Ukrainerinnen und Ukrainer gemeinsam mit Ihnen für ihren Mut und ihren Kampf für eine Zukunft zu würdigen, die auf Würde, Anstand und Demokratie gründet. Überall in der Ukraine verteidigen die Ukrainerinnen und Ukrainer mit viel Mut nicht weniger als ihr Recht auf ein gerechteres, freieres und wohlhabenderes Land.

Ich hoffe, Sie gestatten mir, heute Abend mein Herz und meinen Verstand sprechen zu lassen. In den USA fängt im September die Schule wieder an. Meine Mutter hat erzählt, dass ich meine Stifte für die Grundschule immer schon Anfang August angespitzt habe. Für Millionen ukrainischer Kinder war der erste Schultag in diesem Jahr kein aufregender Tag. Er war alles andere als das. Er war eine Bekräftigung der trostlosen Zeit des Krieges. Und das für Kinder.

Von meinem Vater, Kurt Gutmann, der aus dem Deutschland der Nationalsozialisten fliehen musste, und aus meiner Erfahrung als Lehrerin, Wissenschaftlerin und Leiterin einer Universität weiß ich, dass Bildung weit mehr ist als Lesen, Schreiben und Rechnen. Gute Bildung befähigt uns dazu, erfolgreich für unsere Überzeugungen einzutreten. Deshalb reißen Despoten auch stets umgehend die Kontrolle über Bildungseinrichtungen an sich.

Ich bin immer begeistert zur Schule gegangen, denn da niemand aus meiner Familie einen Collegeabschluss hatte und ich aus einer sehr einkommensschwachen Familie stammte, wusste ich, dass Bildung der Schlüssel zu Chancen ist, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie. Durch russische Bomben wurden Tausende ukrainische Schulen mutwillig beschädigt und zerstört. Fast die Hälfte der sechs Millionen Kinder des Landes wurde brutal aus ihrem Zuhause vertrieben. Weit weg von ihren Vätern, die an der Front ihr Leben riskieren, leben schätzungsweise zwei Millionen Kinder außerhalb der Ukraine. Sie nehmen entweder über das Internet am Unterricht teil oder versuchen, so gut sie können, dem Unterricht in einer fremden Sprache zu folgen.

Ich danke Polen, ich danke Deutschland, und ich danke allen Ländern in Europa im Namen meines Landes für alles, das sie tun, um ukrainische Schülerinnen und Schüler und ihre geflüchteten Familien zu unterstützen. Ich denke, wir sollten ihnen unsere Wertschätzung zuteilwerden lassen. Auf diese und vielerlei andere entscheidende Weise – humanitär, wirtschaftlich und militärisch – hilft Deutschland der Ukraine, die Demokratie zu verteidigen.

Die ukrainische Bevölkerung steht in diesem Kampf um die Demokratie an vorderster Front. Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist einer von vielen Konflikten weltweit, die eine Bedrohung für unsere grundlegenden demokratischen Freiheiten darstellen.  Die Verteidigung der Demokratie ist die entscheidende Herausforderung unserer Zeit.

Der Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer baut auf der Arbeit all derer auf, die in den letzten drei Jahrzehnten ihr Leben der Stärkung der Demokratie, der Bekämpfung der Korruption und der Verteidigung eines souveränen und freien ukrainischen Staates gewidmet haben.

Seit dem 24. Februar zeigt die ukrainische Bevölkerung jeden Tag ihr mutiges Engagement für diese Werte.  Und die Welt hat das zur Kenntnis genommen. Wie sowohl Präsident Biden als auch Bundeskanzler Scholz betont haben, werden wir den Ukrainerinnen und Ukrainern so lange zur Seite stehen, bis sie gewonnen haben. Wir werden da sein. Die Menschen in der Ukraine haben nicht nur Putin überrascht. Wie Präsident Biden sagte, haben sie auch „die Welt mit ihrer Opferbereitschaft, ihrem Kampfgeist und ihren Erfolgen auf dem Schlachtfeld inspiriert“. Die Ukraine wird aus diesem Konflikt gestärkt hervorgehen.

Allen, die versuchen, uns zu spalten, sagen wir, dass sie das nicht schaffen werden. Sie werden es nicht schaffen. Sie werden uns nur noch enger zusammenführen, denn wir sind uns absolut einig, wenn es um die gemeinsame Verteidigung der demokratischen Souveränität und der Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger geht. Wir werden nicht darin nachlassen, die Ukrainerinnen und Ukrainer im Kampf um ihre Freiheit zu unterstützen.

Sie kämpfen auch für uns. Eine demokratische, wohlhabende und sichere Ukraine ist in unser aller Interesse. Kein Land ist wirklich sicher, auch nicht die Vereinigten Staaten und Deutschland, wenn wir nicht übereinkommen, die Souveränität und territoriale Integrität aller Nationen sowie die Menschenrechte und Grundfreiheiten

aller Menschen zu achten. Kein Land kann die enormen Herausforderungen, vor denen wir stehen, allein bewältigen.

Präsident Biden weiß das, und wir als Land tun unser Bestes, um uns mit all denen zu verbünden, die bereit sind, das Richtige für unsere ukrainischen Brüder und Schwestern zu tun.

Nur eine freie und offene Welt und Gesellschaft kann effektiv zusammenarbeiten und die Innovationen entwickeln und umsetzen, die zur Bewältigung unserer größten Herausforderungen erforderlich sind, darunter die Notwendigkeit, verlässliche und nachhaltige Energiequellen zu entwickeln, die Auswirkungen des Klimawandels anzugehen, Lebensmittelunsicherheit zu bekämpfen und die Bedrohung durch globale Pandemien anzupacken. Der Beweis dafür? Freie Gesellschaften lassen einander an ihren Erkenntnissen teilhaben. Einer der Bereiche, in denen unsere Sanktionen Russland am härtesten treffen, ist der fehlende Zugang zu kritischen Technologien aus den Vereinigten Staaten und Europa.

Wir haben auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine mit Geschlossenheit in unserer Zielsetzung und unserem Handeln reagiert. Deutschland gehört zu den Verantwortlichen dieser erneuerten transatlantischen Solidarität.

Herr Bundeskanzler, wir haben mit größter Bewunderung und größtem Respekt verfolgt, wie Sie eine historische Wende für Deutschland angekündigt haben, eine Zeitenwende, die mit konkreten Taten einhergeht: mit der Entscheidung, die Bundeswehr zu modernisieren, die NATO-Verpflichtung zu zwei Prozent des BIP zu erfüllen, eine sichere und vielfältige Energieversorgung für das deutsche Volk zu gewährleisten und in der Unterstützung für das ukrainische Volk, das für seine Freiheit kämpft, nie nachzulassen.

Präsident Biden und der US-Kongress haben zudem unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine weiterhin militärisch, wirtschaftlich und humanitär zur Seite stehen werden, ganz gleich, wie lange dieser tragische Krieg dauert.

Der M100-Medienpreis wird an herausragende Persönlichkeiten verliehen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen. Dieses Jahr hat den Preis zweifellos niemand mehr verdient als die Bevölkerung der Ukraine. Sie ist der Welt eine wahre Inspiration.

Da es sich hier um einen Medienpreis handelt, möchte ich auch die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten würdigen, die über diesen Krieg berichten. Die Invasion des Kreml in der Ukraine ist einer von vielen Konflikten weltweit, bei denen Journalistinnen und Journalisten täglich für Freiheit und Demokratie ihr Leben aufs Spiel setzen. Die Waffen, mit denen sie die Demokratie verteidigen, sind andere als die auf dem Schlachtfeld. Aber seien Sie gewiss: Diese Waffen sind unerlässlich, um Putins Feldzug der Des- und Falschinformation entgegenzuwirken. Das ist auch ein brutaler Feldzug.

Es ist mutigen Journalistinnen und Journalisten zu verdanken, dass wir durch Bilder aus der Ukraine und Nachrichten von höchster Aktualität informiert und aufgeklärt werden. Es ist so notwendig wie schmerzhaft, das Ausmaß der Verwüstung und den menschlichen Tribut zu sehen, den dieser Krieg fordert. Bei vielen weckt das Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Und hier muss ich etwas Persönliches sagen. Wenn wir „nie wieder“ wirklich ernst meinen, müssen wir der Ukraine so lange zur Seite stehen, bis sie gewonnen hat.

Die Journalisten dokumentieren für alle die Auswirkungen des Krieges auf die Kinder der Ukraine, Töchter und Söhne, die das Recht haben, in einer Welt aufzuwachsen, in der Freiheit und Chancen die Norm und nicht die Ausnahme sind, Kinder, die das Recht haben, sich auf ihren ersten Schultag zu freuen – darauf, ihre Stifte anzuspitzen, anstatt die Zahl der ausgebrannten Panzer und zerstörten Häuser und Krankenhäuser auf ihrem Schulweg zu zählen.

Freiheit und Chancen für alle – das ist es, was Demokratie ausmacht. Wir haben das Versprechen der Demokratie noch nicht in vollem Umfang verwirklicht, aber nur Demokratie kann diesen Kindern dieses Versprechen erfüllen. Deshalb lohnt es sich, die Demokratie zu verteidigen. Und genau das tun die Ukrainerinnen und Ukrainer jeden Tag – für uns alle. Lassen Sie mich daher abschließend einfach sagen: Wir würdigen sie und werden immer an ihrer Seite stehen. Ich danke Ihnen.