Parlamentarisches Patenschafts-Programm Kongress/Bundestag
US-Außenminister Antony J. Blinken begrüßte am 21. Juni im Burns-Auditorium des US-Außenministeriums die amerikanischen Studierenden, die gerade von ihrem Austauschjahr im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP) aus Deutschland zurückgekehrt sind.
Das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) beziehungsweise der Congress-Bundestag Youth Exchange (CBYX) ist ein Jugendaustauschprogramm, das 1983 durch den Kongress der Vereinigten Staaten und den Bundestag ins Leben gerufen wurde und jungen Menschen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten durch ein Stipendium die Möglichkeit zu einem einjährigen Aufenthalt im jeweils anderen Land bietet.
Vielen Dank. Guten Morgen! Es ist herrlich, diesen Raum so rappelvoll zu sehen. Wow, es gibt nur noch Stehplätze. Nein, wirklich – es ist toll, dass wir alle nach der pandemischen Corona-Phase nun wieder häufiger zusammenkommen und etwas Zeit miteinander verbringen können.
Abteilungsleiter Satterfield hat eben darauf hingewiesen, dass ich vor 30 Jahren in diesem Gebäude angefangen habe, vor fast 30 Jahren, und zwar in der Abteilung für europäische und kanadische Angelegenheiten, wie sie damals hieß. Ich kam zur Arbeit und bekam mein Büro, was ziemlich toll war. Ich meine, mein eigenes Büro. Aber es stimmt auch, dass mein unmittelbarer Vorgänger in diesem Büro ein sehr großer Tresor war, was Ihnen vielleicht eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Büros vermittelt. Es war gerade groß genug für den sehr großen Tresor, der entfernt wurde. Dafür wurde dort ein sehr kleiner Schreibtisch aufgestellt. Fenster gab es nicht. Im Grunde war es ein Schrank. Aber es war im Vorzimmer der Abteilung für europäische Angelegenheiten im sechsten Stock dieses Gebäudes. Es war ein unglaubliches Privileg, dort anzufangen. Und 30 Jahre später bin ich nun hier, im Grunde eine Etage höher im siebten Stock, wo ich ein paar Fenster habe. Also gar nicht so schlecht.
Lee, ich danke dir, nicht nur für die Einführung, sondern auch für die Führungsverantwortung, die du in einer Abteilung übernimmst, die mir sehr am Herzen liegt. Ich werde darauf noch zurückkommen. Ich bin zutiefst von unserer Aufgabe überzeugt, durch Bildung, Kultur und Sport zwischenmenschliche Verbindungen zu schaffen. Meiner Meinung nach gehört es zum Besten, das wir tun, und wenn es darum geht, was das Geld bewirkt, das wir hineinstecken, ist es wirklich das Beste.
Leider ist Senator Blunt schon gegangen, aber wenn hochrangige Mitglieder des Kongresses unsere internationalen Austauschprogramme so unterstützen, wie er es getan hat, dann hat das eine entscheidende Wirkung. Die Tatsache, dass er, wie der Abteilungsleiter sagte, heute hier war, ist wirklich ein Beweis dafür, und diese Partnerschaft mit dem Kongress ist von enormer Bedeutung.
Aber ich möchte allen, die hier sind und zum Erfolg des diesjährigen Parlamentarischen Patenschafts-Programms beigetragen haben, danken, danken, danken. Unserem Team in der Abteilung für Bildungs- und Kulturangelegenheiten (Bureau of Educational and Cultural Affairs – ECA), unseren Partnerinnen und Partnern bei AFS-USA, ASSE, dem Council on International Educational Exchange, Youth for Understanding, Cultural Vistas, Nacel Open Door – Ihnen allen danke ich dafür, dass Sie zu diesem Erfolg beigetragen haben, und ich danke Ihnen für die entscheidende Arbeit, die Sie leisten. Vielen Dank.
Aber ganz besonders möchte ich den diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gratulieren. Ich weiß, eine ganze Reihe von Ihnen sind erst gestern von ihrem Auslandsjahr zurückgekehrt. Wie war der Flughafen? Ich möchte alles wissen! Ja, ich kann es mir so ungefähr vorstellen. Aber lassen Sie mich zunächst sagen, während Sie noch dabei sind, Ihren Jetlag zu überwinden: Willkommen zurück, willkommen zu Hause. Ich vermute, Ihre Familie und Freunde haben Sie sehr vermisst. Sie können es sicher kaum erwarten, ihnen die Geschichten eines ganzen langen Jahres zu erzählen, und ich vermute, Sie werden auch zu hören bekommen, was im letzten Jahr zu Hause passiert ist.
Ich denke und hoffe, dass dies für die meisten von Ihnen eine unglaubliche Erfahrung war, eine Gelegenheit, ein anderes Land aus nächster Nähe kennenzulernen, nicht nur die Sehenswürdigkeiten zu sehen, die man als Touristin oder Tourist sehen würde, sondern auch etwas über all die kleinen Dinge zu erfahren, die das Leben dort anders machen als hier, und natürlich auch über die vielen Dinge, die sich gleichen.
Ich weiß, dass Sie viele neue Herausforderungen bewältigen mussten: Sie mussten sich an regionale Dialekte gewöhnen, die vielleicht ganz anders klingen als das Hochdeutsch, das einige von Ihnen in der Schule gelernt haben; Sie haben vielleicht versucht, an einem Sonntag Lebensmittel zu kaufen, wenn in Deutschland die Geschäfte geschlossen sind oder Sie mussten erst begreifen, dass im deutschen Notensystem die niedrigste Note aus unerfindlichen Gründen die beste und die höchste Note die schlechteste ist, was mir in meiner eigenen Ausbildung öfter mal sehr geholfen hätte.
Und ich vermute, für fast alle von Ihnen war dies ein Jahr mit einigen unvergesslichen Momenten. Vielleicht haben Sie zum ersten Mal ein Gespräch vollständig auf Deutsch geführt, ein tolles Gefühl, oder sind Verbindungen eingegangen und haben Freundschaften geschlossen, von denen ich wette, dass sie den Rest Ihres Lebens halten werden.
Es gibt einfach keine Erfahrung, die vergleichbar damit ist, in einem anderen Land zu leben.
Wie Lee schon sagte, bin ich mit neun Jahren von New York nach Frankreich gezogen und habe die folgenden zehn Jahre damit verbracht, über den Atlantik hin und her zu fliegen, weil mein Vater in den Vereinigten Staaten war und meine Mutter und ich in Paris bei meinem Stiefvater lebten. Ich ging in Frankreich zur Schule, verbrachte aber die Ferien, wann immer ich konnte, in den Vereinigten Staaten. Eines fiel mir dabei besonders auf, und ich vermute, viele von Ihnen haben diese Erfahrung gemacht: Als Amerikaner an einer französischen Schule erklärte ich meinen Mitschülerinnen und Mitschülern schon früh mein eigenes Land und unsere Kultur, versuchte vielleicht, einige der Stereotype zu korrigieren, die es über Amerikanerinnen und Amerikaner gibt, und aus meiner Sicht als amerikanisches Kind über das Weltgeschehen zu diskutieren. Es war fast so, als wäre ich ein Junior-Diplomat, der sein Land im Ausland vertritt, nur eben in einer Schulmensa und nicht für die US-Botschaft. Aber es war eigentlich genau das Gleiche.
Interessant war, dass ich, als ich in den Ferien wieder zuhause war, in gewisser Weise die gleiche Rolle gegenüber meinen amerikanischen Freundinnen und Freunden einnahm. Ich merkte, dass ich behutsam Vorurteile über Französinnen und Franzosen korrigierte, ich spielte Ihnen meine französische Lieblingsmusik vor und versuchte zu erklären, wie meine Klassenkameradinnen und -kameraden dort die Welt sahen. In gewisser Weise war ich also auch ein Vertreter meiner neuen Heimat geworden.
Ich habe den Eindruck, dass einige von Ihnen wissen, wie das ist, und diese Dynamik werden Sie, wenn Sie wieder zu Hause sind und sich mit Ihren Freundinnen und Freunden und Familien treffen, dort auch erleben.
All diese Jahre später – denn in meinem Fall ist das schon eine Weile her – spüre ich immer noch jeden Tag, wie mir das Leben im Ausland eine Sichtweise vermittelt hat, die mir geblieben ist, die meinen Blick auf die Welt geprägt und mein Leben und meine Arbeit unglaublich bereichert hat. Und aus genau diesem Grund fördert das US-Außenministerium eine unglaublich breite Palette von Austauschprogrammen, die Teilnehmende aus dem Ausland in die Vereinigten Staaten und Amerikanerinnen und Amerikaner in die ganze Welt bringen, genau wie Sie.
Meine Frau, Evan Ryan, hatte in der Regierung Obama die Funktion inne, die jetzt Abteilungsleiter Satterfield hat, die Leitung der Abteilung für Bildungs- und Kulturangelegenheiten. Ich hätte also keine andere Wahl, selbst wenn ich nicht zutiefst davon überzeugt wäre. Aber durch ihre Arbeit konnte ich wirklich jeden Tag, wenn wir zuhause darüber sprachen, wenn wir von der Arbeit zurückkamen, die Kraft der Programme sehen und spüren.
Auf meinen Reisen durch die ganze Welt, während meiner letzten Amtszeit und auch jetzt, bekomme ich Gelegenheit, mit denjenigen zusammenzukommen und zu sprechen, die an diesen Programmen teilnehmen, und ich weiß, was die Programme bewirken, nicht nur in ihrem Leben, sondern in gewissem Sinne auch im Leben von Deutschland und den Vereinigten Staaten, in diesem Fall beiden zusammen.
Wir lernen so andere Ansichten kennen, wir erfahren die Welt mit den Augen von Menschen mit einer anderen Geschichte, Kultur oder Sichtweise, wir begreifen, dass das Weltgeschehen mehr umfasst als nur die Überschriften oder aktuellen Meldungen am unteren Rand des Fernsehbildschirms, dass es um Dinge geht, die echten Menschen, Familien oder Gemeinschaften tatsächlich passieren. So finden wir auch neue Partner, mit denen wir gemeinsame Probleme lösen können und eignen uns eventuell noch ein paar neue Fähigkeiten an, die uns zu Hause auch weiterbringen.
Ich denke auch, dass sich über die Jahre aus diesen freundschaftlichen Verbindungen, diesem zwischenmenschlichen Einvernehmen, tatsächlich ein Vertrauensverhältnis zwischen Ländern entwickeln kann. Und dieses Vertrauen ist heute wichtiger denn je für die Arbeit, die wir weltweit zu leisten versuchen, um Demokratie zu fördern, Frieden zu schaffen und zu wahren, und uns für die Sicherheit unserer eigenen Bevölkerung, ihres Wohlstands und ihrer Chancen sowie den gemeinsamen Fortschritt überall auf der Welt einzusetzen.
Als ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Programms sind Sie jetzt Teil dieser Aufgabe. Sie sind jetzt faktisch Bürgerdiplomatinnen und -diplomaten.
Sollten Sie irgendwann privat oder beruflich auf dieser Erfahrung aufbauen können, umso besser – für Sie und für die Welt.
Ich kann Sie heute also nicht einfach gehen lassen, ohne ein bisschen Werbung für eine diplomatische Laufbahn zu machen. Vielleicht sind ja einige von Ihnen aufgrund dieser Erfahrung auf den Gedanken gekommen, dass das etwas für Sie wäre. Die Arbeit ist faszinierend, wichtig, eine Herausforderung, sehr bereichernd. Mich jedenfalls fesselt sie, seit ich hier in der Abteilung für europäische und kanadische Angelegenheiten angefangen habe. Aber ich möchte Folgendes betonen: Wenn man sich in dieser Abteilung und im US-Außenministerium umschaut, findet man Menschen mit dem unglaublichsten Werdegang. Sie kommen, wie sehr viele, nicht nur aus der Außenpolitik oder dem juristischen Bereich, sie haben Fachwissen in der Medizin, im Ingenieurwesen, in Technologie und Wirtschaft. Es sind einfach so viele verschiedene Lebensläufe, und sie alle dienen jetzt überall auf der Welt ihrem Land, den Vereinigten Staaten. Ich weiß, dass Sie einige von ihnen heute früh getroffen haben. Zu den Dingen, die dieses Ministerium so erfolgreich machen, gehören unsere unglaublich vielfältigen, talentierten Mitarbeitenden mit den unterschiedlichsten Lebensläufen und Erfahrungen. Ihre Vielfalt, Ihre unterschiedlichen Werdegänge und das, was Sie in Ihrer Ausbildung und eventuell ihrer beruflichen Laufbahn vielleicht noch machen werden, könnten Sie auch hierher führen – und ich hoffe, dass es so kommt.
Wenn man sich die Leute ansieht, die vor 30 oder 40 Jahren in den auswärtigen oder den öffentlichen Dienst eingetreten sind, fällt auf, dass die meisten direkt aus dem College oder einer Hochschule kamen. In den letzten 15 bis 20 Jahren kamen wiederum mehr und mehr Menschen, die vorher schon fünf oder zehn Jahre oder sogar länger eine andere berufliche Laufbahn verfolgt hatten. Mit ihren unglaublichen Erfahrungen und ihrem enormen Wissen sind sie eine Bereicherung für das US-Außenministerium. Denjenigen unter Ihnen, die also vielleicht denken, das ist wirklich interessant, aber eigentlich will ich etwas anderes machen, möchte ich sagen: Behalten Sie das einfach im Hinterkopf. Es gibt, zumindest meiner Erfahrung nach, eigentlich nichts Schöneres, als täglich mit der Flagge der Vereinigten Staaten im Rücken zu arbeiten – im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Das hat etwas ganz Besonderes. Ich hoffe, Sie denken darüber nach.
Ich möchte noch ein paar letzte Dinge sagen. Ihr Austauschjahr fiel in eine unglaubliche Zeit. Deutschland ist einer unserer engsten Verbündeten und Partner. In meiner Funktion als US-Außenminister war ich jetzt schon fünfmal in Deutschland. Und in wenigen Tagen werde ich zum sechsten Mal dort sein. Deutschland ist Gastgeber des G7-Gipfels. Wir arbeiten buchstäblich jeden Tag gemeinsam an einigen der größten Herausforderungen, die vor uns liegen und reale Auswirkungen auf das Leben all unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger haben. Dazu gehören die Corona-Pandemie und unsere Bestrebungen, sie zu beenden und uns besser für die nächste Pandemie aufzustellen, die Klimakrise, die überall auf der Welt tief greifende Auswirkungen hat, auch in unserem eigenen Land, und der Versuch, zusammen das Nötige zu tun, um ihr entgegenzuwirken, und gemeinsam gegen die Aggression Russlands vorzugehen, die wir jetzt in der Ukraine erleben.
Ich habe erfahren, dass einige von Ihnen sich dieses Jahr ehrenamtlich für ukrainische Geflüchtete engagiert haben. Danke, danke, danke – dafür, dass Sie für gerade an Bahnhöfen in Deutschland Eingetroffene übersetzt und mit Flüchtlingshilfeorganisationen vor Ort zusammengearbeitet haben. Sie haben wirklich hautnah miterlebt, wie Geschichte geschrieben wurde. Sie haben sogar dazu beigetragen, diese Geschichte zu schreiben, indem Sie Menschen in Not beigestanden haben. Dies und sehr viele andere Dinge, die Sie in Deutschland erlebt haben, all diese Erfahrungen, werden sich auf eine Art und Weise nachhaltig auf ihr Leben auswirken, die Ihnen vielleicht heute noch nicht so ganz bewusst ist oder die Sie sich noch nicht vorstellen können.
Einige von Ihnen wissen vielleicht, dass sich nur ein paar hundert Meter von hier entfernt der Deutsch-Amerikanische Freundschaftsgarten befindet. Er liegt zwischen dem Weißen Haus und dem Washington Monument. Wer noch nicht dort war und Zeit hätte, hinzugehen, sollte ihn sich ansehen. Zu den schönsten Dingen an diesem Garten gehört, besonders jetzt, dass er voller einheimischer Pflanzen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten ist. Er wurde 1988 eingeweiht, wenige Jahre, nachdem das Parlamentarische Patenschafts-Programm ins Leben gerufen wurde. Dieses Jahr haben Sie – jede und jeder Einzelne von Ihnen – eine neue Saat der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern ausgebracht. Wir sehen schon, wie sie gedeiht, und ich denke, dass sie mit der Zeit weiter wachsen und in den kommenden Jahren viel bewirken wird.
Ich heiße Sie alle willkommen zurück in der Heimat und danke Ihnen für Ihre Teilnahme an diesem Programm. Und ganz besonders danke ich Ihnen für das, was Sie in den kommenden Jahren tun werden. Vielen Dank.
Originaltext: Secretary Antony J. Blinken at the Congress-Bundestag Youth Exchange Welcome Home Event – United States Department of State