Eingangserklärung des Präsidenten
US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin in Washington am 15. Juli 2021 in einer gemeinsamen Pressekonferenz zu ihrem Treffen geäußert. Wir haben die Eingangserklärung des Präsidenten übersetzt.
Ich danke Ihnen allen. Bitte nehmen Sie Platz. Ich hatte heute die große Ehre – und das meine ich wirklich so –, eine liebe Freundin wieder im Weißen Haus willkommen heißen zu dürfen.
Zunächst möchte ich Bundeskanzlerin Merkel und allen Deutschen meine aufrichtige Anteilnahme und die Anteilnahme der Amerikanerinnen und Amerikaner angesichts des erschütternden Verlusts an Menschenleben und der verheerenden Zerstörung durch die Überschwemmungen der letzten 24 Stunden in Deutschland und den Nachbarländern aussprechen. Es ist eine Tragödie, und wir sind in Gedanken bei den Familien, die geliebte Menschen verloren haben.
Die Bundeskanzlerin ist in den letzten 16 Jahren des Öfteren hier gewesen. Tatsächlich kennt sie das Oval Office genauso gut wie ich. Aber Spaß beiseite, wenn man die aktuelle Regierung mitrechnet, hat sie hier vier Präsidenten erlebt.
Ich möchte nun kurz auf den historischen Charakter ihrer Kanzlerschaft eingehen. Sie ist die erste Frau im Kanzleramt. Sie ist die erste Kanzlerin aus Ostdeutschland. Und seit Helmut Kohl ist niemand länger im Amt gewesen. Das ist ein beispielhaftes, bahnbrechendes Berufsleben im Dienste Deutschlands und, so möchte ich hinzufügen, auch im Dienste der Welt.
Im Namen der Vereinigten Staaten bedanke ich mich bei Ihnen, Angela, für Ihre prinzipienstarke Führung. Danke, dass Sie für das eintreten, was richtig ist und nie zögern, die Menschenwürde zu verteidigen.
Ich danke Ihnen auch für Ihre anhaltende Unterstützung für das dauerhafte Ziel eines geeinten, freien und friedlichen Europas. Sie sind eine standhafte Verfechterin der transatlantischen Partnerschaft.
Während Ihrer Kanzlerschaft sind die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten immer enger und stärker geworden.
Ich freue mich schon auf unser Dinner heute Abend, wo wir das noch ausgiebiger würdigen werden, aber in erster Linie war dies natürlich ein Arbeitsbesuch. Bundeskanzlerin Merkel und ich haben über ein breites Spektrum von Themen gesprochen, bei denen Deutschland und die Vereinigten Staaten zusammenarbeiten, um gemeinsame Vorhaben voranzubringen. Wir haben darüber gesprochen, dass die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten gemeinsam mit den anderen Demokratien der G7 dafür Verantwortung tragen, mit ihren Werten zu führen, was auch für die anderen Mitglieder der NATO gilt.
Heute haben wir das in unserer neuen Washingtoner Erklärung kodifiziert. Mit diesem Dokument bekräftigen wir unser Bekenntnis zu den demokratischen Grundsätzen, die unseren beiden Nationen am Herzen liegen, und beschreiben, wie wir sie auf die größten Herausforderungen von heute und morgen anwenden werden.
Unsere beiden Nationen wissen, wie wichtig es ist zu beweisen, dass Demokratien den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung im zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts gerecht werden können. Wir stehen für demokratische Prinzipien und universelle Rechte ein, wenn wir sehen, dass China oder ein anderes Land versucht, freie und offene Gesellschaften zu unterminieren.
Wir sind geeint in unserem Engagement dafür, Rückschritte bei der demokratischen Entwicklung ebenso anzusprechen wie Korruption oder geheuchelten Populismus, sei es in der Europäischen Union oder bei den EU-Beitrittskandidaten oder überall dort, wo wir dies auf der Welt vorfinden.
Wir sind uns einig über die weitere Integration der Westbalkanstaaten in die europäischen Institutionen und über unsere fortgesetzte Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine sowie über die Notwendigkeit von Reformen im Rahmen ihrer euroatlantischen Bestrebungen.
Wir stehen weiterhin zusammen, um unsere NATO-Bündnispartner an der Ostflanke gegen russische Angriffe zu verteidigen. Ich habe auch erneut meine Bedenken gegenüber Nord Stream 2 zum Ausdruck gebracht. Die Kanzlerin und ich sind uns vollkommen einig in der Überzeugung, dass man Russland nicht erlauben darf, die Energieversorgung als Waffe einzusetzen, um seine Nachbarn unter Druck zu setzen oder zu bedrohen.
Wir haben heute eine Klima- und Energiepartnerschaft zur Unterstützung der Energiesicherheit und der Entwicklung nachhaltiger Energietechnologien in Schwellenländern in Mitteleuropa und der Ukraine auf den Weg gebracht.
Um unsere Bestrebungen zusammenzuführen, haben wir über unsere Klimaziele gesprochen. Als das Pariser Abkommen geschlossen wurde, dachten wir, wir hätten den Ernst der Lage erkannt, aber seitdem hat sich die Situation weiter verschlimmert. Wir wollen unsere globalen Klimabestrebungen auf den aktuellen Stand und noch weiter und schneller voranbringen.
Ich danke Bundeskanzlerin Merkel auch für den Einsatz der deutschen Soldatinnen und Soldaten und die Opfer, die sie seit fast 20 Jahren an der Seite der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan bringen.
Wir haben unser gemeinsames Engagement bekräftigt, weiterhin dort gegen terroristische Bedrohungen vorzugehen, wo wir sie antreffen, auch in der Sahelzone in Afrika.
Wenn wir über die Zukunft nachdenken, die wir uns für die Welt wünschen, so können wir, glaube ich, mit Gewissheit sagen, dass ein gemeinsames Engagement unserer beiden Länder, der Vereinigten Staaten und Deutschlands, immer besser ist, unabhängig davon, um welches Problem oder Anliegen es geht.
Wir müssen die COVID-19-Pandemie überall bekämpfen und die globale Gesundheitssicherheit für die Zukunft stärken, damit wir auf die nächste Pandemie vorbereitet sind.
Zudem müssen wir gewährleisten, dass die Regeln für die Nutzung neuer Technologien die Freiheit fördern, nicht Autoritarismus und Repression.
Wir müssen eine nachhaltige und integrative wirtschaftliche Erholung fördern, die den Wohlstand und die Chancen aller erhöht.
Und vieles mehr.
Das ist nicht nur Aufgabe von Regierungen, sondern auch der Menschen in unseren Ländern, die Innovationen und Erkenntnisse miteinander teilen und zur Stärkung von Synergien zusammenarbeiten.
Wir bringen also heute ein Zukunftsforum unserer beiden Länder auf den Weg, in dessen Rahmen hochkarätige Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und anderen Bereichen zusammenarbeiten werden, um die Zukunft zu gestalten.
Frau Bundeskanzlerin, ich weiß, dass die Partnerschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten auf der Grundlage, die Sie mit geschaffen haben, auch in Zukunft wachsen und stärker werden wird. Aber persönlich werde ich Sie auf den Gipfeltreffen sehr vermissen. Das werde ich wirklich.
Also noch einmal vielen Dank, Angela, für Ihr Kommen und für unser produktives Treffen heute und auch für Ihre Freundschaft.
Originaltext: Remarks by President Biden and Chancellor Merkel of the Federal Republic of Germany in Press Conference