Pressekonferenz nach US-Russland-Gipfel
Bei einer Pressekonferenz im Hôtel du Parc des Eaux-Vives im schweizerischen Genf informierte US-Präsident Biden die Medien über seine Zusammenkunft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 16. Juni 2021. Wir haben seine Eingangserklärung unwesentlich gekürzt übersetzt.
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Ich komme eben von meinem letzten Termin auf dieser langen Reise, dem US-Russland-Gipfel.
Ich weiß, es gab viel Aufregung um dieses Treffen, aber für mich war es eigentlich ziemlich eindeutig. Erstens, nichts kann ein persönliches Gespräch zwischen zwei Staats- und Regierungsoberhäuptern ersetzen. Das wissen diejenigen unter Ihnen, die schon eine Weile über mich berichten. Nichts. Präsident Putin und ich haben gemeinsam, dass wir eine ganz besondere Verantwortung für die Beziehungen zwischen zwei mächtigen und stolzen Ländern haben – und diese Beziehungen müssen stabil und vorhersehbar sein. Wir sollten außerdem in der Lage sein, dort zusammenzuarbeiten, wo es in unserem beiderseitigen Interesse ist.
Und wo es Meinungsverschiedenheiten gibt, wollte ich, dass Präsident Putin versteht, warum ich sage, was ich sage und warum ich tue, was ich tue, und wie wir auf bestimmte Arten von Maßnahmen reagieren werden, die den Interessen der Vereinigten Staaten schaden.
Ich habe Präsident Putin gesagt, dass meine Agenda nicht gegen Russland oder irgendjemand anderen gerichtet ist; sie dient den Amerikanerinnen und Amerikanern: dem Kampf gegen COVID-19, dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft, der Wiederherstellung unserer Beziehungen zu unseren Bündnispartnern und Freunden auf der ganzen Welt und dem Schutz unserer Bevölkerung. Das ist meine Verantwortung als Präsident.
Ich habe ihm auch gesagt, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner einem Präsidenten der Vereinigten Staaten auf Dauer kein Vertrauen schenken werden, wenn er sich nicht für die Verteidigung ihrer demokratischen Werte einsetzt und für die universellen Rechte und Grundfreiheiten eintritt, die unseres Erachtens alle Männer und Frauen haben. Das ist eine wesentliche Eigenschaft unseres Landes.
Ich habe ihm also gesagt, dass Menschenrechte immer ein Thema sein werden. Es geht nicht nur darum, Russland anzugreifen, wenn dort Menschenrechte verletzt werden, sondern darum, wer wir sind. Wie könnte ich Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein und mich nicht gegen die Verletzung der Menschenrechte aussprechen?
Ich habe ihm gesagt, dass wir im Gegensatz zu anderen Ländern, einschließlich Russland, als einzige aus einem Gedanken heraus entstanden sind. Sie haben mich das schon oft sagen hören, aber ich werde es trotzdem immer wieder sagen. Welcher Gedanke das war? Wir leiten unsere Rechte nicht von der Regierung ab, wir besitzen sie, weil wir geboren wurden. Punkt. Und wir treten sie an den Staat ab.
Und so habe ich ihn im Forum darauf hingewiesen, dass wir deshalb unsere Bedenken in Bezug auf Fälle wie Alexei Nawalny äußern werden. Ich habe Präsident Putin deutlich gemacht, dass wir Fragen der grundlegenden Menschenrechte weiterhin ansprechen werden, denn das macht uns aus, so sind wir. Der Gedanke lautet: „Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: dass alle Männer und Frauen …“ Wir werden dem zwar noch nicht gerecht, aber wir ziehen den Bogen unseres Engagements immer weiter und beziehen immer mehr Menschen ein.
Ich habe auch den Fall von zwei zu Unrecht inhaftierten amerikanischen Staatsbürgern erwähnt: Paul Whelan und Trevor Reed.
Ich habe auch Radio Free Europe und Radio Liberty und die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit angesprochen.
Ich habe deutlich gesagt, dass wir keine Versuche dulden werden, unsere demokratische Souveränität zu verletzen oder unsere demokratischen Wahlen zu stören, und dass wir reagieren werden.
Im Wesentlichen habe ich Präsident Putin gesagt, dass wir einige Grundregeln aufstellen müssen, an die wir uns alle halten können.
Ich habe auch gesagt, dass es Bereiche gibt, in denen ein gemeinsames Interesse für Zusammenarbeit im Sinne der russischen und der amerikanischen Bevölkerung besteht – aber auch zum Wohle der Welt und der Sicherheit auf der Welt. Einer dieser Bereiche ist die strategische Stabilität.
Sie haben mich oft gefragt, was ich mit Putin besprechen werde. Vor meiner Reise habe ich Ihnen gesagt, dass ich nur von Angesicht zu Angesicht verhandle. Jetzt kann ich Ihnen sagen, was ich die ganze Zeit zu tun gedachte, und zwar wollte ich die Frage der strategischen Stabilität ansprechen und erörtern und versuchen, einen Mechanismus zu schaffen, um damit umzugehen.
Wir haben ausführlich über die nächsten Schritte gesprochen, die unsere Länder unternehmen müssen, um das Risiko unbeabsichtigter Konflikte zu verringern.
Und ich freue mich, dass Putin sich heute zu einem bilateralen Dialog über strategische Stabilität bereit erklärt hat. Das ist diplomatischer Jargon dafür, dass sich unsere Militärexperten und unsere Diplomaten zusammensetzen sollen, um an einem Mechanismus zu arbeiten, der die Kontrolle neuer und gefährlicher moderner Waffen ermöglicht, die jetzt zum Einsatz kommen. Sie verkürzen die Reaktionszeiten und vergrößern daher die Gefahr eines unbeabsichtigten Krieges. Welche Waffensysteme das sind, haben wir im Detail besprochen.
Ein weiterer Bereich, über den wir ausführlich gesprochen haben, war Cybersicherheit. Ich habe den Vorschlag erläutert, dass bestimmte kritische Infrastrukturen für Cyber- und andere Angriffe tabu sein sollten. Punkt. Ich habe eine Liste übergeben, wenn ich mich nicht irre waren es 16 — ich habe sie nicht vor mir — 16 bestimmte Bereiche, die im Rahmen der US-Politik als kritische Infrastrukturen definiert sind, vom Energiesektor bis zu unseren Wassersystemen.
Das Prinzip ist das Eine. Es muss sich in der Praxis bewähren. Verantwortungsbewusste Länder müssen Maßnahmen gegen Kriminelle ergreifen, die auf ihrem Staatsgebiet mit Ransomware Schaden verursachen.
Wir haben uns also darauf verständigt, in unseren beiden Ländern Experten zu beauftragen, an konkreten Vereinbarungen darüber zu arbeiten, was tabu ist, und bestimmte Fälle nachzuverfolgen, die ihren Ursprung im jeweils anderen Land haben.
Wir haben auch über viele weitere Themen gesprochen, angefangen bei der dringenden Notwendigkeit, die humanitären Korridore in Syrien zu erhalten und wieder zu öffnen, damit wir den hungernden Menschen Nahrungsmittel – einfach nur Nahrungsmittel und lebenswichtige Güter – bringen können. Wir haben darüber gesprochen, wie wir das erreichen können und dass es im Interesse Russlands und der Vereinigten Staaten ist, dafür zu sorgen, dass Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Wir haben uns geeinigt, diesbezüglich zusammenzuarbeiten, weil es sowohl in Russlands als auch in unserem Interesse ist. Und darüber, wie wir dafür sorgen können, dass die Arktis eine Region der Zusammenarbeit bleibt und nicht zu einer Region der Konflikte wird.
Ich konnte einen Teil der Pressekonferenz von Präsident Putin verfolgen, bei der er über die Notwendigkeit sprach, einen Modus Operandi zu finden, der sicherstellt, dass die Arktis ein freies Gebiet bleibt.
Und darüber, wie wir alle zu den gemeinsamen Bemühungen beitragen können, ein erneutes Aufflammen des Terrorismus in Afghanistan zu verhindern. Es ist für Russland von sehr großem Interesse, dass der Terrorismus in Afghanistan nicht wieder aufflammt.
Es gibt auch Bereiche, die noch schwieriger sind. Ich habe das unumstößliche Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine artikuliert.
Wir waren uns einig, unsere Diplomatie am Abkommen von Minsk auszurichten. Und ich habe unsere Sorgen bezüglich Belarus zum Ausdruck gebracht. Er hat das Geschehene nicht angezweifelt – er hat nur eine andere Sicht darauf, was diesbezüglich zu tun ist.
Ich weiß, dass Sie sehr viele Fragen haben, darum lassen Sie mich abschließen Folgendes sagen: Ein persönliches Treffen war mir wichtig, damit es keine Missverständnisse oder Falschdarstellungen dazu gibt, was ich kommunizieren wollte.
Ich habe getan, wofür ich hergekommen bin: Erstens, um Bereiche praktischer Arbeit auszuloten, die unsere beiden Länder angehen können, um ihre gemeinsamen Interessen voranzubringen und etwas für die ganze Welt zu tun.
Zweitens, um direkt zu kommunizieren, dass die Vereinigten Staaten auf ein Vorgehen, das ihren zentralen Interessen oder denen ihrer Verbündeten schadet, reagieren werden.
Und drittens, um die Prioritäten unseres Landes und unsere Werte deutlich zu machen, damit er das direkt von mir hört.
Und ich kann Ihnen sagen, dass der Umgangston während des gesamten Treffens – beinahe vier Stunden – freundlich und positiv war. Es gab keine lautstarken Auseinandersetzungen. Wo wir uneins waren, ich nicht zugestimmt habe, habe ich das gesagt. Wo er anderer Meinung war, hat er es gesagt. Aber es war nicht aufgebauscht. Das war in letzter Zeit viel zu häufig der Fall.
Im Verlauf der letzten Woche haben die Vereinigten Staaten, glaube ich – hoffe ich –, der Welt gezeigt, dass wir zurück sind und unseren Bündnispartnern zur Seite stehen. Wir haben die Demokratien an unserer Seite dazu mobilisiert, sich in Abstimmung miteinander zu dem zu verpflichten, was nötig ist, um den größten Herausforderungen für unsere Welt entgegenzutreten.
Und jetzt haben wir eine klare Grundlage dafür geschaffen, wie wir mit Russland und den amerikanisch-russischen Beziehungen umzugehen gedenken.
Es liegt noch Arbeit vor uns. Ich sage nicht, dass irgendetwas bereits erledigt ist, aber wir haben auf dieser Reise sehr viel geschafft.
Und bevor ich zu Ihren Fragen komme, möchte ich noch eine letzte Sache sagen: Hier geht es darum, wie wir jetzt weitermachen. Ich habe mir, wie gesagt, einen großen Teil der Pressekonferenz von Präsident Putin angehört, und wie er gesagt hat, geht es hier darum, praktische, schnörkellose sachliche Entscheidungen entweder zu treffen oder nicht.
Wir werden in den nächsten sechs bis zwölf Monaten merken, ob nun tatsächlich ein relevanter strategischer Dialog geführt wird. Wir werden sehen, ob wir uns alle Themen angepackt haben, wie der Freilassung der Menschen in russischen Gefängnissen, oder eben nicht. Wir werden merken, ob unsere Vereinbarung zur Cybersicherheit anfängt, etwas Ordnung zu bringen.
Denn, wissen Sie, die Länder, denen es am ehesten schadet, wenn uns dies nicht gelingt, sind die großen Länder. Als ich beispielsweise über die Pipeline gesprochen habe, die in den Vereinigten Staaten mit einer Ransomware und der Aufforderung, fünf Millionen US-Dollar zu zahlen, angegriffen wurde, habe ich Putin angesehen und gefragt: “Wie würden Sie sich fühlen, wenn die Pipelines auf Ihren Ölfeldern mit Ransomware attackiert würde?“ Er sagte, das wäre von Belang.
Hier geht es nicht nur um unsere Eigeninteressen; es geht um unsere gegenseitigen Eigeninteressen.
Kommen wir zu Ihren Fragen.
Originaltext: Remarks by President Biden in Press Conference