US-Außenminister Antony J. Blinken bei einem Pressetermin mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock
Antony J. Blinken, Treaty Room, Washington, 15. September 2023
US-Außenminister Antony J. Blinken bei einem Pressetermin mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock
Guten Tag allerseits. Ich möchte zunächst betonen, wie sehr ich mich freue, dass meine Freundin und Kollegin Annalena Baerbock hier in Washington ist. Wir haben wie immer sehr, sehr gute Gespräche geführt und uns über ein unglaublich breites Spektrum von Themen beraten. Meines Erachtens ist das ein Beweis dafür, dass die Vereinigten Staaten und Deutschland buchstäblich auf der ganzen Welt Partner sind, und zwar in allen Fragen, die für unsere Bürgerinnen und Bürger in diesem Augenblick, in dieser Zeit wichtig sind. Wir werden aus Zeitgründen wahrscheinlich nicht auf alle Themen eingehen können, die wir besprochen haben, denn Sie wollen bestimmt irgendwann Mittagessen gehen. Aber ich möchte ein paar Dinge ansprechen, und ich bin sicher, dass die Außenministerin das auch möchte.
Natürlich haben wir in unserem Gespräch über die Ukraine und den anhaltenden russischen Angriffskrieg in der Ukraine gesprochen. Da wir beide vor Kurzem aus der Ukraine zurückgekehrt sind, konnten wir uns über unseren jeweiligen Besuch dort austauschen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir beide fest entschlossen sind, die intensive Unterstützung fortzusetzen, die wir und Dutzende anderer Länder auf der ganzen Welt der Ukraine gewähren – militärisch, wirtschaftlich und humanitär. Und diese Unterstützung zeigt sich in allem, was wir derzeit tun, um die Ukraine bei der Fortsetzung der Gegenoffensive zur Rückeroberung weiterer Gebiete zu unterstützen.
Aber wir denken auch an die langfristige Perspektive und daran, wie wichtig es ist, dass wir alle in der Lage sind, die Ukraine in all diesen Bereichen nachhaltig und wirksam zu unterstützen, während sie zukunftsfähige Streitkräfte aufbaut, während sie versucht, eine starke Volkswirtschaft zu entwickeln, und während sie weiterhin mit den humanitären – den furchtbaren humanitären – Folgen des russischen Angriffskriegs zu kämpfen hat.
Letztlich geht es natürlich darum, dass die Ukraine ihre Souveränität und ihre territoriale Integrität wiedererlangt – aber nicht nur, um den russischen Angriffskrieg zu überleben, was sie bisher getan hat und weiter tun wird, sondern auch, um in Zukunft erfolgreich zu sein und auf eigenen Füßen stehen zu können. Und wir haben uns über Anstrengungen ausgetauscht, die wir zusammen mit vielen anderen Ländern unternehmen, um die Ukraine in die Lage zu versetzen, eben dies zu tun.
Ich möchte zudem anmerken, dass wir, wie bereits besprochen, auf wirtschaftlicher Ebene erst gestern eine sehr hoch angesehene Regierungsvertreterin und Kollegin, die ehemalige Wirtschaftsministerin Penny Pritzker, zu unserer Sonderbeauftragten für die wirtschaftliche Erholung der Ukraine ernannt haben. Sie wird in dieser Frage eng mit Deutschland, der Europäischen Union, den G7-Partnern und vielen anderen, die sich hiermit befassen, zusammenarbeiten.
Auch wenn die Regierungen und die internationalen Finanzinstitutionen die Ukraine unterstützen – und das wird auch weiterhin der Fall sein –, besteht der nachhaltigste Weg für den wirtschaftlichen Erfolg der Ukraine in Investitionen des Privatsektors. Aus diesem Grund konzentrieren wir viele unserer Bemühungen auf diese Bereiche. Penny Pritzker verfügt hierfür über eine beachtliche Kompetenz, bemerkenswertes Fachwissen und ein beeindruckendes Netzwerk aus Kontakten auf der ganzen Welt.
Natürlich drängen wir beide weiterhin auf eine Rückkehr zur Schwarzmeer-Getreide-Initiative, die, als sie in Kraft war, den Export von über 30 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine ermöglichte – genug für 18 Milliarden Brote. Natürlich hätte dieses Abkommen gar nicht erst notwendig sein sollen. Es war nur erforderlich, weil Russland die Ukraine daran hinderte, seine Nahrungsmittel zu exportieren. Als das Abkommen in Kraft war, konnten diese Nahrungsmittel jedoch wenigstens ausgeführt werden. Seit Russland das Abkommen aufgekündigt hat, können die Nahrungsmittel nicht mehr außer Landes gebracht werden. Die Menschen in Entwicklungsländern sind dabei die Hauptleidtragenden.
Eine Verschärfung der Nahrungsmittelknappheit, steigende Preise für alle, auch in jenen Ländern, die Nahrungsmittel nicht unmittelbar aus der Ukraine beziehen – und wir wissen natürlich, dass der Großteil des im Rahmen der Schwarzmeer-Getreide-Initiative exportierten Getreides aus der Ukraine an Entwicklungsländer ging. Ich denke also, durch sein Vorgehen hinsichtlich des Abkommens hat Russland die Ablehnung, die es weltweit von Ländern erfährt, nur noch verstärkt. Natürlich arbeiten wir weiterhin an alternativen Routen, um das Getreide aus der Ukraine herauszutransportieren.
Wir haben darüber hinaus auch unser gemeinsames Vorgehen in Bezug auf China erörtert, und wir begrüßen die deutsche China-Strategie ausdrücklich. Sie deckt sich in großen Teilen mit unserer eigenen. Ich denke, sie spiegelt etwas wider, das wir überall auf der Welt beobachten, in Europa, in Asien und auch in den Vereinigten Staaten, nämlich eine zunehmende Annäherung in unserem Vorgehen gegenüber China. Wir wollen unter anderem beide eine Risikominderung, keine Abkoppelung. Dies wurde auch in der, wie ich glaube, sehr überzeugenden Rede von Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Lage der Europäischen Union vor einigen Tagen zum Ausdruck gebracht. Auch in unserer Unterstützung für Frieden und Stabilität und die Aufrechterhaltung des Status quo in Bezug auf Taiwan sind wir uns weitgehend einig.
Abschließend möchte ich hervorheben, dass wir über die regionale Sicherheit in Europa und insbesondere in Bosnien und Herzegowina gesprochen haben. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Deutschland eine Führungsrolle dabei übernimmt, einen Teil der Finanzströme an den serbischen Präsidenten Dodik zu begrenzen und das ALTHEA-Programm der EUFOR wieder zu beteiligen und zu stärken. Wir haben auch darüber gesprochen, wie die Europäische Union den Druck auf die Akteure aufrechterhalten kann, die eine ernste Gefahr für Bosnien und Herzegowina darstellen – insbesondere Milorad Dodik –, indem sie alle erforderlichen Instrumente einsetzt und die Fähigkeiten der Stabilitätsmission ausbaut.
Außerdem möchte ich noch anmerken, dass die Bundesrepublik Deutschland ein sehr wichtiger Partner für die NATO und unser Engagement für Sicherheit und Stabilität im weiteren Sinne ist. Die deutsche Führungsrolle ist von maßgeblicher Bedeutung bei der Umsetzung der in Vilnius eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich der NATO-Fähigkeiten. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Deutschland bei der Unterstützung für die Ukraine unter den Einzelstaaten nach den Vereinigten Staaten der weltweit zweitgrößte Geber ist.
Das ist die Art von Führungsrolle, die Deutschland übernimmt. Das ist die Art von Führungsrolle, für die ich Außenministerin Baerbock so sehr schätze, die in den vergangenen eineinhalb Jahren beim Thema Ukraine und bei so vielen anderen Themen zu meinen engsten Kolleginnen und Kollegen gehörte.
Annalena, damit übergebe ich das Wort an dich. Wir werden ja auch das Vergnügen haben, die Woche gemeinsam in New York bei der UN-Vollversammlung zu verbringen.
Originaltext: Secretary Antony J. Blinken and German Foreign Minister Annalena Baerbock at a Joint Press Availability