Putins Giftanschläge: Anschlag auf Alexei Nawalny im Jahr 2020
Dieser Text erschien am 18. April 2022 im Rahmen einer Artikelserie, in der beschrieben wird, wie die russische Regierung und Wladimir Putin ihre Beteiligung an Chemiewaffenanschlägen auf Zivilisten weltweit verschleiern. Er wurde auf ShareAmerica, einer Website des US-Außenministeriums, veröffentlicht.
Als ein führender politischer Aktivist in Russland es wagte, Präsident Wladimir Putin herauszufordern, wurde er mit Nowitschok vergiftet, einem militärischen Nervenkampfstoff, der in der ehemaligen Sowjetunion entwickelt wurde.

Während eines Flugs von Tomsk nach Moskau im August 2020 erkrankte Alexei Nawalny schwer. Nach einer Notlandung wurde er in ein Krankenhaus in Omsk gebracht. Zwei Tage später wurde Nawalny nach Berlin ausgeflogen und dort in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er sich erholte.
Im September 2020 kamen deutsche Labortechniker zu dem Schluss, dass Nawalny mit einem Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden war. Das Gift ähnelte dem, das der russische Militärgeheimdienst (GRU) 2018 bei einem Attentat auf Sergej Skripal in Großbritannien eingesetzt hatte, wo dieser als britischer Staatsbürger lebte. Aufgrund dieses Angriffs mussten Skripal, seine Tochter Julia und ein britischer Polizist ins Krankenhaus eingeliefert werden, und Monate später starb eine britische Staatsangehörige.
Unabhängige Labore in Schweden und Finnland sowie die Organisation für das Verbot chemischer Waffen bestätigten die Ergebnisse des deutschen Labors im Fall Nawalny. (Warum Nervengifte so tödlich sind.)

Im Dezember 2020 fand ein Team unabhängiger investigativer Journalistinnen und Journalisten belastende Beweise für die Beteiligung des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes an dem Giftanschlag. Die Journalistinnen und Journalisten gehörten Bellingcat, einer in den Niederlanden ansässigen Gruppe für investigativen Journalismus, The Insider, dem Spiegel (Deutschland) und CNN an. Dieses Ergebnis wurde später von den Vereinigten Staaten und anderen Ländern bestätigt.

Nach Bekanntwerden des Giftanschlags startete der Kreml eine aggressive Desinformationskampagne; er dementierte die Beteiligung der russischen Regierung an dem Anschlag und leugnete, Zugang zu Nowitschok oder ein Motiv für die Vergiftung von Nawalny gehabt zu haben.
Mit Unwahrheiten ablenken
Mitarbeitende des Krankenhauses in Omsk erklärten wahrscheinlich unter dem Druck der russischen Sicherheitsdienste, Nawalny könnte aufgrund von Alkoholkonsum, Müdigkeit oder schlechter Ernährung erkrankt sein. Putin-Loyalisten und staatlich kontrollierte Medien verbreiteten diese falsche Theorie weiter.
Nach dem Vorfall verbreiteten Vertreterinnen und Vertreter der russischen Regierung sowie die staatlich gelenkten Medien mehrere Falschmeldungen, unter anderem:
- Nawalny habe vor seinem Flug „schwarz gebrannten Dorfschnaps“ getrunken.
- Er sei in Deutschland und nicht in Russland vergiftet worden.
- Westliche Regierungen, darunter die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten, versuchten, Russland durch die erfundene Darstellung der Ereignisse zu verleumden.
Laut EUvsDisinfo, einem EU-Projekt zur Überwachung und Reaktion auf russische Desinformationskampagnen, veröffentlichten kremlfreundliche Medien zwischen August 2020 und Januar 2021 mehr als 200 falsche Beiträge über die Vergiftung.
Dass Nawalny die Erlaubnis erhalten habe, nach Deutschland zu reisen, wurde als Beweis dafür angeführt, dass die russische Regierung nichts mit der Vergiftung zu tun gehabt habe.
„Hätten [die Sicherheitsdienste] ihn wirklich vergiften wollen, dann hätten sie es höchstwahrscheinlich auch durchgezogen“, so Putin im Dezember 2020.
Nawalny verhaftet
Bei seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Januar 2021 wurde Nawalny verhaftet und später wegen Verstößen gegen die Bewährungsauflagen zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im März 2022 wurde er wegen Betrugs und Beleidigung zu neun Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Die Anklagepunkte und Urteile gelten als politisch motiviert.
Nawalny prangerte aus dem Gefängnis heraus den Krieg Russlands gegen die Ukraine in den sozialen Medien an.
Die Desinformationskampagne des Kreml zum Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine geht weiter, wobei versucht wird, anderen die Schuld zuzuschieben und das eigene Vorgehen zu verschleiern.
Originaltext: Putin’s poisons: 2020 attack on Aleksey Navalny | ShareAmerica