Rede von US-Präsident Biden vor der 76. Vollversammlung der Vereinten Nationen
Am 21. September 2021 hielt US-Präsident Joseph R. Biden anlässlich der 76. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York eine Rede, in der er Herausforderungen wie die Pandemie, die Verschiebung globaler Machtverhältnisse, weltweite Regeln für den Handel und neue Technologien, die Bedrohung durch den Terrorismus sowie die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen Nationen hervorhob.
Herr Präsident, Herr Generalsekretär, liebe Delegierte und all jene, die sich der edlen Mission dieser Institution verschrieben haben: Es ist mir eine Ehre, heute zum ersten Mal als Präsident der Vereinigten Staaten zu Ihnen zu sprechen.
Wir kommen in diesem Jahr zu einem Zeitpunkt zusammen, der gleichzeitig großen Schmerz und außergewöhnliche Möglichkeiten birgt. Diese verheerende Pandemie hat uns so viel genommen, sie fordert auch weiterhin Menschenleben auf der ganzen Welt und wirkt sich stark auf unser Leben aus.
Wir trauern um über 4,5 Millionen Menschen – Menschen aus allen Ländern und jeder Herkunft. Jeder Tod ist ein persönlicher Schicksalsschlag. Aber unsere gemeinsame Trauer führt uns auch eindrücklich vor Augen, dass unser aller Zukunft von unserer Fähigkeit abhängen wird, unsere gemeinsame Menschlichkeit zu erkennen und gemeinsam zu handeln.
Meine Damen und Herren, dies ist die klare und dringliche Entscheidung, vor der wir hier zu Beginn eines für unsere Welt entscheidenden Jahrzehnts stehen, ein Jahrzehnt, das buchstäblich über unsere Zukunft entscheiden wird.
Als globale Gemeinschaft stehen wir vor drängenden und drohenden Krisen, worin enorme Chancen liegen, wenn – falls – wir den Willen und die Entschlossenheit aufbringen können, diese Chancen zu nutzen.
Werden wir zusammenarbeiten, um Leben zu retten, COVID-19 überall zu besiegen und die notwendigen Schritte unternehmen, um uns für die nächste Pandemie zu wappnen? Denn es wird weitere Pandemien geben. Oder wird es uns nicht gelingen, die uns zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, wenn sich die virulenteren und gefährlicheren Varianten durchsetzen?
Werden wir der Bedrohung durch den Klimawandel begegnen, den wir alle spüren und der bereits jetzt jeden Teil unserer Welt mit extremen Wetterbedingungen heimsucht? Oder werden wir das Leid erfahren, das immer unbarmherzigere Dürren und Überschwemmungen, stärkere Brände und Wirbelstürme, längere Hitzewellen und steigende Meeresspiegel mit sich bringen?
Werden wir die Menschenwürde und die Menschenrechte, auf deren Grundlage die Nationen in gemeinsamer Sache vor mehr als sieben Jahrzehnten diese Institution gegründet haben, achten und bewahren?
Werden wir die Grundprinzipien des internationalen Systems, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, anwenden und stärken, wenn wir versuchen, die Entwicklung neuer Technologien zu gestalten und neue Bedrohungen abzuwenden? Oder werden wir zulassen, dass diese universellen Grundsätze durch das Streben nach blanker politischer Macht mit Füßen getreten und gebeugt werden?
Meiner Ansicht nach wird die Art und Weise, wie wir diese Fragen heute beantworten, ob wir uns entscheiden, für unsere gemeinsame Zukunft zu kämpfen oder nicht, Folgen für viele kommende Generationen haben.
Einfach ausgedrückt: Wir befinden uns meines Erachtens an einem Wendepunkt der Geschichte. Und ich bin heute hier, um Ihnen mitzuteilen, wie die Vereinigten Staaten beabsichtigen, mit Partnern und Verbündeten zusammenzuarbeiten, um diese Fragen zu beantworten und der Verpflichtung meiner neuen Regierung nachzukommen, die Welt in eine friedlichere, wohlhabendere Zukunft für alle Menschen zu führen.
Anstatt weiter die Kriege der Vergangenheit auszutragen, richten wir unseren Blick darauf, unsere Ressourcen für die Herausforderungen einzusetzen, die die Schlüssel zu unserer gemeinsamen Zukunft bergen: die Beendigung dieser Pandemie, die Bewältigung der Klimakrise, den Umgang mit der Verschiebung globaler Machtverhältnisse, die Gestaltung der weltweiten Regeln in wichtigen Fragen wie Handel, Cyberspace und neue Technologien und die Bewältigung der gegenwärtigen Bedrohung durch den Terrorismus.
Wir haben einen zwanzigjährigen Konflikt in Afghanistan beendet. Und mit der Beendigung dieses unerbittlichen Krieges beginnen wir eine neue Ära der unerbittlichen Diplomatie, wir nutzen die Kraft unserer Entwicklungshilfe, um in neue Wege zu investieren, Menschen auf der ganzen Welt zu unterstützen, wir erneuern und verteidigen die Demokratie, wir beweisen, dass, unabhängig davon, wie schwierig oder komplex die zu bewältigenden Probleme sind, eine Regierung von und für die Menschen immer noch der beste Weg ist, um für unsere gesamte Bevölkerung etwas zu erreichen.
Und wenn sich die Vereinigten Staaten auf die Prioritäten und die Regionen der Welt konzentrieren, die heute und morgen die größte Tragweite haben werden, tun wir dies mit unseren Verbündeten und Partnern, durch die Zusammenarbeit in multilateralen Institutionen wie den Vereinten Nationen, um gemeinsam stärker zu werden und schneller Fortschritte bei der Bewältigung dieser globalen Herausforderungen zu machen.
Es herrscht im 21. Jahrhundert in jedem unserer Länder und der globalen Gemeinschaft die grundlegende Erkenntnis, dass unser eigener Erfolg mit dem Erfolg anderer verbunden ist.
Wenn wir etwas für unsere eigene Bevölkerung erreichen wollen, müssen wir uns auch intensiv mit dem Rest der Welt austauschen.
Um unsere eigene Zukunft zu sichern, müssen wir mit anderen Partnern, unseren Partnern, auf eine gemeinsame Zukunft hinarbeiten.
Unsere Sicherheit, unser Wohlstand und sogar unsere Freiheiten sind meines Erachtens so stark miteinander verwoben wie nie zuvor. Deshalb müssen wir meiner Ansicht nach auch zusammenarbeiten wie nie zuvor.
In den vergangenen acht Monaten habe ich den Schwerpunkt auf den Wiederaufbau unserer Bündnisse gelegt, auf die Wiederbelebung unserer Partnerschaften und die Anerkennung der Tatsache, dass sie für die langfristige Sicherheit und den Wohlstand der Vereinigten Staaten unverzichtbar sind.
Wir haben unsere heilige Verpflichtung zu Artikel 5 des Nordatlantikpakts erneut bekräftigt. Wir arbeiten mit unseren Bündnispartnern an einem neuen strategischen Konzept, das der NATO helfen wird, die sich entwickelnden Bedrohungen von heute und morgen besser zu bewältigen.
Wir haben unsere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union erneuert, die ein bedeutender Partner bei der Bewältigung aller bedeutenden Fragen ist, mit denen unsere Welt sich heute konfrontiert sieht.
Wir haben im Rahmen der Quad-Gruppe die Partnerschaft zwischen Australien, Indien, Japan und den Vereinigten Staaten gestärkt, um Herausforderungen zu begegnen, die von der Gesundheitssicherheit über das Klima bis hin zu neuen Technologien reichen.
Wir arbeiten mit regionalen Institutionen zusammen, von den ASEAN-Staaten über die Afrikanische Union bis zur Organisation Amerikanischer Staaten, um dem dringenden Bedürfnis der Menschen nach besserer Gesundheitsversorgung und besserer wirtschaftlicher Entwicklung gerecht zu werden.
In internationalen Foren, insbesondere bei den Vereinten Nationen, sitzen wir wieder mit am Tisch, um die Aufmerksamkeit auf gemeinsame Herausforderungen zu lenken und globale Maßnahmen anzustoßen.
Wir engagieren uns wieder in der Weltgesundheitsorganisation und arbeiten in enger Partnerschaft mit COVAX, um weltweit lebensrettende Impfstoffe zu liefern.
Wir sind dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten, und wir werden im nächsten Jahr wieder einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen einnehmen.
Und wenn die Vereinigten Staaten versuchen, die Welt zum Handeln zu bewegen, werden wir nicht nur durch Zurschaustellung unserer Macht führen, sondern, so Gott will, auch Kraft unseres Vorbilds.
Aber täuschen Sie sich nicht. Die Vereinigten Staaten werden sich selbst, ihre Bündnispartner und ihre Interessen weiter gegen Angriffe, terroristische Bedrohungen eingeschlossen, verteidigen, wir werden darauf vorbereitet sein, gegebenenfalls Gewalt anzuwenden, um unsere grundlegenden nationalen Interessen gegen bestehende ebenso wie bevorstehende Bedrohungen zu verteidigen.
Aber die Zielsetzung muss klar und erreichbar sein und mit der mündigen Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung und, wann immer möglich, in Partnerschaft mit unseren Verbündeten realisiert werden.
Die militärische Macht der Vereinigten Staaten muss unser letztes Mittel sein, nicht unser erstes, und sie sollte nicht als Antwort auf jedes Problem eingesetzt werden, das wir auf der Welt erkennen.
In der Tat lassen sich viele unserer größten Sorgen heute nicht mit Waffengewalt aus der Welt schaffen oder auch nur angehen. Wir können uns nicht mit Bomben oder Kugeln gegen COVID-19 und seine zukünftigen Varianten wehren.
Um diese Pandemie zu bekämpfen, müssen Wissenschaft und Politik gemeinsam handeln. Wir müssen jetzt handeln, um die Menschen so schnell wie möglich zu impfen, mehr Sauerstoff und Tests zur Verfügung zu stellen und auf der ganzen Welt Leben zu retten.
Und für die Zukunft müssen wir einen neuen Mechanismus zur Finanzierung der globalen Gesundheitssicherheit schaffen, der auf unserer bestehenden Entwicklungshilfe aufbaut, und wir brauchen einen globalen Gesundheitsrat, der mit den Instrumenten ausgestattet ist, die wir zur Überwachung und Identifizierung aufkommender Pandemien benötigen, damit wir sofort handeln können.
Die Vereinigten Staaten haben bereits mehr als 15 Milliarden US-Dollar für die globale Reaktion auf COVID bereitgestellt. Wir haben mehr als 160 Millionen Dosen COVID-19-Impfstoff in andere Länder geliefert. Darunter sind 130 Millionen Dosen aus unseren eigenen Beständen und die ersten Tranchen der 500 Millionen Dosen Impfstoff von Pfizer, die wir gekauft haben, um sie über COVAX zu spenden.
In 100 Ländern sind bereits Flugzeuge mit Impfstoffen aus den Vereinigten Staaten gelandet und haben den Menschen in aller Welt eine kleine „Dosis Hoffnung“ gebracht, wie eine amerikanische Krankenschwester es mir gegenüber ausdrückte. Eine „Dosis Hoffnung“, unmittelbar von den Amerikanerinnen und Amerikanern, und zwar – das ist wichtig – ohne weitere Bedingungen.
Morgen werde ich auf dem von den Vereinigten Staaten ausgerichteten globalen COVID-19-Gipfel weitere Zusagen ankündigen, um den Kampf gegen COVID-19 voranzutreiben und Verantwortung für konkrete Ziele im Hinblick auf drei zentrale Herausforderungen zu übernehmen: Leben retten, die Welt impfen und den Wiederaufbau fördern.
Auch die Klimakrise, die keine Grenzen kennt, hat in diesem Jahr Tod und Zerstörung gebracht. Die extremen Wetterereignisse in allen Regionen der Welt, Sie wissen und spüren das alle, bedeuten, wie der Generalsekretär zu Recht sagte, „Alarmstufe Rot für die Menschheit“. Wissenschaftler und Experten sagen uns, dass wir uns zügig einem Punkt nähern, ab dem es im wahrsten Sinne des Wortes kein Zurück mehr gibt.
Damit das wichtige Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in Reichweite bleibt, muss jedes Land bei der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow seine ehrgeizigsten Ziele einbringen, und dann müssen wir unsere kollektiven Zielsetzungen mit der Zeit immer weiter steigern.
Im April habe ich das ehrgeizige neue Ziel der Vereinigten Staaten im Rahmen des Pariser Abkommens angekündigt, die Treibhausgasemissionen der USA bis 2030 um 50 bis 52 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken, während wir darauf hinarbeiten, bis 2050 eine saubere Energiewirtschaft mit Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Meine Regierung arbeitet dabei eng mit dem Kongress zusammen, um die entscheidenden Investitionen in eine umweltfreundliche Infrastruktur und in Elektrofahrzeuge zu tätigen, die uns helfen werden, im Hinblick auf unsere Klimaziele im Inland Fortschritte zu erzielen.
Und das Beste ist: Diese ehrgeizigen Investitionen sind nicht nur gute Klimapolitik, sondern auch eine Chance für jedes unserer Länder, in sich selbst und in die eigene Zukunft zu investieren. Es ist eine enorme Chance, gut bezahlte Arbeitsplätze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in allen unseren Ländern zu schaffen und ein langfristiges Wirtschaftswachstum anzukurbeln, das zu einer höheren Lebensqualität für alle Menschen in unseren Ländern führen wird.
Wir müssen auch die Länder und Menschen unterstützen, die am stärksten betroffen sein werden und über die geringsten Anpassungsressourcen verfügen.
Ich habe im April angekündigt, dass die Vereinigten Staaten ihre öffentliche, internationale Finanzierung verdoppeln werden, um den Entwicklungsländern bei der Bewältigung der Klimakrise zu helfen. Heute kann ich stolz ankündigen, dass wir mit dem Kongress zusammenarbeiten werden, um diese Zahl noch einmal zu verdoppeln, auch für Anpassungsbestrebungen.
Damit werden die Vereinigten Staaten zu einem Vorreiter in der öffentlichen Klimafinanzierung. Mit unserer zusätzlichen Unterstützung, zusammen mit mehr privatem Kapital von anderen Gebern, werden wir in der Lage sein, das Ziel der Mobilisierung von 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zu erreichen.
Bei der Bewältigung dieser Krisen stehen wir auch vor einer neuen Ära, einem Zeitalter der neuen Technologien und Möglichkeiten, die das Potenzial haben, jeden Aspekt der menschlichen Existenz zu entfesseln und neu zu gestalten. Und wir alle bestimmen mit, ob diese Technologien die Menschen stärker befähigen oder stärker unterdrücken werden.
Bei der Weiterentwicklung neuer Technologien werden wir mit unseren demokratischen Partnern zusammenarbeiten um sicherzustellen, dass Fortschritte in Bereichen wie Biotechnologie, Quantencomputing, 5G, künstliche Intelligenz und vielem mehr genutzt werden, um die Menschen zu unterstützen, um Probleme zu lösen und die Freiheit der Menschen zu fördern und nicht, um abweichende Meinungen zu unterdrücken oder gegen Minderheiten vorzugehen.
Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, umfassend in Forschung und Innovation zu investieren und mit Ländern auf allen Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung zusammenzuarbeiten, um neue Instrumente und Technologien zu entwickeln, die uns bei der Bewältigung der Herausforderungen in diesem zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus helfen.
Wir schützen unsere kritische Infrastruktur vor Cyberangriffen, zerschlagen Ransomware-Netzwerke und arbeiten daran, für alle Länder klare Regeln für den Cyberraum aufzustellen.
Wir behalten uns das Recht vor, entschlossen auf Cyberangriffe zu reagieren, die unsere Bevölkerung, unsere Bündnispartner oder unsere Interessen bedrohen.
Wir werden uns für neue Regeln für den Welthandel und das Wirtschaftswachstum einsetzen, die darauf abzielen, die Wettbewerbsbedingungen so zu gestalten, dass sie nicht künstlich zugunsten eines Landes und auf Kosten anderer Länder wirken und jede Nation das Recht und die Möglichkeit hat, in einem fairen Wettbewerb zu konkurrieren.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass die grundlegenden Arbeitnehmerrechte, die Umwelt und das geistige Eigentum geschützt werden und dass die Vorteile der Globalisierung in allen unseren Gesellschaften einer breiten Schicht der Bevölkerung zugutekommen.
Wir werden auch weiterhin altbewährte Regeln und Normen aufrechterhalten, die seit Jahrzehnten die Leitlinien der internationalen Zusammenarbeit bilden und für die Entwicklung von Nationen auf der ganzen Welt von grundlegender Bedeutung sind – grundlegende Verpflichtungen wie die Freiheit der Schifffahrt, die Einhaltung des Völkerrechts und internationaler Verträge, die Unterstützung von Rüstungskontrollmaßnahmen, die Gefahren mindern und für mehr Transparenz sorgen.
Unsere Vorgehensweise ist fest verankert in und steht in vollem Einklang mit dem Auftrag der Vereinten Nationen und den Werten, auf die wir uns bei der Ausarbeitung dieser Charta geeinigt haben. Wir alle sind diese Verpflichtungen eingegangen und sind an ihre Einhaltung gebunden.
Und während wir uns bemühen, diese drängenden Herausforderungen zu bewältigen, ob sie nun schon lange bestehen oder sich gerade erst abzeichnen, müssen wir uns auch miteinander auseinandersetzen.
Alle großen Mächte der Welt haben meiner Meinung nach die Pflicht, ihre Beziehungen besonnen zu pflegen, damit sie sich nicht
von einem verantwortungsvollen Wettbewerb zu einem Konflikt entwickeln.
Die Vereinigten Staaten werden in den Wettbewerb treten, und zwar mit Nachdruck, und wir werden mit unseren Werten und unserer Stärke führen.
Wir werden für unsere Bündnispartner und unsere Freunde eintreten und uns den Versuchen stärkerer Länder widersetzen, schwächere Länder zu dominieren, sei es durch gewaltsame territoriale Veränderungen, wirtschaftliche Nötigung, technologische Ausbeutung oder Desinformation.
Aber, und ich wiederhole das noch einmal, wir streben keinen neuen Kalten Krieg oder eine in starre Blöcke unterteilte Welt an.
Die Vereinigten Staaten sind bereit, mit jedem Land zusammenzuarbeiten, das sich für eine friedliche Lösung der gemeinsamen Herausforderungen einsetzt,
auch wenn wir in anderen Bereichen heftige Auseinandersetzungen haben, denn wir alle werden die Folgen unseres Versagens zu spüren bekommen, wenn wir uns nicht zusammentun, um akute Bedrohungen wie COVID-19 und den Klimawandel oder dauerhafte Bedrohungen wie die Verbreitung von Kernwaffen anzugehen.
Die Vereinigten Staaten sind weiterhin entschlossen zu verhindern, dass Iran in den Besitz von Kernwaffen gelangt. Wir arbeiten mit den E3+3 zusammen, um Iran diplomatisch einzubinden, und streben die Rückkehr zum Atomabkommen (JCPOA) an. Wir sind bereit, das Atomabkommen wieder vollständig einzuhalten, wenn Iran dies ebenso tut.
Ebenso betreiben wir ernsthafte und nachhaltige Diplomatie, um die vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu erreichen.
Wir streben nach konkreten Fortschritten in Richtung eines realisierbaren Plans mit handfesten Verpflichtungen, die die Stabilität auf der Halbinsel und in der Region erhöhen und das Leben der Menschen in der Demokratischen Volksrepublik Korea verbessern würden.
Zudem müssen wir auch gegenüber der Gefahr wachsam bleiben, die der Terrorismus für alle unsere Nationen darstellt, ob er nun aus entfernten Regionen der Welt kommt oder in unseren eigenen Ländern entsteht.
Wir wissen, dass der bittere Stachel des Terrorismus real ist, und wir haben ihn fast alle schon gespürt.
Im vergangenen Monat haben wir 13 amerikanische Helden und fast 200 unschuldige afghanische Zivilisten bei dem abscheulichen Terroranschlag am Flughafen von Kabul verloren.
Wer Terroranschläge gegen uns begeht, wird in den Vereinigten Staaten weiterhin einen entschlossenen Gegner finden.
Die Welt von heute ist jedoch nicht die gleiche wie 2001, und die Vereinigten Staaten sind nicht dasselbe Land, das wir waren, als wir am 11. September, vor 20 Jahren, angegriffen wurden.
Heute sind wir besser gerüstet, terroristische Bedrohungen zu erkennen und zu verhindern, und wir sind widerstandsfähiger bei der Reaktion auf Bedrohungen und deren Abwehr.
Wir wissen, wie man wirksame Partnerschaften aufbaut, um Terrornetzwerke zu zerschlagen, indem man ihre Finanzierungs- und Unterstützungssysteme ins Visier nimmt, ihrer Propaganda etwas entgegensetzt, Reisen ihrer Anhänger verhindert und drohende Anschläge vereitelt.
Wir werden terroristischen Bedrohungen, die heute und in Zukunft aufkommen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln begegnen, einschließlich der Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort, um weniger auf groß angelegte Militäreinsätze angewiesen zu sein.
Eine der wichtigsten Methoden zur wirksamen Verbesserung der Sicherheit und Eindämmung von Gewalt besteht darin zu versuchen, Menschen auf der ganzen Welt, die feststellen, dass ihre Regierungen ihren Bedürfnissen nicht gerecht werden, ein besseres Leben zu ermöglichen.
Korruption fördert Ungleichheit, schöpft die Ressourcen eines Landes ab, breitet sich über Grenzen hinweg aus und verursacht menschliches Leid. Im 21. Jahrhundert ist sie nichts weniger als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.
Überall auf der Welt erleben wir zunehmend, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck bringen, dass die Reichen und gut Vernetzten immer reicher werden, Schmiergelder und Bestechungsgelder annehmen und sich über das Gesetz hinwegsetzen, während die große Mehrheit der Menschen sich damit abmüht, einen Arbeitsplatz zu finden, etwas zu essen auf den Tisch zu bringen, die eigene Firma zum Laufen zu bringen oder einfach nur die eigenen Kinder zur Schule schicken zu können.
In allen Regionen sind die Menschen auf die Straße gegangen, um von ihren Regierungen zu fordern, dass sie sich um die Grundbedürfnisse der Menschen kümmern, allen eine faire Chance auf Erfolg geben und ihre gottgegebenen Rechte schützen.
Und in diesem Chor der Stimmen über Sprachen und Kontinente hinweg hören wir die gemeinsame Forderung nach Würde, schlicht und einfach Würde. Als Staats- und Regierungschefs ist es unsere Pflicht, auf diese Forderung einzugehen und nicht, die Menschen zum Schweigen zu bringen.
Die Vereinigten Staaten verpflichten sich, ihre Ressourcen und ihre internationale Plattform zu nutzen, um diese Stimmen zu unterstützen, den Menschen zuzuhören und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um Wege zu finden, die Achtung der Menschenwürde überall auf der Welt zu fördern.
So besteht beispielsweise in den Entwicklungsländern ein enormer Bedarf an Infrastruktur, doch eine minderwertige Infrastruktur, die der Korruption Vorschub leistet oder die Umweltzerstörung verschlimmert, kann im Laufe der Zeit nur zu noch größeren Herausforderungen für diese Länder führen.
Wenn es richtig gemacht wird, mit transparenten, nachhaltigen Investitionen in Projekte, die den Bedürfnissen des Landes entsprechen und zur Einhaltung hoher Arbeits- und Umweltstandards lokale Arbeitskräfte einbeziehen, kann die Infrastruktur jedoch ein starkes Fundament sein, das es den Gesellschaften in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ermöglicht, zu wachsen und zu gedeihen.
Das ist die Idee, die hinter der Partnerschaft Build Back Better World steht.
Gemeinsam mit dem Privatsektor und unseren G7-Partnern wollen wir Hunderte Milliarden Dollar an Infrastrukturinvestitionen aufbringen.
Wir werden auch weiterhin den weltweit größten Beitrag zu humanitärer Hilfe leisten und Millionen von Menschen in Not mit Nahrungsmitteln, Wasser, Obdach, medizinischer Notversorgung und anderer lebenswichtiger Hilfe versorgen.
Wenn es irgendwo auf der Welt ein Erdbeben, einen Taifun oder eine Katastrophe gibt, sind die Vereinigten Staaten zur Stelle. Wir werden bereit sein zu helfen.
Und in einer Zeit, in der fast jeder dritte Mensch weltweit keinen Zugang zu ausreichend Nahrung hat […], verpflichten sich die Vereinigten Staaten, ihre Partner zu mobilisieren, um die unmittelbare Mangelernährung zu bekämpfen und sicherzustellen, dass wir die Welt in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig ernähren können.
Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vereinigten Staaten, für die Bekämpfung von Hunger und für Investitionen in Ernährungssysteme im In- und Ausland zehn Milliarden US-Dollar bereitzustellen.
Seit dem Jahr 2000 hat die Regierung der Vereinigten Staaten mehr als 140 Milliarden US-Dollar für die Förderung des Gesundheitswesens und die Stärkung der Gesundheitssysteme bereitgestellt, und wir werden unsere Führungsrolle weiter ausfüllen, damit diese lebenswichtigen Investitionen getätigt werden, um das Leben der Menschen jeden Tag zu verbessern. Einfach, um ihnen ein wenig mehr Luft zum Atmen zu geben.
Und während wir uns bemühen, ihr Leben besser zu machen, müssen wir mit neuer Entschlossenheit daran arbeiten, die Konflikte zu beenden, die auf der Welt so viel Schmerz und Leid verursachen.
Wir müssen unser diplomatisches Vorgehen intensivieren und uns dazu verpflichten, nicht Gewalt, sondern politische Verhandlungen als erstes Mittel zur Bewältigung von Spannungen auf der Welt einzusetzen.
Wir müssen eine Zukunft mit mehr Frieden und Sicherheit für alle Menschen im Nahen Osten anstreben.
Das Engagement der Vereinigten Staaten für die Sicherheit Israels steht außer Frage. Und unsere Unterstützung für einen unabhängigen jüdischen Staat ist unumstößlich.
Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine Zweistaatenlösung der beste Weg ist, um Israels Zukunft zu sichern – Israels Zukunft als jüdischer, demokratischer Staat, der in friedlicher Koexistenz mit einem überlebensfähigen, souveränen und demokratischen palästinensischen Staat lebt.
Zurzeit sind wir von diesem Ziel weit entfernt, aber wir dürfen die Hoffnung auf Fortschritte niemals aufgeben.
Wir dürfen nicht aufgeben, wenn es darum geht, verheerende Bürgerkriege zu schlichten, auch nicht in Äthiopien und im Jemen, wo die Kämpfe zwischen den Kriegsparteien zu Hungersnöten, entsetzlicher Gewalt und Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung führen, einschließlich des skrupellosen Einsatzes von Vergewaltigung als Kriegswaffe.
Gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft werden wir auf Frieden und ein Ende des Leidens drängen.
Mit der Fortsetzung ihres breit gefächerten diplomatischen Engagements werden sich die Vereinigten Staaten für die demokratischen Werte einsetzen, die sie als Nation und Volk ausmachen: Freiheit, Gleichheit, Chancengleichheit und den Glauben an die universellen Rechte aller Menschen.
Das ist in unserer nationalen DNA verankert. Und was besonders wichtig ist: Es ist in der DNA dieser Institution, der Vereinten Nationen, verankert. Das wird manchmal vergessen.
Ich zitiere die einleitenden Worte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Die gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen bilden die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.“
Das Gründungsethos der Vereinten Nationen stellt die Rechte des Einzelnen in den Mittelpunkt unseres Systems, und diese Klarheit und Weitsicht darf nicht ignoriert oder falsch gedeutet werden.
Die Vereinigten Staaten werden ihren Teil dazu beitragen, aber erfolgreicher und effektiver sind wir, wenn alle unsere Länder sich für die gesamte Aufgabe einsetzen, zu der wir aufgerufen sind.
Deshalb haben sich mehr als 100 Länder auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt, und der Sicherheitsrat hat eine Resolution verabschiedet, in der dargelegt wird, wie wir die afghanische Bevölkerung in Zukunft unterstützen werden und welche Erwartungen wir bezüglich der Achtung der allgemeinen Menschenrechte an die Taliban haben.
Wir alle müssen uns für Frauen einsetzen, für das Recht von Frauen und Mädchen, ihre Begabungen voll auszuschöpfen, um einen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Beitrag zu leisten und ihre Träume frei von Gewalt und Einschüchterung zu verfolgen, von Mittelamerika über den Nahen Osten bis nach Afrika und Afghanistan, wo auch immer auf der Welt diese Rechte eingeschränkt sind.
Wir alle müssen die Verfolgung und Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten anprangern und verurteilen, wo auch immer dies geschieht, sei es in Xinjiang oder Nordäthiopien oder anderswo auf der Welt.
Wir alle müssen die Rechte von LGBTQI-Personen verteidigen, damit sie offen und ohne Angst leben und lieben können, ob in Tschetschenien, Kamerun oder anderswo.
Da wir mit unseren Ländern auf diesen Wendepunkt zusteuern und an der Bewältigung der sich schnell entwickelnden, miteinander verwobenen Herausforderungen von heute arbeiten, möchte ich mich klar ausdrücken: Ich habe eine Vorstellung davon, wie die Zukunft aussieht, die wir uns für die Welt wünschen.
Die Zukunft wird denjenigen gehören, die die Menschenwürde achten, anstatt sie mit Füßen zu treten.
Die Zukunft wird denjenigen gehören, die das Potenzial ihrer Bürgerinnen und Bürger freisetzen, und nicht denen, die es unterdrücken.
Die Zukunft wird denjenigen gehören, die ihrer Bevölkerung die Möglichkeit geben, frei zu atmen, und nicht denen, die versuchen, sie mit eiserner Hand zu ersticken.
Autoritarismus, die Autoritären dieser Welt mögen versuchen, das Ende des Zeitalters der Demokratie zu verkünden, aber sie liegen falsch.
Die Wahrheit ist: Die demokratische Welt ist überall. Sie lebt in den Aktivisten, die Korruption bekämpfen, den Verfechtern der Menschenrechte, den Journalistinnen und Journalisten, den für Frieden Demonstrierenden an der vordersten Front dieses Kampfes in Weißrussland, Myanmar, Syrien, Kuba, Venezuela und und darüber hinaus.
Sie lebt in den mutigen Frauen im Sudan, die sich Gewalt und Unterdrückung widersetzt haben, um einem völkermordenden Diktator die Macht zu entreißen, und die sich weiterhin jeden Tag für demokratischen Fortschritt einsetzen.
Sie lebt in den stolzen Moldawiern, die zu einem erdrutschartigen Sieg für die demokratischen Kräfte beigetragen haben, der ein Mandat zur Bekämpfung von Bestechung und zum Aufbau einer inklusiveren Wirtschaft einschließt.
Sie lebt in den jungen Menschen Sambias, die zum ersten Mal die Macht ihrer Stimme nutzten und in Rekordzahl zur Wahl gingen, um Korruption anzuprangern und einen neuen Kurs für ihr Land vorzugeben.
Und obwohl keine Demokratie perfekt ist – und das schließt die Vereinigten Staaten ein, die sich weiterhin bemühen, den höchsten Idealen gerecht zu werden, um die Spaltungen in unserem Land zu überwinden, und die im Angesicht von Gewalt und Aufständen standhaft bleiben –, bleibt die Demokratie das beste Instrument, das wir haben, um unser volles menschliches Potenzial zu entfalten.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Augenblick, in dem wir uns jenen als ebenbürtig erweisen müssen, die uns den Weg bereitet haben, die mit Weitblick und Werten und festem Vertrauen in unsere gemeinsame Zukunft unsere Vereinten Nationen aufgebaut, den Kreislauf von Krieg und Zerstörung durchbrochen und die Grundlagen für mehr als sieben Jahrzehnte relativen Friedens und wachsenden globalen Wohlstands gelegt haben.
Jetzt müssen wir erneut zusammenkommen, um zu bekräftigen, dass die uns verbindende Menschlichkeit viel größer ist als alle äußeren Unterschiede oder Unstimmigkeiten.
Wir müssen uns dazu entschließen, mehr zu tun, als wir glauben, allein tun zu können, damit wir gemeinsam das erreichen, was wir erreichen müssen: diese Pandemie zu beenden und sicherzustellen, dass wir auf die nächste besser vorbereitet sind, den Klimawandel aufzuhalten und widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen zu werden, die wir bereits erleben, eine Zukunft zu schaffen, in der Technologie ein wesentliches Instrument zur Lösung menschlicher Herausforderungen und zur Stärkung des menschlichen Potenzials ist, und keine Quelle für mehr Streit und Unterdrückung.
Das sind die Herausforderungen, von denen abhängt, wie die Welt für unsere Kinder und Enkelkinder aussehen wird und was wir ihnenhinterlassen werden. Wir können ihnen nur begegnen, wenn wir in die Zukunft schauen.
Ich stehe heute hier und zum ersten Mal seit 20 Jahren befinden sich die Vereinigten Staaten nicht im Krieg. Wir haben ein neues Kapitel aufgeschlagen.
All die unerreichte Stärke, die Energie, das Engagement, der Wille und die Ressourcen unserer Nation sind jetzt voll und ganz auf das gerichtet, was vor uns und nicht auf das, was hinter uns liegt.
Ich weiß: Mit nach vorne gerichtetem Blick gehen wir voran. Wir werden bei allen großen Herausforderungen unserer Zeit vorangehen, von COVID über Klima, Frieden und Sicherheit bis hin zu Menschenwürde und Menschenrechten. Aber wir werden es nicht allein tun.
Wir werden gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern und in Zusammenarbeit mit all jenen vorangehen, die wie wir glauben, dass es in unserer Macht steht, diese Herausforderungen zu bewältigen, eine Zukunft aufzubauen, die allen Menschen gerecht wird und diesen Planeten schützt.
Aber nichts davon geschieht zwangsläufig, wir müssen uns dafür entscheiden. Und ich kann Ihnen sagen, wo Amerika steht: Wir werden uns dafür entscheiden, eine bessere Zukunft aufzubauen. Wir, Sie und ich, haben den Willen und die Fähigkeit, es besser zu machen.
Meine Damen und Herren, wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verlieren. Machen wir uns an die Arbeit. Schaffen wir jetzt eine bessere Zukunft.
Wir schaffen das! Wir haben die Macht und die Möglichkeiten.
Vielen Dank, und Gott segne Sie.
Originaltext: Remarks by President Biden Before the 76th Session of the United Nations General Assembly