Rede von US-Präsident Biden vor der 77. Vollversammlung der Vereinten Nationen
Wir haben die Rede von US-Präsident Biden während der 77. Sitzung der UN-Vollversammlung in New York am 21. September 2022 übersetzt.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, Herr Generalsekretär, meine verehrten Amtskolleginnen und -kollegen, im vergangenen Jahr hat die Welt große Umwälzungen erlebt: eine zunehmende Nahrungsmittelkrise, Rekordtemperaturen, Überschwemmungen und Dürren, die COVID-19-Pandemie, Inflation und einen brutalen, sinnlosen Krieg – der, um es ganz deutlich zu sagen, auf die Entscheidung eines Mannes zurückgeht.
Lassen Sie uns offen sein. Ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist in ein Nachbarland einmarschiert und versucht, einen souveränen Staat von der Landkarte zu tilgen.
Russland hat schamlos gegen die Grundprinzipien der UN-Charta verstoßen – unter anderem gegen kein geringeres als das unmissverständliche Verbot, dass sich kein Staat das Hoheitsgebiet eines Nachbarn mit Gewalt einverleiben darf.
Erst heute wieder hat Präsident Putin unverhohlene atomare Drohungen gegen Europa ausgesprochen und sich rücksichtslos über die Verpflichtungen des Nichtverbreitungsregimes hinweggesetzt.
Jetzt beruft Russland mehr Soldatinnen und Soldaten zum Kampf ein. Der Kreml organisiert Scheinreferenden, um Teile der Ukraine zu annektieren, was eine maßgebliche Verletzung der UN-Charta darstellt.
Die Welt sollte diese ungeheuerlichen Handlungen als das betrachten, was sie sind. Putin behauptet, er habe handeln müssen, weil Russland bedroht worden sei. Aber niemand hat Russland bedroht und niemand anderes als Russland wollte den Konflikt.
In der Tat haben wir davor gewarnt, dass es dazu kommen würde. Gemeinsam mit vielen von Ihnen haben wir versucht, ihn abzuwenden.
Putins eigene Worte lassen seine wahren Absichten unmissverständlich erkennen. Unmittelbar bevor er in die Ukraine einmarschierte, behauptete Putin, die Ukraine „wurde von Russland geschaffen“ und sei nie ein „echter eigener Staat“ gewesen.
Jetzt erleben wir Angriffe auf Schulen, Bahnhöfe, Krankenhäuser sowie auf historische und kulturelle Zentren der Ukraine.
In der Vergangenheit gab es sogar noch erschreckendere Beweise für Russlands Gräueltaten und Kriegsverbrechen: in Izium wurden Massengräber mit Leichen entdeckt, die laut Angaben derer, die sie ausgruben, Spuren von Folter aufwiesen.
Bei diesem Krieg geht es ganz einfach um die Auslöschung des Existenzrechts der Ukraine als Staat und als Volk, so einfach ist das. Unabhängig davon, wer Sie sind, wo Sie leben und woran sie glauben, diese Tatsache sollte jeden zutiefst erschrecken.
Deshalb sind 141 Nationen in der Vollversammlung zusammengekommen, um Russlands Krieg gegen die Ukraine unmissverständlich zu verurteilen. Zur sicherheitspolitischen, humanitären und unmittelbaren wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine haben die Vereinigten Staaten umfangreiche Mittel bereitgestellt – bislang 25 Milliarden US-Dollar.
Auch unsere Verbündeten und Partner weltweit beteiligen sich. Mehr als 40 der hier vertretenen Länder haben Gelder und Ausrüstung in Milliardenhöhe bereitgestellt, um die Ukraine dabei zu unterstützen, sich zu verteidigen.
Die Vereinigten Staaten arbeiten auch eng mit ihren Verbündeten und Partnern zusammen, um den Preis für Russland in die Höhe zu treiben, um vor russischen Angriffen auf NATO-Territorium abzuschrecken und um Russland für seine Gräueltaten und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.
Wenn wir es zulassen, dassStaaten ihre imperialen Bestrebungen ungestraft verfolgen können, setzen wir alles aufs Spiel, wofür ebendiese Institution steht. Alles.
Jeder Sieg auf dem Schlachtfeld ist ein Sieg der mutigen ukrainischen Soldatinnen und Soldaten. Aber in diesem Jahr wurde auch die Welt auf die Probe gestellt, und wir haben nicht gezögert.
Wir haben uns für Freiheit entschieden. Wir haben uns für Souveränität entschieden. Wir haben uns für die Grundprinzipien entschieden, zu denen sich jede Vertragspartei der UN-Charta verpflichtet hat. Wir haben uns an die Seite der Ukraine gestellt.
Ebenso wie Sie wollen auch die Vereinigten Staaten, dass dieser Krieg unter gerechten Bedingungen endet, Bedingungen, zu denen wir uns alle bekannt haben: Niemand darf das Staatsgebiet eines anderen Landes mit Gewalt einnehmen. Das einzige Land, das sich diesem Grundsatz widersetzt, ist Russland.
Deshalb müssen wir alle in diesem Gremium, die wir entschlossen sind, die Grundsätze und Überzeugungen zu wahren, zu deren Verteidigung wir uns als Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichtet haben, in unserer Entschlossenheit klar, fest und unerschütterlich sein.
Die Ukraine hat die gleichen Rechte, die jeder souveränen Nation zustehen. Wir werden solidarisch an der Seite der Ukraine stehen. Wir werden uns solidarisch gegen die russische Aggression stellen. Punkt.
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Vereinigten Staaten – und ich als US-Präsident – im Spannungsfeld zwischen Demokratie und Autokratie für eine Welt einsetzen, die auf den Werten der Demokratie fußt.
Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, die Demokratie im eigenen Land und auf der ganzen Welt zu verteidigen und zu stärken. Denn ich glaube, dass die Demokratie das beste Instrument der Menschheit ist, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Wir arbeiten mit den G7-Staaten und gleichgesinnten Ländern zusammen, um zu beweisen, dass Demokratien nicht nur für ihre Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die übrige Welt etwas leisten können.
Aber während wir heute zusammenkommen, wird die Grundlage der UN-Charta für eine stabile und gerechte, auf Regeln basierende Ordnung von denjenigen angegriffen, die sie zerstören oder zu ihrem eigenen politischen Vorteil verzerren wollen.
Die Charta der Vereinten Nationen wurde nicht nur von den Demokratien der Welt unterzeichnet, sie wurde auch von den Bürgerinnen und Bürgern Dutzender Länder mit sehr unterschiedlicher Geschichte und Ideologie, geeint in ihrem Engagement für den Frieden, ausgehandelt.
Wie Präsident Truman 1945 sagte, ist die Charta der Vereinten Nationen „der Beweis dafür, dass Länder, ebenso wie Menschen, dazu in der Lage sind, ihre Differenzen zu benennen, sich ihnen zu stellen und dann eine gemeinsame Basis zu finden“.
Diese gemeinsame Basis war so einfach, so grundlegend, dass sich heute 193 Mitgliedstaaten bereitwillig zu ihren Prinzipien bekennen. Für diese Grundsätze der UN-Charta einzutreten, ist die Aufgabe jedes verantwortungsbewussten Mitgliedstaates.
Ich lehne den Einsatz von Gewalt und Krieg zur Eroberung von Nationen oder zur Ausweitung von Grenzen durch Blutvergießen ab.
Sich gegen eine globale Politik der Angst und des Zwangs zu stellen, die souveränen Rechte kleinerer Länder als gleichwertig mit denen größerer Länder zu verteidigen, sich Grundprinzipien wie die Freiheit der Schifffahrt, die Achtung des Völkerrechts und die Rüstungskontrolle zu eigen zu machen – egal, worüber wir sonst noch uneins sein mögen, das ist die gemeinsame Basis, auf der wir stehen müssen.
Wenn Sie sich immer noch für ein starkes Fundament zum Wohle aller Nationen der Welt einsetzen, dann wollen die Vereinigten Staaten mit Ihnen zusammenarbeiten.
Ich glaube auch, dass es an der Zeit ist, dass diese Institution integrativer wird, damit sie besser auf die Bedürfnisse der heutigen Welt eingehen kann.
Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, einschließlich der Vereinigten Staaten, sollten die UN-Charta konsequent wahren und verteidigen und von der Anwendung des Vetorechts absehen, außer in seltenen, außergewöhnlichen Situationen, um sicherzustellen, dass der Rat glaubwürdig und effektiv bleibt.
Aus diesem Grund befürworten die Vereinigten Staaten auch die Erhöhung der Zahl der ständigen und nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats. Das schließt ständige Sitze für die Länder, die wir seit Langem unterstützen, sowie ständige Sitze für Länder in Afrika, Lateinamerika und der Karibik ein.
Die Vereinigten Staaten bekennen sich zu dieser unverzichtbaren Arbeit. Wir haben in jeder Region neue, konstruktive Wege beschritten, um mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten und gemeinsame Interessen voranzubringen: von der Förderung der Quad-Allianz im Indopazifik über die Unterzeichnung der Erklärung von Los Angeles zu Migration und Schutz auf dem Amerika-Gipfel bis hin zur Teilnahme an einem historischen Treffen von neun arabischen Staats- und Regierungsoberhäuptern, um auf einen friedlicheren, integrierten Nahen Osten hinzuarbeiten, und zur Ausrichtung des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungsoberhäupter der Vereinigten Staaten und Afrikas in diesem Dezember.
Wie ich bereits letztes Jahr sagte, läuten die Vereinigten Staaten ein Zeitalter der unnachgiebigen Diplomatie ein, um die Herausforderungen anzugehen, die für das Leben der Menschen – für das Leben aller Menschen – am wichtigsten sind: die Bewältigung der Klimakrise, die mein Vorredner bereits ansprach, die Stärkung der globalen Gesundheitssicherheit, die Ernährung der Welt.
Diese Themen haben wir zu unseren Prioritäten gemacht. Und ein Jahr später lösen wir dieses Versprechen ein.
Von meinem ersten Tag im Amt an, sind die Vereinigten Staaten mit einer ambitionierten Klima-Agenda vorangegangen. Wir sind dem Pariser Abkommen wieder beigetreten, haben wichtige Klimagipfel einberufen und dazu beigetragen, dass auf der COP26 wichtige Vereinbarungen getroffen wurden. Und wir haben dazu beigetragen, dass sich Länder, die zusammen zwei Drittel des weltweiten BIP ausmachen, dem Ziel verschrieben haben, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Und jetzt habe ich hier in den Vereinigten Staaten ein historisch einmaliges Gesetz unterzeichnet, das das in der Geschichte unseres Landes umfassendste und bedeutendste Bekenntnis zum Klimaschutz enthält: 369 Milliarden US-Dollar für die Bekämpfung des Klimawandels. Dazu gehören zweistellige Milliardenbeträge für neue Investitionen in Offshore-Wind- und Solarparks, die Verdoppelung der Investitionen in emissionsfreie Fahrzeuge, die Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung einer sauberen Produktion.
Das US-Energieministerium schätzt, dass dieses neue Gesetz die Emissionen der Vereinigten Staaten bis 2030 um eine Gigatonne pro Jahr reduziert und gleichzeitig eine neue Ära des Wirtschaftswachstums auf der Grundlage sauberer Energie einleitet.
Unsere Investitionen werden zudem dazu beitragen, die Kosten für die Entwicklung sauberer Energietechnologien zu senken – nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit. Damit werden die Weichen weltweit neu gestellt – und nicht zu früh. Wir haben nicht viel Zeit.
Wir alle wissen, dass wir schon jetzt in einer Klimakrise leben. Daran scheint nach dem vergangenen Jahr niemand mehr zu zweifeln. Während wir hier zusammenkommen, ist ein Großteil Pakistans noch immer überschwemmt und die Menschen brauchen Hilfe. Währenddessen herrscht am Horn von Afrika eine noch nie dagewesene Dürre.
Familien stehen vor unmöglichen Entscheidungen: Sie müssen sich entscheiden, welches ihrer Kinder sie versorgen wollen, und fragen sich, ob sie überleben werden.
Dies sind die menschlichen Kosten des Klimawandels. Und sie nehmen zu, nicht ab.
Um unserer globalen Verantwortung gerecht zu werden, arbeitet meine Regierung, wie ich letztes Jahr angekündigt habe, mit dem Kongress zusammen, um jährlich mehr als 11 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimaschutzfinanzierung bereitzustellen, damit Länder mit niedrigem Einkommen ihre Klimaziele umsetzen und eine gerechte Energiewende gewährleistet werden kann.
Der wichtigste Teil davon wird unser PEPFAR-Plan sein, der einer halben Milliarde Menschen und besonders gefährdeten Ländern helfen wird, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen und Widerstandsfähigkeit aufzubauen.
Dieser Bedarf ist enorm. Dies ist also der Moment, in dem wir in uns den Willen finden müssen, die Klimakatastrophe umzukehren und eine widerstandsfähige, nachhaltige und saubere Energiewirtschaft zu schaffen, um unseren Planeten zu erhalten.
Was die globale Gesundheit anbelangt, so haben wir mehr als 620 Millionen Dosen COVID-19-Impfstoff an 116 Länder auf der ganzen Welt geliefert, und es stehen weitere Dosen zur Verfügung, um den Bedarf zu decken – ohne Kosten, ohne Bedingungen.
Dabei arbeiten wir eng mit den G20-Staaten und anderen Ländern zusammen. Und die Vereinigten Staaten waren federführend an der Einrichtung eines bahnbrechenden neuen Fonds für Pandemieprävention (und -vorsorge) bei der Weltbank beteiligt.
Gleichzeitig haben wir die anhaltenden globalen Gesundheitsprobleme nicht aus dem Blick verloren.
Später findet die Seventh Replenishment Conference für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria statt, zu der ich geladen hatte. Mit parteiübergreifender Unterstützung im Kongress habe ich bis zu sechs Milliarden US-Dollar an Hilfen für diese Bemühungen zugesagt.
Ich freue mich also auf weitere historische Zusagen bei der Konferenz – eine der größten Spendenaktionen für die globale Gesundheit in der Geschichte.
Wir gehen auch die Nahrungsmittelkrise mit aller Kraft an. Angesichts der 193 Millionen Menschen auf der Welt, die unter akuter Nahrungsmittelunsicherheit leiden – ein Anstieg um 40 Millionen in einem Jahr – kündige ich heute allein für dieses Jahr weitere 2,9 Milliarden US-Dollar an US-Unterstützung für lebensrettende humanitäre Hilfe und Ernährungssicherheit an.
In der Zwischenzeit verbreitet Russland Lügen und versucht, die Schuld an der Nahrungsmittelkrise auf die Sanktionen zu schieben, die von vielen Ländern weltweit wegen der Aggression gegen die Ukraine verhängt wurden.
Lassen Sie mich also eines klarstellen: Unsere Sanktionen erlauben ausdrücklich den Export russischer Lebens- und Düngemittel. Hier gibt es keine Beschränkung. Es ist Russlands Krieg, der die Nahrungsmittelunsicherheit verschärft, und nur Russland kann sie beenden.
Ich bin dankbar für die Arbeit der Vereinten Nationen, und auch für Ihre Führungskompetenz, Herr Generalsekretär, die die Einführung eines Mechanismus für den Getreideexport aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen, die Russland monatelang blockiert hatte, ermöglicht hat. Wir müssen sicherstellen, dass die Geltungsdauer des Mechanismus verlängert wird.
Wir sind fest von der großen Bedeutung der Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln überzeugt. Aus diesem Grund sind die Vereinigten Staaten, die mehr als 40 Prozent des Budgets stellen, der weltweit größte Unterstützer des Welternährungsprogramms.
Wir sind führend bei der Unterstützung der UNICEF-Bemühungen, Kinder auf der ganzen Welt mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Und um sich der umfassenderen Herausforderung der Ernährungsunsicherheit zu stellen, haben die Vereinigten Staaten einen weltweiten Aufruf zum Handeln formuliert und einen Fahrplan zur Beseitigung der weltweiten Nahrungsmittelunsicherheit erstellt, den bereits mehr als 100 Mitgliedsstaaten unterstützen.
Im Juni kündigten die G7-Staaten an, mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar zur besseren Gewährleistung der weltweiten Ernährungssicherheit an.
Im Rahmen der USAID-Initiative Feed the Future fördern die Vereinigten Staaten innovative Wege, um den Landwirtinnen und Landwirten, die darauf angewiesen sind, dürre- und hitzestressresistentes Saatgut zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig Dünger zu verteilen und die Effizienz von Düngemitteln zu verbessern, damit Landwirtinnen und Landwirte mehr anbauen können und dabei weniger verbrauchen.
Wir appellieren an alle Länder, keine Lebensmittelexporte zu verbieten oder Getreide zu horten, während so viele Menschen leiden. Ganz gleich, was uns sonst noch trennen mag, wenn Eltern ihre Kinder nicht ernähren können, ist alles andere unwichtig – egal in welchem Land.
Mit Blick auf die Zukunft sind wir gemeinsam mit unseren Partnern dabei, Grundregeln für die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auszuarbeiten und zu aktualisieren.
Gemeinsam mit der Europäischen Union haben wir den Handels- und Technologierat ins Leben gerufen, um sicherzustellen, dass Schlüsseltechnologien so entwickelt und geregelt werden, dass alle davon profitieren.
Mit unseren Partnerländern und über die Vereinten Nationen unterstützen und stärken wir die Normen verantwortungsvollen staatlichen Verhaltens im Cyberraum und arbeiten daran, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die mit Cyberangriffen den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit bedrohen.
Gemeinsam mit unseren Partnern in Nord- und Südamerika, Afrika, Europa, dem Nahen Osten und dem indopazifischen Raum arbeiten wir am Aufbau eines neuen Wirtschaftsumfelds, in dem jede Nation eine faire Chance erhält und es belastbares, nachhaltiges und gemeinschaftliches Wirtschaftswachstum gibt.
Aus diesem Grund setzen sich die Vereinigten Staaten für eine globale Mindeststeuer ein. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass sie umgesetzt wird, damit große Unternehmen überall ihren gerechten Anteil zahlen – überall.
Dies war auch die Idee hinter dem Indo-Pacific Economic Framework, den die Vereinigten Staaten in diesem Jahr zusammen mit 13 anderen indo-pazifischen Volkswirtschaften ins Leben gerufen haben. Wir arbeiten mit unseren Partnern in der Gruppe der ASEAN-Staaten und den pazifischen Inselstaaten zusammen, um die Vorstellung von einer zentralen indo-pazifischen Region zu fördern, die frei und offen, vernetzt, wohlhabend, sicher und widerstandsfähig ist.
Gemeinsam mit Partnern auf der ganzen Welt bauen wir widerstandsfähige Lieferketten auf, die uns vor Nötigung oder Fremdbestimmung schützen und sicherstellen, dass kein Land Energie als Waffe einsetzen kann.
Und da Russlands Krieg Gift für die Weltwirtschaft ist, appellieren wir auch an die großen globalen Gläubiger, einschließlich der Länder, die nicht dem Pariser Club angehören, transparent über einen Schuldenerlass für einkommensschwächere Länder zu verhandeln, um größere wirtschaftliche und politische Krisen auf der Welt zu verhindern.
Anstelle von Infrastrukturprojekten, die hohe Schulden verursachen, ohne die versprochenen Vorteile zu bringen, sollten wir den enormen weltweiten Infrastrukturbedarf mit transparenten Investitionen decken – mit Projekten, die hohen Standards genügen, die die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Umwelt schützen und sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, für die sie gedacht sind, und nicht an den Interessen der Investoren.
Aus diesem Grund haben die Vereinigten Staaten zusammen mit anderen G7-Partnern eine Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen ins Leben gerufen. Wir wollen im Rahmen dieser Partnerschaft bis 2027 gemeinsam 600 Milliarden US-Dollar an Investitionen aufbringen.
Dutzende Projekte sind bereits im Gange: Impfstoffherstellung in industriellem Maßstab im Senegal, transformative Solarprojekte in Angola, das erste kleine modulare Atomkraftwerk seiner Art in Rumänien.
Von diesen Investitionen werden nicht nur diese Länder, sondern alle profitieren. Die Vereinigten Staaten werden mit allen Staaten zusammenarbeiten, auch mit unseren Konkurrenten, um globale Probleme wie den Klimawandel zu lösen. Klimadiplomatie geschieht nicht aus Gefälligkeit – nicht gegenüber den Vereinigten Staaten oder irgendeiner anderen Nation, und sich davon abzuwenden, würde der ganzen Welt schaden.
Ich möcht auf den Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China zu sprechen kommen. Die Vereinigten Staaten werden bei der Bewältigung der sich verändernden geopolitischen Lage eine verantwortungsvolle Führungsmacht sein. Wir wollen keinen Konflikt. Wir wollen keinen Kalten Krieg. Wir verlangen von keinem Land, sich zwischen den Vereinigten Staaten und einem anderen Partner zu entscheiden.
Aber die Vereinigten Staaten werden unerschrocken für ihre Vorstellung von einer freien, offenen, sicheren und wohlhabenden Welt werben und für das, was wir anderen zu bieten haben: Investitionen, die nicht darauf abzielen, Abhängigkeiten zu schaffen, sondern Lasten zu lindern und Ländern zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu verhelfen. Es geht um Partnerschaften, nicht darum, politische Verbindlichkeiten zu schaffen, denn wir wissen, dass jeder unserer Erfolge durch die Erfolge anderer Länder noch größer wird.
Wenn wir als Individuen die Chance haben, in Würde zu leben und unsere Talente zu entfalten, profitieren alle davon. Entscheidend dafür ist, dass wir den höchsten Zielen dieser Institution gerecht werden: mehr Frieden und Sicherheit für alle und überall.
Die Vereinigten Staaten werden in ihrer unnachgiebigen Entschlossenheit nicht nachlassen, den anhaltenden terroristischen Bedrohungen unserer Welt entgegenzutreten und sie zu vereiteln. Und wir werden mit unserer Diplomatie die Führung übernehmen, um Konflikte friedlich beizulegen.
Wir sind bestrebt, Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan aufrechtzuerhalten.
Wir bleiben unserer Ein-China-Politik verpflichtet, die seit vierzig Jahren dazu beiträgt, Konflikte zu verhindern. Einseitige Änderungen des Status quo durch eine der beiden Seiten lehnen wir weiter ab.
Wir unterstützen den von der Afrikanischen Union geführten Friedensprozess zur Beendigung der Kämpfe in Äthiopien und zur Wiederherstellung der Sicherheit für die gesamte Bevölkerung des Landes.
In Venezuela, wo mehr als sechs Millionen Menschen aufgrund der jahrelangen politischen Unterdrückung aus dem Land vertrieben wurden, fordern wir dringend einen Dialog unter venezolanischer Führung und die Rückkehr zu freien und fairen Wahlen.
Wir stehen weiterhin an der Seite unseres Nachbarn in Haiti, das mit politisch motivierter Bandengewalt und einer enormen humanitären Krise zu kämpfen hat.
Und wir rufen die Welt auf, es uns gleich zu tun. Es liegt noch mehr Arbeit vor uns.
Wir werden weiterhin die von den Vereinten Nationen vermittelte Waffenruhe im Jemen unterstützen, die den Menschen, die jahrelang unter dem Krieg gelitten haben, wertvolle Monate des Friedens gebracht hat.
Und wir werden uns weiterhin für einen dauerhaften Verhandlungsfrieden zwischen dem jüdischen und demokratischen Staat Israel und dem palästinensischen Volk einsetzen. Die Vereinigten Staaten setzen sich ohne Wenn und Aber für die Sicherheit Israels ein. Und eine ausgehandelte Zweistaatenlösung ist unserer Ansicht nach noch immer der beste Weg, um Israels Sicherheit und Wohlstand für die Zukunft zu gewährleisten und den Palästinenserinnen und Palästinensern den Staat zu geben, auf den sie ein Anrecht haben – wobei beide Seiten in vollem Umfang respektieren sollten, dass ihre Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte haben und beide Seiten ein gleiches Maß an Freiheit und Würde genießen.
Lassen Sie mich auch alle Nationen auffordern, sich erneut für die Stärkung des Systems der Nichtverbreitung von Kernwaffen durch Diplomatie einzusetzen. Unabhängig davon, was sonst auf der Welt geschieht, sind die Vereinigten Staaten bereit, entscheidende Rüstungskontrollmaßnahmen umzusetzen. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden.
Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates haben diese Verpflichtung erst im Januar erneut bekräftigt. Aber heute sehen wir beunruhigende Entwicklungen. Russland missachtet die Prinzipien der Nichtverbreitung, die von allen anderen Staaten auf der 10. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags angenommen wurden.
Und, wie ich bereits sagte, droht das Land auch heute in unverantwortlicher Weise mit dem Einsatz von Atomwaffen. China führt eine beispiellose Aufrüstung von Atomwaffen ohne jegliche Transparenz durch.
Trotz unserer Bemühungen, eine ernsthafte und nachhaltige Diplomatie einzuleiten, verstößt die Demokratische Volksrepublik Korea weiterhin eklatant gegen UN-Sanktionen.
Während die Vereinigten Staaten zu einer beiderseitigen Rückkehr zum Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans (JCPOA) bereit sind, wenn Iran seinen Verpflichtungen nachkommt, ist für die Vereinigten Staaten eines klar: Wir werden nicht zulassen, dass Iran in den Besitz einer Atomwaffe gelangt.
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Diplomatie der beste Weg ist, dieses Ziel zu erreichen. Das Nichtverbreitungsregime ist einer der größten Erfolge dieser Institution. Wir können nicht zulassen, dass sich die Welt zurückentwickelt, und wir können auch nicht die Augen vor der Aushöhlung der Menschenrechte verschließen.
Unter den Errungenschaften dieses Gremiums ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vielleicht einzigartig, denn sie ist der Maßstab, an dem unsere Vorfahren uns zu messen aufgefordert haben.
Sie haben 1948 klargestellt: Die Menschenrechte sind die Grundlage für alles, das wir erreichen wollen. Und doch sind heute, im Jahr 2022, überall auf der Welt die Grundfreiheiten gefährdet, von den Verletzungen der Menschenrechte in Xinjiang, die in den jüngsten Berichten des Büros des UN-Hochkommissars ausführlich beschrieben werden, über die schrecklichen Übergriffe des Militärregimes in Burma auf prodemokratische Aktivisten und ethnische Minderheiten bis hin zur zunehmenden Unterdrückung von Mädchen und Frauen durch die Taliban in Afghanistan.
Wir stehen heute an der Seite der mutigen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der mutigen Frauen im Iran, die gerade in diesem Augenblick für ihre Grundrechte demonstrieren.
Eines weiß ich sicher: Die Zukunft werden jene Länder gewinnen, die das volle Potenzial ihrer Bevölkerung freisetzen, in denen Mädchen und Frauen gleiche Rechte haben, einschließlich grundlegender reproduktiver Rechte, und in vollem Umfang zum Aufbau stärkerer Volkswirtschaften und belastbarerer Gesellschaften beitragen können; in denen religiöse und ethnische Minderheiten ohne Schikanen leben und zum Gefüge ihrer Gemeinschaften beitragen können; in denen LGBTQ+-Menschen frei leben und lieben können, ohne Gewalt ausgesetzt zu sein; in denen die Bürgerinnen und Bürger ihre politische Führung ohne Angst vor Repressalien in Frage stellen und kritisieren können.
Die Vereinigten Staaten werden sich im eigenen Land und weltweit stets für die Menschenrechte und die in der UN-Charta verankerten Werte einsetzen.
Lassen Sie mich folgendermaßen schließen: Diese Institution, deren Richtschnur die UN-Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist, ist im Kern ein Akt der kühnen Hoffnung.
Lassen Sie mich das noch einmal sagen: Sie ist ein Akt der kühnen Hoffnung.
Denken Sie nur an die Vision der ersten Delegierten, die eine scheinbar unmögliche Aufgabe in Angriff nahmen, während die Welt die Flammen noch nicht ganz gelöscht hatte.
Denken Sie daran, welch tiefe Kluft die Menschen auf der Welt zwischen sich gespürt haben müssen, als die Trauer über Millionen von Toten und die Schrecken des Holocausts noch frisch waren.
Sie hatten jedes Recht, nur das Schlimmste von der Menschheit zu glauben. Stattdessen besannen sie sich auf unsere besten Eigenschaften und strebten nach etwas Besserem: dauerhafter Frieden, freundschaftliches Einverständnis unter den Nationen, gleiche Rechte für alle Mitglieder der Menschheitsfamilie, Zusammenarbeit zum Wohle der gesamten Menschheit.
Meine Damen und Herren, die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind in der Tat groß, aber unsere Belastbarkeit ist größer. Allerdings muss unser Engagement noch größer sein.
Lassen Sie uns also zusammenstehen, um erneut die unmissverständliche Entschlossenheit zu verkünden, dass die Nationen der Welt noch immer vereint sind, dass wir für die Werte der UN-Charta eintreten, dass wir immer noch glauben, dass wir durch Zusammenarbeit den Lauf der Geschichte in Richtung einer freieren und gerechteren Welt für alle unsere Kinder lenken können, auch wenn keiner von uns dies schon vollständig erreicht hat.
Geschichte passiert nicht einfach ohne unser Zutun, wir sind es, die Geschichte machen.
Wir können das schaffen – wir müssen es schaffen –, für uns selbst und für unsere Zukunft, für die Menschheit.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld, dafür, dass Sie mir zugehört haben. Ich weiß das sehr zu schätzen. Möge Gott Sie alle segnen.
Originaltext: Remarks by President Biden Before the 77th Session of the United Nations General Assembly