Rede von US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2023
Rede von US-Vizepräsidentin Kamala Harris auf der Münchner Sicherheitskonferenz
Anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof hielt US-Vizepräsidentin Kamala Harris am 18. Februar 2023 eine Rede, in der sie die Einheit des transatlantischen Bündnisses im Hinblick auf den Krieg gegen die Ukraine beschwört.
Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Christoph. … Danke.
Es ist mir eine Ehre, wieder auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu sein.
Viele von uns erinnern sich noch, dass ich voriges Jahr auf dieser Bühne vor einer bevorstehenden russischen Invasion der Ukraine gewarnt habe. Und wir sollten uns alle in Erinnerung rufen, dass sich damals viele von uns fragten, wie wir reagieren würden. Viele fragten sich: Kann Russland aufgehalten werden? Wird die NATO zusammenfinden? Wird die NATO auseinanderbrechen? Und ist die Ukraine darauf vorbereitet?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute, ein Jahr später, wissen wir es.
Kiew steht noch. Russland – Russland ist geschwächt.
Das transatlantische Bündnis ist stärker als je zuvor. Und vor allem: Der Wille der Ukrainerinnen und Ukrainer bleibt stark.
Unter Joe Biden, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zeigt unser Land klare Führungsstärke.
Wie Präsident Biden oft sagt: Die Vereinigten Staaten werden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen. Wir werden nicht nachlassen.
Heute, auf dieser Münchner Sicherheitskonferenz, werde ich beschreiben, was für uns alle weiterhin auf dem Spiel steht: die moralischen Interessen, die strategischen Interessen und warum die Ukraine für die Menschen in den Vereinigten Staaten, für die Menschen in Europa und für die Menschen auf der ganzen Welt von Bedeutung ist.
Erstens: Vom ersten Tagen dieses ungerechtfertigten Krieges an haben wir miterlebt, wie die russischen Streitkräfte entsetzliche Gräueltaten und Kriegsverbrechen begangen haben. Ihr Handeln ist ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte, ein Angriff auf unsere gemeinsame Menschlichkeit.
Ich möchte es ganz deutlich sagen: Die russischen Streitkräfte haben einen breit angelegten und systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung verübt und grausame Taten begangen – Mord, Folter, Vergewaltigung und Verschleppungen. Schläge, Elektroschocks und Morde, die Hinrichtungen ähneln.
Die russischen Behörden haben Hunderttausende von Menschen aus der Ukraine nach Russland verschleppt, darunter auch Kinder. Sie haben Kinder auf grausame Weise von ihren Familien getrennt.
Wir haben alle die Bilder des Theaters in Mariupol gesehen, in dem Hunderte von Menschen getötet wurden.
Denken Sie an das Bild der hochschwangeren Frau, die bei einem Angriff auf eine Geburtsklinik getötet wurde, in der sie sich auf die Entbindung vorbereitete.
Denken Sie an die Bilder von Butscha: kaltblütig erschossene Zivilisten, deren Leichen einfach auf der Straße liegen blieben. Das erschütternde Foto des Mannes, der mit seinem Fahrrad unterwegs war.
Denken Sie an das kleine Mädchen, das den Vereinten Nationen zufolge von einem russischen Soldaten vergewaltigt wurde. Ein vierjähriges Kind.
Barbarisch und menschenverachtend.
Vor meiner Zeit als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten war ich lange in der Strafverfolgung tätig, zunächst als junge Anwältin im Gerichtssaal und später als Justizministerin Kaliforniens. Ich weiß aus erster Hand, wie wichtig es ist, Fakten zusammenzutragen und sie auf Grundlage der Gesetze zu prüfen.
Wir haben die Beweise für das russische Vorgehen in der Ukraine geprüft. Die Rechtsnormen sind uns bekannt. Es besteht kein Zweifel, dass es sich hier um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt.
Die Vereinigten Staaten haben formell festgestellt, dass Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat.
All jenen, die diese Verbrechen begangen haben, und ihren Vorgesetzten, die an diesen Verbrechen mitschuldig sind, sage ich: Sie werden zur Rechenschaft gezogen werden.
Uns allen hier in München sage ich in Anbetracht dieser unbestreitbaren Tatsachen: Bekräftigen wir erneut unseren politischen Willen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Bekräftigen wir erneut unser Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit.
Was die Vereinigten Staaten anbelangt, so werden wir die Justiz in der Ukraine und die internationalen Ermittlungen weiter unterstützen, denn der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden.
Wir sind uns alle einig, dass der Gerechtigkeit im Namen aller bekannten und unbekannten Opfer Genüge getan werden muss. Das liegt in unserem moralischen Interesse.
Wir haben auch ein bedeutendes strategisches Interesse. Der Kampf in der Ukraine hat weitreichende globale Auswirkungen.
In einer Welt, in der ein Land die Souveränität und territoriale Integrität eines anderen Landes verletzen kann, in der ungestraft Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt werden, in der ein Land mit imperialistischen Ambitionen unbehelligt bleibt, ist kein Land sicher.
Unsere Reaktion auf die russische Invasion ist eine Demonstration unseres kollektiven Bekenntnisses zur Einhaltung internationaler Regeln und Normen. Es sind die Regeln und Normen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur den Amerikanerinnen und Amerikanern, nicht nur den Europäerinnen und Europäern, sondern den Menschen auf der ganzen Welt in nie gekanntem Ausmaß Sicherheit und Wohlstand gebracht haben.
Es sind Grundsätze, die besagen, dass souveräne Nationen das Recht auf friedliche Existenz haben, dass Grenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen, dass es unveräußerliche Menschenrechte gibt, die von Regierungen geachtet werden müssen, und dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden muss.
In der Tat wurde unsere Bereitschaft, diese Regeln und Normen zu verteidigen und aufrechtzuerhalten, jetzt auf die Probe gestellt. Wir sind stark geblieben, und wir müssen stark bleiben. Denn sollte Putin mit seinem Angriff auf diese Grundsätze Erfolg haben, könnten sich andere Nationen ermutigt fühlen, seinem gewalttätigen Beispiel zu folgen. Andere autoritäre Mächte könnten versuchen, der Welt durch Zwang, Desinformation und sogar rohe Gewalt ihren Willen aufzudrängen. Die internationale Ordnung, auf die wir uns alle verlassen, könnte in Gefahr geraten.
Im Interesse der globalen Sicherheit und des globalen Wohlstands ist es also eine unserer wichtigsten Aufgaben, die internationale, auf Regeln basierende Ordnung aufrechtzuerhalten. Darüber sind sich die Länder der Welt einig.
Man bedenke, dass mehr als 140 Länder bei den Vereinten Nationen zur Verteidigung der grundlegenden Prinzipien ihrer Charta dafür gestimmt haben, die russische Aggression zu verurteilen und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu unterstützen.
Es haben allerdings auch Länder wie Nordkorea und Iran Waffen zur Unterstützung des brutalen russischen Krieges geliefert.
Besorgniserregend ist auch, dass Peking seit Beginn des Kriegs seine Beziehungen zu Moskau ausgebaut hat.
In Zukunft würden alle Maßnahmen Chinas zur Unterstützung Russlands mit tödlichen Waffen nur dazu führen, dass Aggression belohnt, das Töten fortgesetzt und die auf Regeln basierende Ordnung weiter untergraben wird.
Auch hier werden die Vereinigten Staaten die Ukraine weiterhin tatkräftig unterstützen. Wir werden dies so lange wie nötig tun.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner sind voller Bewunderung für die Entschlossenheit der ukrainischen Bevölkerung, ihre Widerstandsfähigkeit und Rechtschaffenheit, ihre Bereitschaft, für Freiheit und Unabhängigkeit zu kämpfen, sowie für die außergewöhnliche Beharrlichkeit und Führungsstärke von Präsident Selenskyj.
Mit mir in München sind hochrangige Mitglieder des Kongresses der Vereinigten Staaten. Republikaner und Demokraten. Vertreterinnen und Vertreter des Repräsentantenhauses und des US-Senats. Sie sind gemeinsam hier, weil sie wissen, was auf dem Spiel steht.
Die Führungsverantwortung dieser Abgeordneten ist für die Unterstützung der Ukraine durch die Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung. US-Präsident Biden und ich wissen, dass sie die die Ukraine auch weiter unterstützen werden.
Wir wissen auch, dass die Ukraine weiter von einer geeinten transatlantischen Gemeinschaft unterstützt werden wird.
Putin dachte also, er könne die NATO spalten. Führen Sie sich noch einmal vor Augen, wo wir vor einem Jahr standen. Das ist ihm nicht gelungen.
Das NATO-Bündnis ist heute stärker als je zuvor, und das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur NATO und zu Artikel 5 des Nordatlantikvertrags ist unumstößlich.
Schauen Sie sich nur unsere Bilanz des letzten Jahres an. Schauen Sie sich unsere multilaterale Zusammenarbeit an. Gemeinsam unterstützen wir die Ukraine auf historische Weise. Gemeinsam fügen wir Russland eine strategische Niederlage zu. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Russland einen beispiellosen Preis zahlt. Gemeinsam streben wir Energiesicherheit an und investieren erneut in unsere kollektive Verteidigung.
Wir haben zusammengefunden, um für unsere gemeinsamen Werte, unsere gemeinsamen Interessen und unsere gemeinsame Menschlichkeit einzustehen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese Geschlossenheit Bestand haben wird.
Ich mache mir aber auch keine Illusionen über den bevorstehenden Weg. In der Ukraine wird es weitere dunkle Tage geben. Das tägliche durch den Krieg verursachte Leid wird weitergehen.
Die globalen Auswirkungen werden auch weiterhin überall auf der Welt zu spüren sein – von Afrika über Südostasien bis hin zur Karibik.
Aber wenn Putin glaubt, dass er das aussitzen kann, dann irrt er sich gewaltig in uns. Die Zeit spielt gegen ihn.
Natürlich werden die Ukrainerinnen und Ukrainer auch weiterhin auf die Probe gestellt werden, so wie schon im vergangenen Jahr. Auch die transatlantische Einheit wird weiterhin auf die Probe gestellt werden. Ich bin sicher, dass die Ukraine der Aufgabe gerecht werden wird und dass auch die Vereinigten Staaten und Europa der Aufgabe gerecht werden werden.
Mein letzter Gedanke lautet demnach: Die Vereinigten Staaten werden bei der Verteidigung der Menschenwürde, bei der Verteidigung von Regeln und Normen sowie bei der Verteidigung von Freiheit und Unabhängigkeit weiterhin eine führende Rolle übernehmen. Es steht zu viel auf dem Spiel, um das nicht zu tun.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner wissen sehr gut, was Unabhängigkeit bedeutet. Wir glauben an die fundamentale Bedeutung von Souveränität und Rechtsstaatlichkeit. Und wir werden immer auf der Seite der Gerechtigkeit stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir wissen alle, dass künftige Generationen auf diesen Augenblick zurückschauen und erkennen werden, dass wir die vor uns liegende Aufgabe verstanden und uns der Situation gewachsen gezeigt haben.
So sage ich Ihnen: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind stolz darauf, Ihr Partner in diesem ehrenvollen Unterfangen zu sein.
Ich danke Ihnen.
Originaltext: Remarks by Vice President Harris at the Munich Security Conference