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August 11, 2023

Russland muss aufhören, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen

Dieser Gastbeitrag von Dr. Amy Gutmann, Botschafterin der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik Deutschland, zum Rückzug Russlands aus der Schwarzmeer-Getreide-Initiative erschien am 10. August 2023 in zahlreichen Online- und Printmedien des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Russland hat sich am 17. Juli 2023 aus der Schwarzmeer-Getreide-Initiative zurückgezogen, was weltweit zu einem starken Anstieg der Getreidepreise führte. Sein Vorgehen änderte Russland mit dem Ausstieg aus der Initiative nicht. Es zerstört Getreidesilos und andere Hafeninfrastruktur in der Ukraine. Es bedroht Frachter aus Drittländern, wenn sie versuchen, in ukrainischen Häfen Getreide zu laden. Gleichzeitig profitiert Russland weiter von den gestiegenen Preisen, die es selbst verursacht hat.

Bevor sich Russland einseitig aus dem Abkommen zurückzog, hat die Getreideinitiative Entscheidendes bewirkt und dazu beigetragen, die Weltbevölkerung zu ernähren.

Die Türkei und die Vereinten Nationen handelten das Abkommen vor einem Jahr aus, um zu gewährleisten, dass Getreide und andere Nahrungsmittelgüter aus den Häfen der Ukraine exportiert werden können. Das Abkommen ermöglichte die Verschiffung von knapp 33 Millionen Tonnen Getreide und Nahrungsmittel aus der Ukraine. Die Nahrungsmittelpreise konnten damit um 22 Prozent gesenkt werden, nachdem sie infolge der russischen Großinvasion stark angestiegen waren.

Die Ukraine ist schon lange eine der wichtigsten Kornkammern der Welt, und der Großteil des dort produzierten Getreides wird über die Schwarzmeerhäfen verschifft. Im Zuge ihrer anhaltenden Aggression gegen die Ukraine unterhöhlt die russische Regierung bewusst die globale Lebensmittelsicherheit und die Preisstabilität in Afrika, Asien und anderen, von Exporten aus diesen Häfen abhängigen Regionen.

Die Zerstörung ukrainischer Nahrungsmittelexporte durch Russland geht auf Kosten von Menschen auf der ganzen Welt und insbesondere der armen Bevölkerung. Der Rückzug Russlands aus der Schwarzmeer-Getreide-Initiative und seine gezielten Angriffe auf für die Weltmärkte bestimmtes ukrainisches Getreide sind kaltblütige Schritte, die zahllose Menschenleben gefährden werden.

Russland ergreift diese Maßnahmen zu einer Zeit, in der die akute Ernährungsunsicherheit alarmierend zunimmt. Dem Globalen Bericht zur Nahrungsmittelkrise 2023 (GRFC) zufolge ist eine Rekordzahl von 258 Millionen Menschen akut von Ernährungsunsicherheit betroffen und benötigt dringend Nahrungsmittelhilfe.

Auch wenn Russland das Gegenteil behauptet: Mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel und mehr als zwei Drittel des Weizens wurden im Rahmen der Schwarzmeer-Getreide-Initiative in Entwicklungsländer geliefert, unter anderem in einige der am stärksten von Ernährungsunsicherheit betroffenen Regionen wie das Horn von Afrika, die Sahelzone, Jemen und Afghanistan. Jede einzelne Lieferung hat dazu beigetragen, die Not in den ärmsten Ländern der Welt zu lindern. Getreide auf die Weltmärkte zu bringen, führt zu niedrigeren Lebensmittelpreisen für alle. Deshalb bezeichnete das kenianische Außenministerium den Rückzug Russlands aus dem Abkommen als „Dolchstoß“. Deshalb sagte der UN-Generalsekretär, „eine Handvoll Spenden für ein paar Länder“ könnten nicht die Abermillionen Tonnen Getreide ersetzen, die dazu beitragen, die Nahrungsmittelpreise auf der ganzen Welt zu stabilisieren.

Während Russland Transporte aus der Ukraine behindert, kann es sein eigenes Getreide weiterhin in Rekordmengen absetzen. Die Vereinten Nationen haben die Ausfuhr russischer Nahrungsmittel in Abstimmung mit dem Privatsektor, den USA, der EU und Großbritannien erleichtert, um Bedenken von russischer Seite auszuräumen. Die Sanktionen der G7 richten sich nicht gegen russische Lebensmittel- und Düngemittelausfuhren.

Entgegen russischer Desinformation haben die Vereinigten Staaten aufgrund ihres Engagements für die weltweite Ernährungssicherheit den Export russischer Agrargüter nicht mit Sanktionen belegt. Russlands Agrarexporte haben wieder das Vorkriegsniveau erreicht und lägen ohne die von Russland selbst auferlegten Beschränkungen sogar noch höher.

Nach mehr als 500 Tagen der von Präsident Putin veranlassten brutalen Vollinvasion der Ukraine könnte sich bei einigen ein leichtes Abstumpfungsgefühl gegenüber Russlands unmenschlichem Feldzug einstellen. Aber wir dürfen nicht abstumpfen. Das darf nicht zur Normalität werden. So verhält sich kein verantwortungsbewusstes Land.

Russland muss seine grausamen Handlungen einstellen. Es muss die Lieferung lebensnotwendigen Getreides, das zur Ernährung von Menschen in aller Welt dient, zulassen. Es muss aufhören, Getreidelager und Häfen anzugreifen. Es muss aufhören, Schiffe von nicht am Krieg beteiligten Ländern zu bedrohen. Russland muss aufhören, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen.