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September 29, 2023

Stärke und Zielsetzung der amerikanischen Diplomatie in einem neuen Zeitalter

US-Außenminister Antony J. Blinken

13. September 2023, Johns Hopkins School of Advanced International Studies (SAIS), Washington

 

Vielen Dank. Guten Morgen, allerseits!

Dean Steinberg, Jim, ich danke Ihnen für die Ehre, gemeinsam mit Ihnen allen hier an der SAIS an der Einweihung dieses großartigen neuen Gebäudes teilnehmen zu dürfen.

[…]

Als Paul Nitze vor achtzig Jahren zusammen mit dem damaligen Kongressabgeordneten Chris Herter diese Einrichtung gründete, suchten sie nach einem geeigneten Gebäude dafür.

Die Wahl fiel auf eine verfallene Villa auf der Florida Avenue, in der einmal eine Mädchenschule untergebracht war. Die erste Bibliothek der School of Advanced International Studies wurde in einer alten Basketballhalle eingerichtet. Wie Jim bereits erwähnte, habe ich in den ursprünglichen Gebäuden der SAIS gearbeitet und hatte dabei auch die große, besondere Ehre vorübergehend in Paul Nitzes früherem Büro zu sitzen.

Aber wie Nitze und Herter wussten, sind Gebäude – von den bescheidensten bis zu den atemberaubendsten – eben auch nur das: Gebäude. Es braucht Menschen, die sie mit Ideen und Sinn füllen.

Damals litt die Welt noch unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Die alte Ordnung lag in Trümmern, und Nitze und Herter waren der Meinung, dass diese Institution eine wesentliche Rolle beim Aufbau einer neuen Ordnung spielen sollte. Die Absolventinnen und Absolventen der SAIS haben dieses Versprechen seither eingelöst.

Nun stehen wir an einem weiteren Wendepunkt der Geschichte – wir zerbrechen uns den Kopf über die grundsätzliche Frage der Strategie, wie Nitze sie definiert hat: „Wie kommen wir von dort, wo wir sind, dahin, wo wir sein wollen, ohne, dass uns auf dem Weg eine Katastrophe ereilt?“

Ich möchte heute die Antwort der Regierung Biden auf diese tiefgreifende und grundlegende Frage darlegen.

Fangen wir also damit an, wo wir heute stehen.

Die internationale Landschaft, die Sie alle studieren, unterscheidet sich grundlegend von der, die ich vor 30 Jahren vorfand, als ich gemeinsam mit Herrn Steinberg im öffentlichen Dienst anfing.

Das Ende des Kalten Krieges brachte das Versprechen mit sich, dass wir unaufhaltsam auf dem Weg zu mehr Frieden und Stabilität, internationaler Zusammenarbeit, wirtschaftlicher Interdependenz, politischer Liberalisierung und Menschenrechten voranschreiten würden.

In der Tat hat uns die Zeit nach dem Kalten Krieg bemerkenswerte Fortschritte beschert. Mehr als eine Milliarde Menschen wurden aus Armut befreit. Die Zahl der zwischenstaatlichen Konflikte fiel auf einen historischen Tiefstand. Tödliche Krankheiten wurden eingedämmt oder sogar ausgerottet.

Aber nicht alle profitierten gleichermaßen von den außerordentlichen Gewinnen dieser Zeit. Und diese Ordnung musste etliche Herausforderungen meistern: die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, den Völkermord in Ruanda, den 11. September 2001 und den Irakkrieg, die globale Finanzkrise 2008, Syrien, die Corona-Pandemie – um nur einige zu nennen.

Aber was wir jetzt erleben, ist mehr als eine Bewährungsprobe für die internationale Ordnung nach dem Kalten Krieg. Es ist das Ende dieser Ordnung.

Das geschah nicht über Nacht. Und was uns zu diesem Augenblick geführt hat, wird noch jahrzehntelang Gegenstand von Studien und Debatten sein. Es setzt sich jedoch immer mehr die Erkenntnis durch, dass einige der Grundannahmen, die unsere Herangehensweise in der Zeit nach dem Kalten Krieg geprägt haben, nicht mehr zutreffen.

Jahrzehnte relativer geopolitischer Stabilität sind einem sich verschärfenden Wettbewerb mit autoritären und revisionistischen Mächten gewichen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist die unmittelbarste und akuteste Bedrohung für die internationale Ordnung, die in der UN-Charta und deren Grundprinzipien – Souveränität, territoriale Integrität, staatliche Unabhängigkeit und universelle, unteilbare Menschenrechte des Einzelnen – festgeschrieben ist.

Unterdessen stellt die Volksrepublik China die größte langfristige Herausforderung dar, weil sie nicht nur danach strebt, die internationale Ordnung umzugestalten, sondern auch zunehmend über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, genau das auch zu tun.

Im Rahmen ihrer „grenzenlosen Partnerschaft“ arbeiten Peking und Moskau gemeinsam darauf hin, eine für die Autokratie sichere Welt zu schaffen.

Angesichts dieses zunehmenden Wettbewerbs sichern sich viele Länder ab. Der Einfluss nichtstaatlicher Akteure wächst – von Unternehmen, deren Ressourcen mit denen mancher Regierungen mithalten können, über Nichtregierungsorganisationen, die Dienstleistungen für Hunderte Millionen Menschen erbringen, bis hin zu Terroristen, die in der Lage sind, verheerende Schäden anzurichten, und transnationalen kriminellen Organisationen, die mit illegalen Drogen, Waffen und Menschen handeln.

Es wird immer schwieriger, internationale Zusammenarbeit herbeizuführen. Nicht nur wegen der zunehmenden geopolitischen Spannungen, sondern auch wegen des gewaltigen Ausmaßes globaler Probleme wie der Klimakrise, Ernährungsunsicherheit, Massenmigration und Vertreibung.

Staaten und deren Bevölkerung verlieren aufgrund systemischer Mängel den Glauben an die internationale Wirtschaftsordnung: einige wenige Regierungen, die sich mit regelwidrigen Subventionen, gestohlenem geistigen Eigentum und anderen marktverzerrenden Praktiken unfaire Vorteile in Schlüsselsektoren verschafft haben, Technologie und Globalisierung, die ganze Wirtschaftszweige ausgehöhlt und verdrängt haben, und die Politik, die nicht genug getan hat, um den abgehängten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Gemeinschaften zu helfen.

Und drastisch verschärfte Ungleichheit. Zwischen 1980 und 2020 haben die reichsten 0,1 Prozent das gleiche Vermögen erworben wie die ärmsten 50 Prozent.

Je länger diese Ungleichheiten bestehen, desto mehr Misstrauen und Desillusionierung erzeugen sie bei den Menschen, die das Gefühl haben, das System behandele sie nicht gerecht. Und desto mehr verstärken sie andere Faktoren der politischen Polarisierung – befördert durch Algorithmen, die unsere Vorurteile bestätigen, statt den besten Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.

Demokratien sind zunehmend in Gefahr. Von innen heraus werden sie von gewählten Staats- und Regierungsoberhäuptern angegriffen, die Ressentiments ausnutzen und Ängste schüren, die unabhängige Justiz und die Medien aushebeln, ihre Seilschaften bereichern und hart gegen die Zivilgesellschaft und die politische Opposition vorgehen. Und von außen werden sie von Autokraten angegriffen, die Desinformation verbreiten, Korruption als Waffe einsetzen und sich in Wahlen einmischen.

Schon jede einzelne dieser Entwicklungen wäre für die internationale Ordnung nach dem Kalten Krieg eine ernsthafte Herausforderung gewesen. Zusammengenommen haben sie sie auf den Kopf gestellt.

Wir befinden uns also an einem Punkt, den Präsident Biden einen Wendepunkt nennt. Eine Ära geht zu Ende, eine neue Zeit beginnt, und die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden die Zukunft für die nächsten Jahrzehnte prägen.

Die Vereinigten Staaten übernehmen in dieser entscheidenden Phase aus einer Position der Stärke heraus eine Führungsrolle. Diese Stärke gründet sowohl auf unserer Demut als auch auf unserer Zuversicht.

Demut, weil wir vor Herausforderungen stehen, die kein Land allein bewältigen kann. Weil wir wissen, dass wir uns das Vertrauen einer Reihe von Ländern und Menschen verdienen müssen, die von der alten Ordnung in vielerlei Hinsicht enttäuscht wurden. Weil wir wissen, dass Führung damit beginnt, zuzuhören und gemeinsame Probleme aus der Sicht anderer zu begreifen, sodass wir Gemeinsamkeiten finden können. Und weil wir im eigenen Land vor großen Herausforderungen stehen, die wir überwinden müssen, wenn wir im Ausland eine Führungsrolle übernehmen wollen.

Aber unsere Stärke beruht auch auf Zuversicht, weil wir immer wieder bewiesen haben, dass Amerika alles erreichen kann, wenn wir zusammenfinden. Weil kein anderes Land der Welt andere so gut für eine gemeinsame Sache gewinnen kann wie die Vereinigten Staaten. Weil unser ständiges Bestreben, eine vollkommenere Union zu schaffen, es uns möglich macht, Unzulänglichkeiten zu korrigieren und unsere Demokratie von innen heraus zu erneuern. Und weil unsere Vorstellung von der Zukunft – eine offene, freie, wohlhabende und sichere Welt – nicht nur die Vorstellung der Vereinigten Staaten ist, sondern das ständige Bestreben aller Menschen in allen Ländern auf jedem Kontinent.

Eine Welt, in der alle Menschen frei ihr tägliches Leben führen und ihre Zukunft, ihre Gemeinschaft und ihre Länder selbstbestimmt gestalten können.

Eine Welt, in der jede Nation ihren Weg und ihre Partner selbst wählen kann.

Eine Welt, in der Waren, Ideen und Menschen frei und rechtmäßig zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Cyberraum zirkulieren können, in der Technologie genutzt wird, um Menschen zu stärken – und nicht, um sie zu spalten, zu überwachen und zu unterdrücken.

Eine Welt, in der die Weltwirtschaft von fairem Wettbewerb, Offenheit und Transparenz geprägt ist und Wohlstand nicht nur danach bemessen wird, wie stark die Volkswirtschaften der Länder wachsen, sondern wie viele Menschen an diesem Wachstum teilhaben.

Eine Welt, in der es einen Wettlauf um die besten Arbeits- und Umweltstandards, um die besten Standards in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, Technologie, Sicherheit und Chancen gibt.

Eine Welt, in der das Völkerrecht und die Grundprinzipien der UN-Charta geachtet und die allgemeinen Menschenrechte respektiert werden.

Wir werden unsere Vorstellung verwirklichen und uns dabei von dem aufgeklärten Eigeninteresse leiten lassen, das die Vereinigten Staaten schon lange zu ihren besten Führungsleistungen anspornt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkten wir am Aufbau der internationalen Ordnung mit und investierten in den Fortschritt anderer Staaten und ihrer Bürgerinnen und Bürger Auch wir als mächtigste Nation der Erde hatten verstanden, dass die Aufstellung gemeinsamer globaler Regeln – unter Hinnahme gewisser Einschränkungen – und die Förderung des Erfolgs anderer letztlich mehr Wohlstand, mehr Frieden und mehr Sicherheit bringen würde.

Das ist auch heute noch so. Tatsächlich war das aufgeklärte Eigeninteresse der Vereinigten Staaten am Erhalt und an der Stärkung dieser Ordnung noch nie so groß wie heute.

Unsere Konkurrenten haben allerdings eine grundlegend andere Vorstellung. Sie sehen eine Welt, die von einem einzigen Gebot bestimmt wird: Regimeerhalt und Bereicherung. Eine Welt, in der autoritäre Machthaber die Freiheit haben, ihre Bürgerinnen und Bürger, ihre Nachbarländer und alle anderen, die diesem allumfassenden Ziel im Wege stehen, zu kontrollieren, Zwang auf sie auszuüben und sie zu vernichten.

Unsere Konkurrenten behaupten, die bestehende Ordnung sei vom Westen aufoktroyiert, obwohl die Normen und Werte, auf denen sie beruht, tatsächlich universellen Anspruch haben und im von ihnen selbst unterzeichneten Völkerrecht verankert sind. Sie behaupten, was innerhalb ihrer Grenzen geschehe, sei allein Sache der Regierungen und dass Menschenrechte subjektive Werte seien, die von Gesellschaft zu Gesellschaft variierten. Sie sind der Meinung, große Länder hätten ein Anrecht auf Einflusssphären und dass Macht und geografische Nähe ihnen das Vorrecht gäben, anderen Entscheidungen vorzuschreiben.

Der Kontrast zwischen diesen beiden Vorstellungen könnte nicht deutlicher sein. Und in diesem Wettbewerb, dem wir uns stellen, könnte nicht mehr auf dem Spiel stehen – für die Welt und für die Amerikanerinnen und Amerikaner.

Als Präsident Biden mich bat, das Amt des US-Außenministers zu übernehmen, stellte er klar, dass meine Aufgabe in erster Linie darin bestehen würde, den Erwartungen der Amerikanerinnen und Amerikaner gerecht zu werden. Er bestand darauf, dass wir zwei grundlegende Fragen beantworten: Wie kann das Engagement der Vereinigten Staaten uns im Ausland und Zuhause stärker machen? Wie können wir die innere Erneuerung der Vereinigten Staaten nutzen, um nach außen hin stärker zu werden?

Unsere Antworten auf diese Fragen haben die Strategie von US-Präsident Biden vom ersten Tag an geprägt.

Wir haben damit begonnen, im Inland zu investieren, damit die Vereinigten Staaten in der stärksten Position sind, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein und führen zu können. George Kennan ruft uns in Erinnerung: „Vieles hängt von der Gesundheit und Vitalität unserer eigenen Gesellschaft ab.“ Präsident Biden und unser Kongress haben die seit Generationen größten Investitionen der Vereinigten Staaten in die Stärkung unserer Gesundheit und Vitalität getätigt. Wir modernisieren unsere Infrastruktur, fördern die Forschung, unterstützen die Schlüsselindustrien und -technologien des 21. Jahrhunderts, stärken unsere Produktionsbasis und übernehmen bei der globalen Energiewende eine Führungsrolle.

Mehr als je zuvor während meiner beruflichen Laufbahn, mehr als je zuvor in meinem Leben sind unsere Innen- und Außenpolitik vollständig aufeinander abgestimmt, nicht zuletzt dank des Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan, der eine führende Rolle bei der Ausarbeitung unserer modernen Industrie- und Innovationsstrategie und deren Abstimmung mit unserer Außenpolitik gespielt hat.

Unsere innere Erneuerung stärkt unsere internationale Führungsrolle und umgekehrt. Und hier kommen Stärke und Zielsetzung der amerikanischen Diplomatie ins Spiel. Im Mittelpunkt unserer Strategie steht die Neueinbindung, Neubelebung und Neugestaltung unseres größten strategischen Vorteils: die Bündnisse und Partnerschaften der Vereinigten Staaten von Amerika.

Wir arbeiten zielstrebig und mit Nachdruck daran, unsere Freundschaften zu vertiefen, zu erweitern und neu auszurichten, damit wir die drei entscheidenden Herausforderungen dieses neuen Zeitalters meistern können: ein heftiger und andauernder strategischer Wettbewerb, globale Herausforderungen, die weltweit Leben und Existenzgrundlagen bedrohen, und die dringende Notwendigkeit, unsere technologische und wirtschaftliche Zukunft neu zu justieren, damit unsere gegenseitige Abhängigkeit eine Stärke und keine Schwäche ist.

Wir tun dies, indem wir das nutzen, was ich gerne als diplomatische variable Geometrie bezeichne. Wir beginnen mit dem Problem, das wir lösen müssen, und arbeiten von dort aus rückwärts – wir stellen die Gruppe von Partnern zusammen, die die richtige Größe und die richtige Form hat, um das Problem zu lösen. Wir suchen bewusst nach der Kombination, die wirklich für den Zweck geeignet ist.

Solche Koalitionen existieren nicht in einem Vakuum. Der Aufbau und die Stärkung jeder einzelnen Gruppe bringt Fähigkeiten ein, die in dem riesigen Netzwerk von Partnern der Vereinigten Staaten genutzt werden können. Je mehr Koalitionen wir bilden, desto mehr neue Synergien entstehen zwischen ihnen und untereinander, auch in Formen, die wir vielleicht nicht vollständig vorausgesehen haben. Zusammen ist das Ganze viel größer als die Summe seiner Teile.

Andere Demokratien waren schon immer unsere erste Anlaufstelle für Zusammenarbeit. Das werden sie auch immer bleiben. Aus diesem Grund hat Präsident Biden zwei Demokratiegipfel einberufen, bei denen führende Vertreterinnen und Vertreter großer und kleiner, junger und etablierter Demokratien zusammenkommen, um sich den Herausforderungen zu stellen, denen wir uns gemeinsam gegenübersehen.

Aber bei einigen zentralen Anliegen werden wir nicht weiterkommen, wenn wir es allein oder nur mit unseren demokratischen Freunden versuchen. Viele Themen erfordern einen breiteren Kreis potenzieller Partner, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass wir zu mehr Ländern stärkere Beziehungen aufbauen können.

Wir sind also entschlossen, mit jedem Land zusammenzuarbeiten, auch mit Ländern, mit denen wir in wichtigen Fragen nicht einer Meinung sind, solange sie etwas für ihre Bürgerinnen und Bürger erreichen, zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen beitragen und die internationalen Normen, die wir gemeinsam aufgebaut haben, aufrechterhalten wollen. Dabei geht es nicht nur um die Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen, sondern auch mit den Kommunalverwaltungen, der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor, der Wissenschaft und den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den jungen Führungskräften.

Das ist der Kern unserer Strategie, die uns von dort, wo wir sind, dahin führen soll, wo wir sein müssen. Wir verfolgen diese Strategie im Wesentlichen auf vier Arten.

Erstens erneuern und vertiefen wir unsere Bündnisse und Partnerschaften und bauen neue auf.

Es ist erst einige Jahre her, dass die Fähigkeiten und die Bedeutung der NATO – und das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zu ihr – offen in Frage gestellt wurden. Heute ist das Bündnis größer, stärker und geeinter als je zuvor. Wir haben mit Finnland ein unglaublich leistungsstarkes neues Mitglied aufgenommen, Schweden wird bald beitreten, und die Türen der NATO bleiben offen. Wir haben unsere Abschreckungs- und Verteidigungshaltung gestärkt, unter anderem durch die Aufstellung von vier neuen multinationalen Bataillonen an der Ostflanke der NATO und die Erhöhung unserer Verteidigungsinvestitionen, um neuen Herausforderungen – von Cyberangriffen bis zum Klimawandel – zu begegnen.

Wir machen die G7 zu einem Lenkungsausschuss für die fortschrittlichsten Demokratien der Welt und bündeln unsere politischen und wirtschaftlichen Kräfte, nicht nur, um die Probleme anzugehen, die unsere Bürgerinnen und Bürger betreffen, sondern auch, um den Ländern außerhalb der G7 bessere Möglichkeiten zu bieten, den Erwartungen ihrer Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden.

In unseren Beziehungen zur Europäischen Union haben wir unsere Ziele höher gesteckt. Gemeinsam machen wir 40 Prozent der Weltwirtschaft aus. Wir nutzen diese Macht, um unsere technologische und wirtschaftliche Zukunft so zu gestalten, dass sie unsere gemeinsamen demokratischen Werte widerspiegelt.

Wir heben die entscheidenden bilateralen Beziehungen auf eine neue Ebene.

Unser jahrzehntelanges Bündnis mit Japan ist stärker und einflussreicher als je zuvor, und wir erschließen neue Betätigungsfelder, von der Raumfahrt bis zum Quantencomputing.

Mit der Republik Korea haben wir die Washingtoner Erklärung unterzeichnet, die unsere Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren aus Nordkorea stärkt, und mit Israel die Jerusalemer Erklärung, in der wir unser Bekenntnis zur Sicherheit Israels bekräftigen – und dafür, alle Elemente amerikanischer Macht einzusetzen, um zu gewährleisten, dass Iran niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangt.

Mit unseren Verbündeten Australien und den Philippinen haben wir neue Vereinbarungen über die Stationierung und das Einsatzkonzept von Streitkräften getroffen.

Die strategische Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Indien war noch nie so dynamisch wie heute, da wir von hochentwickelten Halbleitern bis hin zu Verteidigung in allen Bereichen zusammenarbeiten.

Und erst vor wenigen Tagen hat Präsident Biden in Hanoi eine neue, umfassende strategische Partnerschaft mit Vietnam besiegelt.

Wir haben die regionale Integration vorangetrieben. Im Nahen Osten haben wir sowohl jüngere als auch schon seit Jahrzehnten bestehende Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten vertieft, und wir arbeiten daran, neue Beziehungen aufzubauen, unter anderem auch zu Saudi-Arabien.

In unserer eigenen Hemisphäre – in der wir die größte Massenmigration und Vertreibung der Geschichte erleben – haben wir 20 Länder (Tendenz steigend) für eine regionale Strategie gewonnen, die eine sichere, geordnete und humane Migration gewährleisten und gleichzeitig die Ursachen bekämpfen soll, die Menschen überhaupt erst dazu veranlassen, ihre Heimat zu verlassen.

Präsident Biden hat Staats- und Regierungsoberhäupter Nord- und Südamerikas, Südostasiens, Afrikas und von den Pazifischen Inseln zu Gipfeltreffen eingeladen, um transformative Partnerschaften zu fördern.

Zweitens knüpfen wir unsere Bündnisse und Partnerschaften auf innovative Art und Weise und so, dass sie sich gegenseitig verstärken – themenübergreifend und transkontinental.

Führen Sie sich nur einmal kurz vor Augen, wie wir verschiedene Bündnisse und Partnerschaften gebildet haben, um die Ukraine angesichts des groß angelegten russischen Angriffskriegs zu unterstützen.

Unter der Führung von US-Verteidigungsminister Austin arbeiten mehr als 50 Länder zusammen, um die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen und ukrainische Streitkräfte aufzubauen, die stark genug sind, um künftige Angriffe abzuschrecken und abzuwehren.

Wir haben zahlreiche Länder dafür gewonnen, eine Reihe beispielloser Sanktionen und Exportkontrollen gegen Russland zu verhängen und dem Land wirtschaftliche Kosten aufzuerlegen.

Mehrfach haben wir 140 Staaten bei den Vereinten Nationen – mehr als zwei Drittel aller Mitgliedsstaaten – zusammengeführt, um die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu bekräftigen und Russlands Aggression und Gräueltaten zu verurteilen.

Wir haben Geldgeber, Philanthropen und humanitäre Gruppen mobilisiert, um Millionen vertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainern lebensnotwendige Hilfe zukommen zu lassen.

Wir stimmen uns mit den G7, der Europäischen Union und Dutzenden weiteren Ländern ab, um die Volkswirtschaft der Ukraine zu stützen und ihr Energienetz wieder aufzubauen, das Russland mehr als zur Hälfte zerstört hat.

So sieht variable Geometrie aus: Für jedes Problem stellen wir eine zweckmäßige Koalition zusammen.

Dank der bemerkenswerten Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer und dank unserer Unterstützung ist Putins Krieg für Russland weiterhin ein strategischer Misserfolg. Wir wollen, dass die Ukraine nicht nur überlebt, sondern eine lebendige, erfolgreiche Demokratie wird, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Zukunft selbst gestalten und auf eigenen Füßen stehen können.

Früher waren manche der Auffassung, die internationale Ordnung sei nur in der einen oder anderen Region bedroht. Das ist jetzt anders. Die Invasion Russlands hat deutlich gemacht, dass ein Angriff auf die internationale Ordnung, unabhängig davon, wo er stattfindet, den Menschen überall auf der Welt schadet. Wir haben diese Erkenntnis genutzt, um unsere transatlantischen und indopazifischen Verbündeten zur Verteidigung unserer gemeinsamen Sicherheit, unseres Wohlstands und unserer Freiheit enger zusammenzubringen.

Als Russland im Winter die Öl- und Gaslieferungen nach Europa einstellte, um so die Unterstützung für die Ukraine zu hemmen, taten sich Japan und Korea mit den führenden Flüssiggasproduzenten in den Vereinigten Staaten zusammen, um sicherzustellen, dass die Europäerinnen und Europäer die nötige Energie erhalten, um den ganzen Winter über heizen zu können. Japan, Korea, Australien und Neuseeland nehmen nun regelmäßig und aktiv an NATO-Treffen teil.

Unterdessen haben sich europäische Länder, Kanada und andere unseren Verbündeten und Partnern in Asien angeschlossen und ihre Werkzeuge zur Abwehr wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen der VR China geschärft. Die Verbündeten und Partner der Vereinigten Staaten arbeiten in allen Regionen mit Nachdruck daran, widerstandsfähige Lieferketten aufzubauen, insbesondere wenn es um Schlüsseltechnologien und die zu ihrer Herstellung benötigten kritischen Materialien geht.

Wir haben eine neue Sicherheitspartnerschaft – AUKUS – mit Australien und dem Vereinigten Königreich ins Leben gerufen, um moderne atomgetriebene U-Boote zu bauen und unsere gemeinsame Arbeit an KI, Quantencomputing und anderen Spitzentechnologien voranzutreiben.

Nach dem ersten trilateralen Führungsgipfel zwischen den Vereinigten Staaten, Japan und Korea letzten Monat in Camp David heben wir jeden Aspekt unserer Beziehungen auf eine neue Stufe – von der Intensivierung gemeinsamer Militärübungen über den Austausch geheimdienstlicher Erkenntnisse bis hin zur Abstimmung unserer globalen Infrastrukturinvestitionen.

Wir haben die Quad-Partnerschaft mit Indien, Japan und Australien ausgebaut, um für unsere Länder und die ganze Welt in allen Bereichen, von der Herstellung von Impfstoffen über die Stärkung der maritimen Sicherheit bis hin zur Bekämpfung des Klimawandels, konkrete Fortschritte zu erzielen.

Als ich voriges Jahr die Chinastrategie der Regierung – „investieren, abstimmen, konkurrieren“ – dargelegt habe, haben wir zugesagt, mit unserem Netzwerk von Verbündeten und Partnern mit gleicher Zielsetzung zusammenzuarbeiten. Objektiv betrachtet, sind wir jetzt besser aufeinander abgestimmt und handeln koordinierter als je zuvor.

Das ermöglicht es uns, unseren Wettbewerb mit China aus einer Position der Stärke heraus zu gestalten und gleichzeitig offene Kommunikationskanäle zu nutzen, um unsere Anliegen deutlich, glaubhaft und mit der Unterstützung von Freunden vorzubringen, unser Engagement für Zusammenarbeit in Fragen zu demonstrieren, die uns weltweit am meisten beschäftigen, und das Risiko von Fehleinschätzungen zu minimieren, die Konflikte nach sich ziehen könnten.

Drittens gehen wir neue Koalitionen ein, um die schwierigsten gemeinsamen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.

Dazu gehört die Schließung von Lücken in der Infrastruktur.

In fast allen Ländern, in die ich reise, erfahre ich von Projekten, die die Umwelt zerstören und Baumängel aufweisen, für die Arbeiter ins Land gebracht oder schlecht behandelt werden, die Korruption fördern und eine untragbare Schuldenlast mit sich bringen.

Natürlich würden die meisten Länder transparente, hochwertige und umweltfreundliche Investitionen bevorzugen. Nur haben sie nicht immer die Wahl. Wir arbeiten mit unseren G7-Partnern darauf hin, ihnen eine Alternative zu bieten.

Gemeinsam haben wir zugesagt, im Rahmen der Partnerschaft für Globale Infrastruktur (Partnership of Global Infrastructure – PGI) bis 2027 600 Milliarden US-Dollar für neue Investitionen bereitzustellen. Die Unterstützung unserer Regierung konzentriert sich auf Bereiche, in denen die Verringerung von Risiken weitere Hunderte Milliarden an Investitionen des Privatsektors freisetzen wird.

Ich gebe Ihnen ein paar kurze Beispiele dafür, wie wir das machen. Wir tätigen eine Reihe von transformativen Investitionen im Lobito-Korridor, ein Entwicklungsgebiet, das vom angolanischen Hafen Lobito über die Demokratische Republik Kongo bis nach Sambia reicht und durch einen neuen Hafen, neue Bahnlinien und Straßen, neue umweltfreundliche Energieprojekte und neues, schnelles Internet besser angebunden wird.

Das Projekt wird 500 Megawatt an Energie liefern, genug, um mehr als zwei Millionen Menschen mit Strom zu versorgen, rund 900.000 Tonnen an Kohlendioxidemissionen einzusparen, Arbeitsplätze für Tausende Afrikanerinnen und Afrikaner zu schaffen, zudem Tausende weitere für Amerikanerinnen und Amerikaner, und kritische Mineralien wie Kupfer und Kobalt auf die Weltmärkte zu bringen.

Als ich im vergangenen Jahr in Kinshasa war, sagte Präsident Tshisekedi mir, dass Lobito eine Chance biete, auf die man schon sehr lange gewartet habe – die Chance, sich aus den ausbeuterischen Rohstoffabkommen zu lösen, die die Demokratische Republik Kongo schon viel zu lange hinnehmen musste.

Erst letzte Woche beim G20-Treffen kündigten Präsident Biden und der indische Premierminister Modi an, dass ein weiterer, ambitionierter Transport-, Energie- und Technologiekorridor Häfen in Asien, im Nahen Osten und in Europa verbinden soll. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Frankreich, Deutschland, Italien und die EU werden sich mit den Vereinigten Staaten und Indien zusammentun, um die Erzeugung sauberer Energie anzukurbeln, digitale Konnektivität voranzutreiben und kritische Lieferketten in der gesamten Region zu stärken.

Diese und andere Bemühungen zum Aufbau der Infrastruktur in Entwicklungsländern sind letztlich Investitionen in unsere eigene Zukunft und schaffen stabilere und wohlhabendere Partner für die Vereinigten Staaten, mehr Märkte für amerikanische Arbeitskräfte, Unternehmen und Investoren sowie einen nachhaltigeren Planeten für unsere Kinder.

Wenn wir für unsere Partner mehr zu bieten haben, ist das auch für die Vereinigten Staaten ein Gewinn.

Das Gleiche gilt für unsere Führungsrolle bei der Bewältigung der Welternährungskrise.

Mehr als 700 Millionen Menschen sind von Ernährungsunsicherheit betroffen, die durch die Corona-Pandemie, den Klimawandel und Konflikte noch verschärft wurde, zumal Russland nun die Getreidelieferungen aus der Ukraine, der Kornkammer der Welt, behindert.

Ich hatte die Gelegenheit, mit führenden Politikerinnen und Politikern aus Ländern zu sprechen, die von dieser Krise am stärksten betroffen sind. Sie haben mir Folgendes klargemacht: Ja, sie brauchen Soforthilfe. Aber was sie sich wirklich wünschen, sind Investitionen in die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft, in Erneuerung und wirtschaftliche Unabhängigkeit, damit sie nicht noch einmal in eine Krise wie diese geraten. Wir arbeiten partnerschaftlich mit ihnen zusammen, um genau das zu erreichen, gemeinsam mit mehr als 100 Ländern, die mit ihrer Unterschrift einem globalen Aktionsplan zugestimmt haben.

Und wir gehen mit gutem Beispiel voran.

Die Vereinigten Staaten sind weltweit der größte Geber für das UN-Welternährungsprogramm, denn wir stellen rund die Hälfte des Jahresbudgets. Russland und China? Jeweils weniger als ein Prozent.

Seit 2021 haben die Vereinigten Staaten außerdem mehr als 17,5 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit und ihrer Ursachen bereitgestellt. Darin enthalten sind jährlich mehr als eine Milliarde US-Dollar für Feed the Future, dem Aushängeschild des US-Amts für internationale Entwicklung (USAID), einer Partnerschaft mit 40 Ländern zur Stärkung der Ernährungssysteme. Dazu gehört aber auch unsere Unterstützung für VACS – ein neues Programm, das wir gemeinsam mit der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen ins Leben gerufen haben, um die nährstoffreichsten afrikanischen Nutzpflanzen zu ermitteln, die klimaresistentesten Sorten zu züchten und die Böden zu verbessern, auf denen sie wachsen.

Je mehr Länder ihre eigene Bevölkerung ernähren können, desto wohlhabendere und stabilere Partner werden sie sein. Andere Länder können ihnen dann nicht so einfach Nahrungs- und Düngemittel vorenthalten, sie benötigen weniger internationale Unterstützung, das weltweite Nahrungsmittelangebot wird reichhaltiger und die Preise auf den Weltmärkten sinken, auch in den Vereinigten Staaten.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir bei neuen Technologien wie der künstlichen Intelligenz.

Im Juli kündigte Präsident Biden eine Reihe neuer Selbstverpflichtungen an, die sieben führende KI-Unternehmen zur Entwicklung sicherer und vertrauenswürdiger KI-Systeme eingegangen sind. Und erst gestern haben sich acht weitere führende Unternehmen angeschlossen.

Diese Verpflichtungen bilden die Grundlage für unsere Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Partnern bei der Erarbeitung eines internationalen Konsenses über die Minimierung von Risiken und die Maximierung des Potenzials rascher KI-Fortschritte.

Wir beginnen mit unseren engsten Partnern wie der G7, im Rahmen derer wir gemeinsame Regulierungsgrundsätze sowie einen internationalen Verhaltenskodex für privatwirtschaftliche Akteure und Regierungen erarbeiten, die fortschrittliche KI entwickeln, und mit Partnern wie Großbritannien, das einen globalen Gipfel zur KI-Sicherheit einberuft, um längerfristige Risiken besser erkennen und mindern zu können.

Damit diese Normen dann auch wirken, müssen wir ein breites Spektrum von Stimmen und Ansichten in die Diskussion einbringen, einschließlich die der Entwicklungsländer. Wir verpflichten uns genau das zu tun.

Es ist unerlässlich, den Einsatz von KI zu gestalten, wenn wir den Wettbewerbsvorteil der Vereinigten Staaten in dieser Technologie erhalten und auch KI-Innovationen fördern wollen, die den Menschen überall zugutekommen, beispielsweise bei der Vorhersage des individuellen Risikos tödlicher Krankheiten oder bei der Vorhersage der Auswirkungen stärkerer und häufiger auftretender Stürme. Dieser Gedanke liegt dem Treffen nächste Woche bei der UN-Vollversammlung zugrunde, zu dem ich Regierungen, Technologieunternehmen und die Zivilgesellschaft eingeladen habe, damit wir KI gezielt zur Förderung der Ziele für nachhaltige Entwicklung einsetzen.

Ich möchte noch ein letztes Beispiel dafür anführen, wie wir eine neue Koalition zur Lösung eines Problems eingehen, das viele Menschen wahrscheinlich nicht als außenpolitisches Problem betrachten: synthetische Drogen.

Allein im letzten Jahr starben fast 110.000 Amerikanerinnen und Amerikaner an einer Überdosierung solcher Drogen. Zwei Dritteln dieser Todesfälle waren auf synthetische Opioide zurückzuführen. Damit sind sie die häufigste Todesursache bei Amerikanerinnen und Amerikanern im Alter von 18 bis 49 Jahren. Diese Krise hat die Vereinigten Staaten allein im Jahr 2020 fast 1,5 Billionen US-Dollar gekostet, ganz zu schweigen von dem Leid, das sie den Familien und Gemeinden im ganzen Land zufügt.

Und das betrifft nicht nur die Vereinigten Staaten. Weltweit nimmt die Nutzung synthetischer Drogen alarmierend zu, und kein Land kann dieses Problem allein lösen.

Deshalb haben wir eine neue globale Koalition ins Leben gerufen, die zum Ziel hat, die illegale Herstellung von und den Handel mit synthetischen Drogen zu unterbinden, neu auftretende Gefahren und Konsummuster zu erkennen und Gegenmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu fördern. Mehr als 100 Regierungen und ein Dutzend internationaler Organisationen haben sich dieser Koalition angeschlossen. Wir legen gemeinsame Prioritäten fest, ermitteln wirksame Maßnahmen und binden Gesundheitsdienstleister, Arzneimittelhersteller, Soziale Medien und andere wichtige Interessengruppen in unsere Arbeit ein. Wir werden nächste Woche in New York zusammenkommen, um diese Arbeit weiter zu vertiefen.

Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Bereiche, in denen wir Koalitionen eingehen oder aufrechterhalten. Wir nutzen sie auch, um Bedrohungen für unsere Sicherheit abzuwenden: von der multinationalen Militärmission, die wir zum Schutz der Schiffe in der Straße von Hormus eingerichtet haben, bis hin zu der seit vielen Jahren bestehenden Allianz, die wir zur Bekämpfung der IS-Terrormiliz gebildet haben.

Wir arbeiten weiterhin mit Regierungen, regionalen Organisationen und Bürgerinnen und Bürgern zusammen, um auf diplomatische Lösungen für neue und alte Konflikte zu drängen – von Äthiopien und dem Osten der Demokratischen Republik Kongo über Armenien und Aserbaidschan bis hin zum Jemen, wo wir geholfen haben, einen fragilen Waffenstillstand auszuhandeln und aufrechtzuerhalten.

Unsere Vermittlung hat Israel und dem Libanon geholfen, ein historisches Abkommen zur Festlegung einer Seegrenze zwischen ihren Ländern zu schließen, das die Erschließung bedeutender Energiereserven zum Wohle der Menschen in beiden Ländern und darüber hinaus ermöglicht.

Je mehr Verbündete und Partner wir zusammenbringen, um bei entscheidenden Themen wie Infrastruktur, Ernährungssicherheit, künstliche Intelligenz, synthetische Drogen und bei neuen und alten Konflikten echte Fortschritte zu erzielen, desto attraktiver ist unser Angebot.

Nehmen Sie eine beliebige Herausforderung der jüngsten Zeit, bei der Nationen aus aller Welt von einflussreichen Ländern Führung erwartet haben. Bestenfalls standen unsere Konkurrenten am Rand und hielten ihre Scheckbücher geschlossen. Schlimmstenfalls haben sie die Probleme noch verschlimmert und vom Leid anderer profitiert: Sie haben für den Verkauf von Impfstoffen politische Zugeständnisse erzwungen. Sie haben Söldner eingesetzt, die instabile Orte noch unsicherer machen, lokale Ressourcen komplett aufbrauchen und Gräueltaten begehen. Sie haben den Zugang zu grundlegenden Dingen wie Wärme, Treibstoff, Lebensmitteln und Technologie als Druckmittel verwendet, um zu drohen und Zwang auszuüben.

An diesem entscheidenden Wendepunkt zeigen wir, wer wir sind. Unsere Konkurrenten tun das auch.

Und zu guter Letzt bringen wir unsere alten und neuen Bündnisse zusammen, um die internationalen Institutionen zu stärken, die für die Bewältigung globaler Herausforderungen unerlässlich sind.

Das fängt damit an, dass man präsent ist. Wenn die Vereinigten Staaten mit am Tisch sitzen, können sie die internationalen Institutionen und die von ihnen geschaffenen Normen so gestalten, dass sie die Interessen und Werte der Amerikanerinnern und Amerikaner widerspiegeln und unsere Vorstellung von der Zukunft fördern.

Nach seinem Amtsantritt handelte Präsident Biden schnell und trat dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation wieder bei. Wir haben wieder einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Vor kurzem sind wir der UNESCO wieder beigetreten, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die bei der Gestaltung von KI-Normen eine wichtige Rolle spielen wird.

Wir haben uns nachdrücklich um die Wahl der qualifiziertesten Führungskräfte für die Leitung internationaler, normgebender Organisationen bemüht, wie die Internationale Fernmeldeunion der Vereinten Nationen und die Internationale Organisation für Migration. Die beiden Amerikanerinnen, die sich durchgesetzt haben, sind nicht nur am besten für das Amt geeignet, sie sind auch die ersten Frauen an der Spitze ihrer jeweiligen Institution.

Diese Institutionen mögen nicht perfekt sein, aber es gibt keinen Ersatz für die Legitimität und die Fähigkeiten, die sie in Fragen, die für unsere Bürger wichtig sind, zum Tragen bringen. Wir haben also ein ureigenes Interesse an der Arbeit im Rahmen dieser Institutionen und daran, sie nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für alle besser zu machen.

Je mehr Menschen und Nationen auf der ganzen Welt sehen, dass die Vereinten Nationen und ähnliche Organisationen ihre Interessen, ihre Werte und ihre Hoffnungen vertreten, desto effektiver werden diese Institutionen sein und desto mehr können wir uns auf sie verlassen.

Deshalb haben wir eine positive Perspektive für die Erweiterung des UN-Sicherheitsrats dargelegt, damit vielfältigere Sichtweisen aus verschiedenen Regionen Eingang finden – unter anderem auch die der neuen ständigen und nichtständigen Mitglieder aus Afrika, Lateinamerika und der Karibik.

Unter Federführung von US-Finanzministerin Yellen haben wir einen Vorstoß zur Wiederbelebung und Reform der multilateralen Entwicklungsbanken unternommen, damit sie den dringenden Bedürfnissen der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gerecht werden können, die mit einer ganzen Flut von Herausforderungen konfrontiert sind: die zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, Inflation und erdrückende Schulden.

Präsident Biden arbeitet mit dem Kongress zusammen, um die Kreditvergabekapazitäten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zu erhöhen, damit für Investitionen in den Klimaschutz, in die öffentliche Gesundheit und andere wichtige Themen in diesen Ländern mehr Finanzmittel zu günstigeren Zinssätzen bereitgestellt werden können.

Zusammen würden diese von den Vereinigten Staaten angeführten Initiativen Kredite in Höhe von fast 50 Milliarden US-Dollar für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ermöglichen.

Und dank unseres starken Engagements wird die Weltbank den Ländern bald die Möglichkeit geben, ihre Schuldentilgung nach Klimaschocks und Naturkatastrophen aufzuschieben.

Wenn wir die internationalen Institutionen stärken – und wenn sie ihr zentrales Versprechen einlösen, Sicherheit zu gewährleisten, mehr Chancen zu bieten und Rechte zu schützen –, dann schaffen wir eine breitere Allianz aus Bürgerinnen, Bürgern und Ländern, die die internationale Ordnung als etwas ansehen, das ihr Leben wirklich verbessert und das es verdient, aufrechterhalten und verteidigt zu werden.

Wenn also die Beijings und Moskaus dieser Welt versuchen, die Pfeiler des multilateralen Systems umzuformen oder einzureißen, wenn sie fälschlicherweise behaupten, dass die Ordnung nur existiert, um die Interessen des Westens auf Kosten anderer zu fördern, dann wird ein immer größerer globaler Chor von Nationen und Menschen aufstehen und sagen: Nein, das System, das Sie zu ändern versuchen, ist unser System; es dient unseren Interessen.

Und wenn die Amerikanerinnen und Amerikaner fragen, was wir als Gegenleistung für unsere Investitionen im Ausland bekommen, können wir auf handfeste positive Effekte für amerikanische Familien und Gemeinden verweisen, obwohl wir weniger als ein Prozent unseres Bundeshaushalts für Diplomatie und globale Entwicklung ausgeben.

Zu diesen positiven Effekten gehören mehr Märkte für amerikanische Arbeitskräfte und Unternehmen, erschwinglichere Waren für amerikanische Verbraucher, zuverlässigere Lebensmittel- und Energieversorgung für amerikanische Haushalte, was zu geringeren Ausgaben an der Tankstelle und im Supermarkt führt, robustere Gesundheitssysteme, die tödliche Krankheiten aufhalten und bekämpfen können, bevor sie die Vereinigten Staaten erreichen, mehr Verbündete und Partner, die Angriffe wirksamer abwehren und gemeinsam mit uns globale Herausforderungen angehen.

Aus diesen und vielen anderen Gründen übersteigt der Nutzen der internationalen Ordnung für die Vereinigten Staaten die Investitionen in diese Ordnung bei Weitem.

In dieser entscheidenden Zeit ist die globale Führungsrolle der Vereinigten Staaten keine Last. Sie ist eine Notwendigkeit, um unsere Freiheit, unsere Demokratie und unsere Sicherheit zu schützen, um Chancen für amerikanische Arbeitskräfte und Unternehmen zu schaffen und um den Amerikanerinnen und Amerikanern ein besseres Leben zu ermöglichen.

Dean Acheson, US-Außenminister nach dem Zweiten Weltkrieg, merkte in seinem Bericht über diese Zeit an, dass „Geschichte rückwärts geschrieben, aber vorwärts gelebt wird“.

Acheson schrieb natürlich über einen anderen Wendepunkt, aber seine Worte gelten für jede Zeit tiefgreifender Ungewissheit und großer Risiken, auch für die gegenwärtige.

Im Nachhinein erscheinen die richtigen Entscheidungen oft offensichtlich und die Ergebnisse fast unvermeidlich.

Aber das sind sie nie.

In dem aktuellen Moment ist alles in Nebel gehüllt. Regeln, die ein Gefühl von Ordnung, Stabilität und Vorhersehbarkeit vermittelten, können in dem Augenblick nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Jede Handlung birgt Risiken, unkontrollierbare Strömungen, unzählige Menschenleben stehen auf dem Spiel.

Doch selbst in solchen Zeiten – ja, gerade in diesen Zeiten – können politische Entscheidungsträger es sich nicht leisten, abzuwarten, dass sich der Nebel lichtet, bevor sie eine Entscheidung treffen.

Wir müssen handeln und zwar entschlossen.

Wir müssen die Geschichte „vorwärts leben“ – wie Acheson es tat, wie Brzezinski es tat, wie es all die anderen großen Strategen getan haben, die die Vereinigten Staaten durch diese entscheidenden Zeiten geführt haben.

Wir müssen das Steuerrad der Geschichte in die Hand nehmen und einen Kurs in die Zukunft einschlagen, der von den Faktoren geleitet wird, die auch in unsicheren Zeiten sicher sind – unsere Grundsätze, unsere Partner, unsere Vorstellung davon, wohin wir wollen –, damit sich die Welt, wenn sich der Nebel lichtet, in Richtung Freiheit, Frieden und in Richtung einer internationalen Gemeinschaft bewegt, die sich den Herausforderungen ihrer Zeit stellen kann.

Niemand versteht das besser als Präsident Biden. Dank der Maßnahmen, die er ergriffen hat, befinden sich die Vereinigten Staaten international in einer wesentlich stärkeren Position als noch vor zweieinhalb Jahren.

Wenn die Geschichte der heutigen Zeit in einigen Jahrzehnten – vielleicht von einigen von Ihnen – geschrieben wird, wird sich meiner Überzeugung nach zeigen, dass die Art und Weise, wie wir gehandelt haben – entschlossen, strategisch, bescheiden und zuversichtlich, die Stärke und die Zielsetzung der US-Diplomatie neu definieren zu können – die Zukunft der Vereinigten Staaten gesichert hat, dass wir für unsere Bürgerinnen und Bürger etwas geleistet haben, die Grundlage für ein freieres, offeneres, wohlhabenderes Zeitalter gelegt haben – für die Amerikanerinnen und Amerikaner ebenso wie für alle Menschen auf der Welt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank.

Originaltext: Secretary Antony J. Blinken Remarks to the Johns Hopkins School of Advanced International Studies (SAIS) “The Power and Purpose of American Diplomacy in a New Era”