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Februar 24, 2023

Transatlantische Solidarität und Russlands Krieg gegen die Ukraine

Ambassador Gutmann at DGAP
Ambassador Gutmann’s keynote speech about the transatlantic commitment to support Ukraine and to push back against Russian aggression.

Am Vorabend des Jahrestags des russischen Einmarschs in die Ukraine veranstaltete die Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin eine Podiumsdiskussion zur transatlantischen Unterstützung der Ukraine. Die Keynote von US-Botschafterin Dr. Amy Gutmann haben wir übersetzt.

Vielen Dank, Herr Bialecki, für die freundliche Einführung, und vielen Dank an die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik für die Ausrichtung dieser wichtigen Diskussion heute Abend.

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde, ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung dieser Veranstaltung und dieses unsere Zeit prägenden Themas.

Meine Damen und Herren, morgen jährt sich erstmals der Beginn des brutalen Krieges Putins in der Ukraine, des größten Landkriegs in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir sollten nicht vergessen, dass die Ukraine wie Deutschland ein souveräner, demokratischer, europäischer Staat ist, der für niemanden eine Bedrohung darstellt. Die russische Desinformation will die Welt an diesen einfachen Fakten zweifeln lassen – doch wir wissen es besser.

In diesem Krieg hat ein einzelner staatlicher Akteur – Russland – die Regeln und Normen in Frage gestellt, die Menschen auf der ganzen Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Sicherheit und Wohlstand in bis dahin ungekanntem Ausmaß ermöglicht haben. Diese Bedrohung betrifft uns alle, weil Putin an jedem der vergangenen 365 Tage entschieden hat, diesen brutalen, sinnlosen, illegalen Krieg fortzusetzen.

Meine Botschaft heute Abend lautet: In einem Jahr kann sich viel verändern.

Die zahllosen Akte russischer Aggression gegen die Menschen in der Ukraine sind ungeheuerlich. Das physische Ausmaß der Brutalität ist erschütternd, und die moralischen Kosten der russischen Aggression sind noch höher.

Von den ersten Tagen dieses ungerechtfertigten Krieges an haben russische Streitkräfte und Söldner ohne Scham Gräueltaten und ohne jegliche Schuldgefühle Kriegsverbrechen begangen.  Ihre illegalen Handlungen sind Angriffe auf unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Menschlichkeit. Unsere gemeinsamen Werte verlangen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um alle für diese Verbrechen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Es darf keine Straffreiheit geben.

Auch die russische Bevölkerung spürt die Auswirkungen dieses sinnlosen Krieges – Putins Angriffskrieges. Entgegen der Äußerungen Präsident Putins diese Woche ist es nicht das Ziel der Vereinigten Staaten und der europäischen Länder, Russland zu kontrollieren oder zu zerstören.

Vor einem Jahr verkündete US-Vizepräsidentin Harris auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass „wir in diesem entscheidenden Augenblick zusammenkommen, in dem alle Augen auf die Ukraine gerichtet sind“. Als Putin seine Truppen auf- und die Ukraine umstellte, war Vielen seine Absicht nicht klar. Würden unsere größten Bemühungen reichen, um Moskau zur Vernunft zu bringen? Wie würden die NATO, die Verbündeten und die Partner im wahrscheinlichen Fall einer russischen Invasion reagieren? Es war eine Zeit offener Fragen.

In einem Jahr kann sich viel verändern.

Putin dachte, er könne uns spalten. Stattdessen sind wir stärker und einiger als je zuvor.

Die russischen Truppen dachten, sie könnten Kiew erstürmen und eine Marionettenregierung einsetzen. Stattdessen zeigten die Einwohner der Stadt und vieler anderer Städte den Möchtegern-Invasoren, dass die ukrainische Demokratie echt und es wert ist, verteidigt zu werden.

Der Kreml dachte, er könne die Welt mit Energie erpressen. Stattdessen haben die Verbündeten und Partner der Vereinigten Staaten in Europa – Sie alle – die notwendigen Schritte unternommen, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden. Dabei haben Sie zugleich auch den Weg in eine grünere Zukunft geebnet.

So sehr, dass Vizepräsidentin Harris am vergangenen Wochenende auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz stolz verkünden konnte: „Kiew steht noch, Russland ist geschwächt. Das transatlantische Bündnis ist stärker als je zuvor. Und vor allem: Der Wille der Ukrainerinnen und Ukrainer bleibt stark.“

In einem Jahr kann sich viel verändern.

Auch wenn wir schon sehr weit gekommen sind, möchte ich heute Abend alle Anwesenden auffordern, noch weiter zu gehen, damit wir in einem Jahr wiederum zurückblicken und sagen können: Was sich in einem Jahr alles verändern kann. Wir werden der Ukraine zur Seite stehen, solange es nötig ist.

Was wir in den vergangenen 12 Monaten erlebt haben, ist geradezu historisch. Es ist der beste Beweis dafür, dass unsere gemeinsamen Werte, unsere gemeinsamen Interessen und – was am wichtigsten ist – unsere gemeinsame Ethik über nationale Grenzen hinweg gelten und verlangen, dass wir unser Möglichstes tun, um der Ukraine beizustehen.

Meine Bewunderung für den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer angesichts Putins Brutalität ist schwer in Worte zu fassen.  Erlauben Sie mir jedoch, heute Abend einige ausgewählte Worte im Geiste unserer grundlegenden ethischen Einigkeit zu sagen. Die heutige Ukraine ist ein Land der Helden, Heldinnen und Helden, die weiterhin brutaler Aggression ausgesetzt sind. Die Verursacher dieser Aggression müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir wissen, dass die russischen Streitkräfte hinrichtungsähnliche Morde an ukrainischen Männern, Frauen und Kindern verübt haben. Wir wissen, dass sie Zivilisten in Gefangenschaft durch Prügel, Stromschläge und Scheinhinrichtungen sowie Vergewaltigungen foltern.

Russische Regierungsvertreter haben Hunderttausende ukrainische Zivilistinnen und Zivilisten nach Russland verschleppt, darunter auch Kinder, die gewaltsam von ihren Eltern getrennt wurden.  Das sind keine zufälligen oder spontanen Aktionen. Das ist Teil der ausgedehnten und systematischen Angriffe gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.  Gegen unsere ukrainischen Brüder und Schwestern verübt Russland nichts weniger als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Das Ausmaß des menschlichen Leids, das der Kreml der ukrainischen Zivilbevölkerung zugefügt hat, ist ungeheuerlich und niederschmetternd.

Ich stehe heute Abend hier vor Ihnen, um zu sagen, dass unsere gemeinsamen und grundlegendsten Werte von uns verlangen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um alle die zur Rechenschaft zu ziehen, die für diese Verbrechen verantwortlich sind. Es darf keine Straffreiheit geben.

Gemeinsam werden wir helfen, die Demokratie und Souveränität der Ukraine zu verteidigen. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden mit Deutschland und all ihren transatlantischen Partnern zusammenarbeiten, um Frieden und Gerechtigkeit für die Menschen in der Ukraine zu erreichen. Und wir werden der Ukraine so lange wie nötig beistehen. Slava Ukraini.

Lassen Sie mich dies so deutlich wie möglich sagen: Dem Frieden in der Ukraine steht einzig und allein Russland im Weg. Russlands grausame Angriffe auf die Ukraine sind der jüngste Beweis dafür, dass Präsident Putin derzeit kein Interesse an konstruktiver Diplomatie hat, dass er, wenn er es nicht schafft, der Ukraine ihre Unabhängigkeit zu nehmen, versuchen wird, die Ukraine in einen eingefrorenen Konflikt zu zwingen, seine Gewinne zu sichern, seine Streitkräfte neu aufzustellen und dann irgendwann wieder anzugreifen. Russland, und nur Russland, kann diesen Krieg HEUTE beenden.

Präsident Biden sagte: Den Krieg in der Ukraine zu gewinnen, bedeutet, Russland vollständig aus der Ukraine zu vertreiben und die Anerkennung der Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu erreichen. Wie unser Präsident bei seinen historischen Besuchen in Kiew und Warschau diese Woche unterstrichen hat, ist es für uns ein moralischer Imperativ zu handeln, und zwar jetzt und so lange, bis die Ukraine die Situation als siegreich beurteilt. Der Kampf in der Ukraine hat weitreichende globale Auswirkungen. Auf dem Spiel stehen die moralischen Grundsätze der Freiheit, Souveränität, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte auf der ganzen Welt.

Die Vereinigten Staaten werden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, damit sie sich weiterhin selbst verteidigen und die stärkste mögliche Position am Verhandlungstisch einnehmen kann, wenn es soweit ist, um schließlich ihre Demokratie wieder aufbauen und weiter stärken zu können.

Sie wissen vielleicht, dass ich gerne Benjamin Franklin zitiere, der wie ich aus Pennsylvania stammte. Erlauben Sie mir, am Vorabend des ersten Jahrestags des brutalen russischen Krieges gegen die Ukraine auf eine seiner bekannteren Aussagen Bezug zu nehmen: „Verlorene Zeit wird nie wiedergefunden.“ Ein Jahr sinnloser und unbegründeter Gewalt ist für unzählige Ukrainerinnen und Ukrainer und andere, die von diesem Krieg betroffen sind, ein verlorenes Jahr.

Denken Sie daran, was unsere ukrainischen Brüder und Schwestern entbehren mussten. Gemeinsam gefeierte Geburtstage, Hochzeiten. Ein sicheres Zuhause. Warme Mahlzeiten im fröhlichen Kreise der Familie oder mit Freunden. Ein Jahr, in dem sie ihrem Auskommen hätten nachgehen können; stattdessen wurden sie zum Kriegsdienst eingezogen oder gezwungen zu fliehen.

Doch verlorene Zeit ist es nur im besten Fall. Schätzungen zufolge hat dieser brutale Krieg – Putins Krieg – Hunderttausende Menschenleben gekostet.

Die Zeit ist nicht auf Putins Seite. Natürlich werden die Ukrainerinnen und Ukrainer auch weiterhin auf die Probe gestellt werden, wie schon seit einem Jahr. Die transatlantische Geschlossenheit wird weiterhin auf die Probe gestellt werden, wie schon seit einem Jahr. Ich bin sicher, dass die Ukraine der Aufgabe gerecht werden wird und dass auch wir der Aufgabe gerecht werden werden. In einem Jahr kann sich viel verändern.

Wenn wir also morgen diesen Jahrestag begehen, denken wir alle an die enormen menschlichen Kosten dieses Krieges. Schöpfen wir Kraft aus den Beispielen mutiger Ukrainerinnen und Ukrainer, und zeigen wir unsere kollektive Solidarität mit ihrem heldenhaften Kampf.

Jetzt, da wir alle wissen, dass sich in einem Jahr vieles ändern kann, freue ich mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, damit das kommende Jahr umso bedeutsamer wird.

Originaltext: DGAP Keynote on Ukraine