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August 8, 2022

US-Außenminister Blinken bei der 10. NVV-Überprüfungskonferenz 

Am 1. August hielt US-Außenminister Antony J. Blinken bei der 10. Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV), auch Atomwaffensperrvertrag, eine Rede bei den Vereinten Nationen in New York.  

 

Guten Tag. Generalsekretär Guterres, Vorsitzender Zlauvinen – danke – Generaldirektor Grossi: Ich danke Ihnen allen für Ihr langjähriges Engagement für die Nichtverbreitung von Kernwaffen. 

Wie ich feststellen konnte, ist der japanische Premierminister Kishida heute Morgen ebenfalls hier, was ein deutliches Zeichen setzt. Zu Beginn dieses Jahres hat der Premierminister in einer gemeinsamen Erklärung mit Präsident Biden Japans Engagement für die Nichtverbreitung bekräftigt. 

Mein besonderer Dank gilt den Außenministerinnen und Außenministern sowie ihren Stellvertreterinnen und Stellvertretern, die nach New York gereist sind, um diese Treffen vorzubereiten und uns einen guten Start zu ermöglichen. 

Es ist großartig, heute mit Ihnen allen persönlich hier sein zu können, vor allem, angesichts der entscheidenden Rolle, die der NVV bei der Aufrechterhaltung des weltweiten Nichtverbreitungsregimes gespielt hat. 

Vor mehr als fünf Jahrzehnten, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, entwarfen Vertreterinnen und Vertreter von 18 Nationen den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. 

In den darauffolgenden Jahren ist fast jedes Land der Welt dem NVV beigetreten. 

Zur Überwachung ihrer Nuklearprogramme richteten die Staaten Sicherungsmaßnahmen ein. 

Die Kernwaffenstaaten, darunter auch die Vereinigten Staaten, haben sich der Abrüstung verschrieben. Wir haben unseren Atomwaffenbestand im Vergleich zu 1967, als er den höchsten Stand erreicht hatte, um fast 90 Prozent reduziert. 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat bestätigt, dass die Weiterverbreitung von Atomwaffen eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt. 

Ganze Regionen – der Südpazifik, Südostasien, Zentralasien, Afrika – erklärten sich zusammen mit Lateinamerika und der Karibik zu atomwaffenfreien Zonen. 

Und wir haben erlebt, dass die sichere und friedliche Nutzung der Nukleartechnologie das Leben von Millionen von Menschen auf der Erde verbessern kann. 

Es steht also außer Frage, dass der NVV die Welt sicherer gemacht hat. Aber es besteht auch kein Zweifel, dass er zunehmend unter Druck gerät. 

Und so kommen wir zu einem entscheidenden Zeitpunkt zusammen. 

Die Volksrepublik Nordkorea baut ihr rechtswidriges Atomprogramm weiter aus und setzt ihre ständigen Provokationen in der Region fort. Während wir heute zusammenkommen, bereitet Pjöngjang seinen siebten Atomtest vor. 

Iran befindet sich weiterhin auf dem Weg der nuklearen Eskalation. Obwohl Iran öffentlich behauptet, die Rückkehr zur gegenseitigen Einhaltung des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans (JCPOA) zu befürworten, ist das Land seit März entweder nicht willens oder nicht in der Lage, eine Vereinbarung zu akzeptieren, mit der genau dieses Ziel erreicht werden soll. Die Rückkehr zum JCPOA ist nach wie vor die beste Lösung – für die Vereinigten Staaten, für Iran, für die Welt. 

Im Januar bekräftigten US-Präsident Biden und die Staats- und Regierungsoberhäupter der anderen Kernwaffenstaaten, die dem NVV beigetreten sind – China, Frankreich, Russland und Großbritannien – den Grundsatz: „Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen und darf nie geführt werden.“ 

Im Monat darauf startete Russland eine großangelegte Invasion der Ukraine. Es betreibt ein unverantwortliches, gefährliches nukleares Säbelrasseln, und sein Präsident warnt alle, die die Selbstverteidigung der Ukraine unterstützen: „Sie riskieren Konsequenzen, wie Sie sie in Ihrer gesamten Geschichte noch nie gesehen haben.” 

Russlands Aggression gegen die Ukraine ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, und sie steht auch im Widerspruch zu der regelbasierten internationalen Ordnung, die wir alle aufrechtzuerhalten versuchen. Vor allem aber, und das ist von unmittelbarer Bedeutung für das, was uns in diesem Monat zur Überprüfungskonferenz des NVV zusammenführt, verstößt das Vorgehen Russlands auch gegen die Zusicherungen, die es der Ukraine 1994 im sogenannten Budapester Memorandum gegeben hat. Diese Zusicherungen, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu achten, waren maßgeblich für die Entscheidung der Ukraine, die Kernwaffen aufzugeben, die sich nach Auflösung der Sowjetunion noch auf seinem Hoheitsgebiet befanden. 

Welche Botschaft vermittelt das den Ländern auf der Welt, die meinen, sie bräuchten Atomwaffen zum Schutz, zur Verteidigung und zur Abschreckung von Angriffen auf ihre Souveränität und Unabhängigkeit? Die denkbar schlechteste Botschaft. Und so ist es von unmittelbarer Bedeutung für das, was in diesem Monat bei den Vereinten Nationen geschieht. 

Erst kürzlich haben wir Russlands Aggression bei der Beschlagnahme des ukrainischen Kernkraftwerks Saporischschja erlebt, der größten Anlage dieser Art in ganz Europa. Russland nutzt die Anlage nun als Militärstützpunkt, um auf die Ukrainerinnen und Ukrainer zu schießen, wohl wissend, dass diese nicht zurückschießen können und wollen, weil sie versehentlich einen Atomreaktor oder hochradioaktive Abfälle treffen könnten, die dort lagern. Das hebt das Konzept des menschlichen Schutzschilds auf eine ganz neue und schrecklichere Ebene. 

Die Vereinigten Staaten sind der Ansicht, dass alle Kernwaffenstaaten verpflichtet sind, verantwortungsvoll zu handeln. Wir haben uns entschieden, Zurückhaltung zu üben und Maßnahmen zu vermeiden, die unbeabsichtigt zu nuklearen Spannungen führen könnten – beispielsweise, indem wir auf zuvor geplante Interkontinentalraketen-Tests verzichten und den Bereitschaftsstatus unserer Nuklearstreitkräfte als Reaktion auf russisches Säbelrasseln nicht erhöht haben. Für nukleare Abschreckung, die auf Zwang, Einschüchterung oder Erpressung beruht, ist auf unserer Welt kein Platz. Wir müssen sie geschlossen zurückweisen. 

Gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich haben wir eine Reihe von Grundsätzen und bewährten Verfahren veröffentlicht, denen jeder verantwortungsbewusster Kernwaffenstaat, der den NVV ratifiziert hat, gerecht werden sollte. Unter anderem gehört dazu, dass er alles tun muss, um sicherzustellen, dass Atomwaffen nicht mehr eingesetzt werden. 

Die Vereinigten Staaten haben sich verpflichtet, die Rolle von Atomwaffen zu verringern und die eigene Führungsverantwortung in der Rüstungskontrolle wiederherzustellen. Im Hinblick auf dieses Ziel haben wir unsere Politik ganz bewusst einer Prüfung unterzogen. Wir werden die strategische Stabilität weiterhin in den Mittelpunkt stellen, kostspielige Rüstungswettläufe meiden sowie Risikominderungs- und Rüstungskontrollvereinbarungen fördern, wo immer dies möglich ist. 

Ein Land, das von anderen verlangt, auf den Einsatz von Kernwaffen zu verzichten, muss auch bereit sein, die eigenen Kernwaffenbestände zu reduzieren – und schließlich vollständig zu beseitigen. 

Präsident Bidens Engagement für Abrüstung ist seit Langem offensichtlich. Lediglich zwei Wochen nach Beginn seiner Amtszeit verlängerte er den New-START-Vertrag mit Russland bis 2026. Dieser Vertrag hat unsere Länder und unsere Welt sicherer gemacht, da er verifizierte Beschränkungen für unsere strategischen Atomwaffenarsenale aufrechterhält und ein Wettrüsten verhindert. Heute hat Präsident Biden erneut seine Bereitschaft bekräftigt, zügig einen Rahmen für die Ablösung von New START auszuhandeln, wenn Russland bereit ist, in redlicher Absicht zu handeln. 

Wir halten weiterhin an unserer Politik fest, gegenüber Staaten, die keine Kernwaffenstaaten, aber NVV-Vertragsparteien sind und ihren Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen nachkommen, solche Waffen weder einzusetzen noch mit ihrem Einsatz zu drohen. Und wir werden auch weiterhin die Verpflichtungen, die in den Schlussdokumenten früherer NVV-Überprüfungskonferenzen enthalten sind, so weit wie möglich umsetzen. 

Solange es Atomwaffen geben wird, werden amerikanische Atomwaffen vor allem eine abschreckende Funktion haben, um nukleare Angriffe auf die Vereinigten Staaten, unsere Verbündeten und Partner zu verhindern. Die Vereinigten Staaten würden den Einsatz von Atomwaffen nur unter extremen Umständen in Betracht ziehen, um die lebenswichtigen Interessen der Vereinigten Staaten, ihrer Verbündeten und Partner zu verteidigen. 

Wir hoffen, auf dieser Überprüfungskonferenz greifbare Fortschritte bei allen drei Säulen des NVV zu erzielen – Nichtverbreitung, Abrüstung und friedliche Nutzung der Kernenergie –, und wir werden mit allen Vertragsstaaten auf ein erfolgreiches Ergebnis hinarbeiten. 

Die Welt muss sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen stellen. 

Das beginnt damit, dass wir die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags durch alle Vertragsstaaten einfordern und sicherstellen, dass wir über Sicherungsmaßnahmen verfügen, um uns selbst zu überwachen, und dass wir die Fähigkeit der IAEO stärken, diese auch umzusetzen. Wir ermutigen die Vertragsstaaten, ein umfassendes Sicherungsabkommen und ein Zusatzprotokoll zu verabschieden, die zusammen den strengsten Verifikationsstandard darstellen werden. 

Wenn ein NVV-Vertragsstaat den Besitz von Atomwaffen anstrebt, müssen wir gemeinsam handeln, um ihn wieder zur Einhaltung der Vorschriften zu bewegen. 

Wenn wir kontrollieren, dass Nuklearprogramme nicht zur Entwicklung von Kernwaffen genutzt werden, müssen wir dabei auch sicherstellen, dass sie sicher sind. 

Ich möchte Generaldirektor Grossi meine Anerkennung für seine Arbeit aussprechen, mit der er sich für die Sicherheit bestehender Anlagen einsetzt, und insbesondere für all das, was er getan hat, um in der Ukraine eine nukleare Katastrophe zu verhindern. 

Diese Überprüfungskonferenz ist auch eine hervorragende Gelegenheit, um zu erörtern, wie das Risiko eines nuklearen Konflikts und die Gefahr einer Fehlkommunikation während einer Krise verringert werden können. 

Die Vereinigten Staaten haben sich verpflichtet, ein umfassendes Paket zur Risikominderung zu entwickeln, zu dem auch die Schaffung sicherer Kommunikationskanäle zwischen den Kernwaffenstaaten gehört. Wir sind bereit, mit allen Partnern, einschließlich China und anderen, bei der Risikominderung und den Bemühungen um strategische Stabilität zusammenzuarbeiten. 

Mit Blick auf die Zukunft müssen wir auch Vereinbarungen zur Verhinderung von Nuklearkonflikten stärken – und neue Vereinbarungen treffen. 

Um das Wachstum von Atomwaffenarsenalen überall auf der Welt zu begrenzen, unterstützen wir weiterhin das Inkrafttreten des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen. Wir sind auch bereit, mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten, um die Verhandlungen über den lange verzögerten Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Kernwaffen noch in diesem Jahr wieder aufzunehmen. 

Schließlich konzentrieren wir uns weiterhin auf die Förderung der friedlichen Nutzung der Kerntechnik. 

Die Kernenergietechnologie hilft der Welt, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und die Klimakrise zu bekämpfen, sie gibt Landwirtinnen und Landwirten neue Instrumente zur Steigerung der Ernteerträge und zur Bekämpfung der weltweiten Ernährungsunsicherheit an die Hand, sie verbessert unsere Fähigkeit, gefährliche Krankheiten zu erkennen und die nächste Pandemie zu verhindern. 

Die Vereinigten Staaten wollen den NVV-Vertragsstaaten besseren Zugang zu diesen wesentlichen Vorteilen ermöglichen. 

Gemeinsam mit dem Großbritannien nehmen wir den „kontinuierlichen Dialog über friedliche Nutzungsmöglichkeiten“ (Sustained Dialogue on Peaceful Uses) auf, um neue Wege zu finden, mithilfe der Kernenergie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. 

Wir unterstützen auch Innovationen im Bereich der sauberen Energie – wie kleine Kernreaktoren – um den Klimawandel zu bekämpfen und einen zuverlässigen Zugang zur Kernenergie zu gewährleisten. Erst letzten Monat kündigte Präsident Biden auf dem G7-Gipfel in Deutschland die Bereitstellung von 14 Millionen US-Dollar zur Unterstützung der Errichtung von kleinen modularen Reaktorkraftwerken in Rumänien an, die emissionsfreie Kernenergie liefern werden. 

Nun haben einige nach unserer neuen Partnerschaft mit Großbritannien und Australien gefragt, die als AUKUS bekannt ist. Im Rahmen dieser Partnerschaft wird Australien U-Boote erwerben. Ich möchte betonen, dass diese U-Boote nuklear angetrieben, aber nicht mit Nuklearwaffen ausgestattet sein werden. Auch andere Länder verfügen über diese Art von U-Booten. Und sie werden den höchsten Sicherheits- und Nichtverbreitungsstandards des NVV entsprechen. Wir arbeiten sehr eng mit der IAEO zusammen, um dies zu gewährleisten. 

Bei unserer Zusammenarbeit im Rahmen der drei Säulen des NVV bauen wir auf den Bemühungen vieler Menschen auf, die vor uns hier in diesem Raum waren. 

Im vergangenen Monat haben wir eine dieser Führungspersönlichkeiten verloren: den ehemaligen Premierminister Shinzo Abe, der sich während seiner gesamten Laufbahn stark für die Nichtverbreitung von Kernwaffen eingesetzt hat. 

Im Jahr 2016 statteten Premierminister Abe und Präsident Obama Hiroshima gemeinsam einen historischen Besuch ab – einem Ort, der für die enorme Zerstörung steht, die Atomwaffen verursachen können. 

Dort sagte Präsident Obama: „Wir müssen den Mut finden, uns aus der Logik der Angst zu befreien und nach einer Welt ohne Atomwaffen zu streben.“ 

Premierminister Abe sagte Folgendes: „Wir sind entschlossen, eine Welt ohne Atomwaffen zu verwirklichen. Egal, wie lang oder wie schwierig der Weg auch sein mag.“ 

Das muss für jeden und jede von uns hier die Aufgabe bleiben – der Logik der Angst zu entkommen und unserer Verantwortung gerecht zu werden, Atomkonflikte zu verhindern, Atomwaffen abzubauen, Nukleartechnologie sicher zu machen und Frieden und Fortschritt auf der Welt zu fördern. 

Ich danke Ihnen vielmals.

Originaltext: Secretary Antony J. Blinken’s Remarks to the Nuclear Non-Proliferation Treaty Review Conference – United States Department of State