Was wir gemeinsam tun müssen, um unsere Demokratie zu stärken
US-Präsident Joseph R. Biden hielt am 28. September im Tempe Center for the Arts in Tempe (Arizona) eine Rede zu Ehren von Senator John McCain,
in der er zur Stärkung der Demokratie aufrief. Wir haben die Rede unwesentlich gekürzt übersetzt.
[…]
Cindy – ich sollte Sie eigentlich Frau Botschafterin nennen – ich danke Ihnen für alles, was Sie getan haben, was Sie tun und was Sie in Zukunft tun werden. Lieber Jack und liebe Bridget, liebe Familie McCain und alle, die die Familie McCain lieben,
[…]
es ist mir eine Ehre, bei Ihnen zu sein. Eine große Ehre.
Gouverneurin Hobbs, Sie leisten unglaubliche Arbeit. Sie sind eine führende Verfechterin und Verteidigerin der Demokratie. […]
Meine Damen und Herren, verehrte Gäste, am Ende seines Lebens dachte John McCain daran, wie alles begann. Vor fünf Jahren, kurz bevor er seinem Gehirntumor erlag, schrieb John einen Abschiedsbrief an die Nation, der er in Krieg und Frieden so treu gedient hatte.
Er blickte in seinem Brief Jahrhunderte zurück auf die Gründung der Vereinigten Staaten und dann nach vorn, auf eine erfolgreiche Zukunft. John schrieb: „Wir sind Bürgerinnen und Bürger der großartigsten Republik der Welt. Eine Nation der Ideale, nicht von Blut und Boden. Amerikanerinnen und Amerikaner geben niemals auf. Sie verstecken sich niemals vor der Geschichte. Amerika schreibt Geschichte.“
Und John hatte Recht. Jeder andere Staat der Welt wurde auf der Grundlage ethnischer, religiöser oder herkunftsbezogener Zusammenschlüsse gegründet. Wir sind als Nation einzigartig auf der Welt. Wir sind das einzige Land der Welt, das auf einer Idee gründet. Auf dem Gedanken, dass wir alle gleich von unserem Schöpfer als Ebenbild Gottes geschaffen sind, von unserem Schöpfer dazu bestimmt, im Verlauf unseres Lebens gleich behandelt zu werden.
Wir werden diesem Gedanken nicht immer voll und ganz gerecht, aber wir haben uns nie davon abgewandt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass wir uns jetzt, so wie wir in diesem Land debattieren, zu weit davon entfernen. Eine ganze Reihe von Patrioten wie John McCain hat verhindert, dass dieser Gedanke sich zu weit von seinem Ursprung entfernte.
[…]
Vor zwei Wochen, als ich am anderen Ende der Welt war – in Vietnam –, habe ich an John gedacht. […]
Ich war dort, um die Fortschritte zu würdigen, die unsere beiden Länder in den letzten 50 Jahren erzielt haben, angetrieben von John McCain und dem ehemaligen US-Außenminister, ebenfalls John, nebenbei bemerkt, der aus Massachusetts kam und dem auch der Silver Star verliehen worden war.
Einst befanden wir uns im Krieg mit Vietnam, jetzt haben wir uns für die bestmögliche Partnerschaft entschieden, und Johns Führungsstärke hat sie möglich gemacht. Ich meine das ganz aufrichtig. Führen Sie sich Folgendes vor Augen:
Während meines Aufenthalts in Hanoi besuchte ich eine Gedenktafel, die zeigt, wo John all das Leid ertragen hat. Fünfeinhalb Jahre in Gefangenschaft. Davon zwei Jahre in Einzelhaft. Er hätte die Möglichkeit gehabt, nach Hause zu kommen, er hätte nur ein paar Dinge preisgeben müssen. Er wurde geschlagen, bis er blutete, ihm wurden Knochen gebrochen, er wurde isoliert, gefoltert und konnte Zeit seines Lebens seine Arme nicht mehr über seine Schultern heben.
Als ich dort stand und ihm meinen Respekt zollte, dachte ich darüber nach, wie sehr ich meinen Freund vermisse. Das ist keine Übertreibung. Ich meine das aus tiefstem Herzen.
Ich habe aber auch an etwas anderes gedacht. Ich habe darüber nachgedacht, wie sehr John den Vereinigten Staaten von Amerika gerade jetzt fehlt, wie sehr Amerika Johns Mut und Weitsicht und Vorstellungskraft bräuchte. Ich habe daran gedacht, wofür John stand, wofür er gekämpft hat, wofür er bereit war zu sterben. Ich habe auch darüber nachgedacht, was wir John schuldig sind, was ich ihm schuldig bin und was wir einander schuldig sind – auch als Amerikanerinnen und Amerikaner.
John gehört zu den Patrioten, deren Stimmen auch nach dem Tod nicht verstummen. Sie sprechen noch immer zu uns. Sie berühren unsere Herzen und unser Gewissen.
Und sie stellen die tiefgreifenden Fragen: Wer sind wir? Wofür stehen wir? Woran glauben wir? Was werden wir sein?
Für John stand das Land an erster Stelle. Klingt wie in einem Film, aber bei John war es echt: Ehre, Pflicht, Anstand, Freiheit, Demokratie.
Und nun stellt uns die Geschichte erneut vor eine Prüfung. Nur sehr wenige von uns werden jemals durchmachen, was John McCain durchgemacht hat. Aber uns allen stellt sich gerade jetzt die Frage: Was werden wir tun, um unsere Demokratie zu erhalten? Werden wir, wie John schrieb, niemals aufgeben? Werden wir, statt uns vor der Geschichte zu verstecken, Geschichte schreiben? Werden wir Parteipolitik beiseitelassen und das Land an die erste Stelle setzen?
Ich sage, das müssen und werden wir tun. Wir werden es tun.
Aber es wird nicht leicht. Es ist nicht leicht.
[…]
Wie wir gerade gesehen haben, ist Demokratie nie einfach. Aber diese Sache ist es wert, alles für sie zu geben, denn Demokratie macht alles möglich.
Es fängt mit den Grundprinzipien an. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes, nicht Herrschaft der Monarchen, nicht Herrschaft der Reichen, nicht Herrschaft der Mächtigen. Unabhängig von der Partei bedeutet das, freie und faire Wahlen zu respektieren und das Ergebnis zu akzeptieren, egal ob man gewinnt oder verliert. Man kann sein Land nicht nur dann lieben, wenn man gewinnt.
Demokratie bedeutet, politische Gewalt abzulehnen und zurückzuweisen. Parteiunabhängig ist solche Gewalt in den Vereinigten Staaten nie, aber auch wirklich nie, hinnehmbar. Sie ist undemokratisch, und die Anwendung von Gewalt zur Erlangung politischer Macht darf niemals Normalität werden.
Demokratie heißt, dass man die Institutionen einer freien Gesellschaft respektiert. Das bedeutet, dass wir uns an die zeitlosen Worte der Unabhängigkeitserklärung halten: „Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich.“ An ein in unserer Verfassung, unserem System der Gewaltenteilung und der gegenseitigen Kontrolle der Gewalten verankertes Leitbild.
An unsere Verfassung – das Bollwerk gegen den Missbrauch von Macht, das sicherstellen soll, dass „wir, das Volk“ im Rahmen des Gesetzes gemeinsam vorankommen, anstatt davon auszugehen, dass es entweder den einen oder gar keinen Weg gibt.
Aber unsere Institutionen und unsere Demokratie gibt es nicht nur von Staats wegen. Die Institutionen der Demokratie stehen und fallen mit der Verfassung und unserem Wesen – unserem Wesen und den Gepflogenheiten unseres Herzens und unseres Verstandes.
Einrichtungen wie das McCain-Institut und die neue McCain-Bibliothek, die an der Arizona State University mit Mitteln aus dem American Rescue Plan gebaut wird, den ich bei meinem Amtsantritt unterzeichnet habe. Eine Bibliothek, die Johns Archive beherbergt, Dialoge und Debatten ermöglicht, zukünftige Führungskräfte auf der ganzen Welt inspiriert und Zehntausenden von unterversorgten Bürgerinnen und Bürgern Arizonas als Erinnerung an unsere Verantwortung füreinander dient.
Diese Grundsätze der Demokratie sind für eine freie Gesellschaft unverzichtbar, aber sie waren schon immer umkämpft.
Sagen wir es heute ganz deutlich: Wir haben zwar Fortschritte gemacht, aber die Demokratie ist immer noch in Gefahr. Das ist keine Übertreibung. Es ist die Wahrheit – eine einfache Wahrheit.
Ich habe die Verteidigung, den Schutz und die Erhaltung der Demokratie in den Vereinigten Staaten zum zentralen Thema meiner Präsidentschaft gemacht. Von meiner Rede in Gettysburg über meine Amtsantrittsrede bis zum Jahrestag des Aufstands am 6. Januar, von meiner Rede in der Independence Hall in Philadelphia bis hin zu der Rede, die ich in der Union Station in Washington gehalten habe, habe ich immer über die Gefahr gesprochen, die von der Leugnung von Wahlergebnissen und von politischer Gewalt ausgeht, und über den Kampf um die Seele Amerikas.
Heute bin ich hier in Arizona zu Ehren einer Institution, die sich der Verteidigung der Demokratie verschrieben hat und nach einem wahren Patrioten benannt wurde, um über eine andere Bedrohung für unsere Demokratie zu sprechen, die wir nur allzu oft ignorieren: die Bedrohung unserer politischen Institutionen, unserer Verfassung selbst und des Wesens unserer Nation.
Die Demokratie wird erhalten, indem man sich an die Verfassung hält und den Weg zur Vervollkommnung unserer Union weitergeht […], indem jede neue Generation die Rechte schützt und erweitert. […]
Wir können nicht situationsabhängig handeln. Man kann nicht nur handeln, wenn man selbst etwas davon hat. Wir müssen beständig und unnachgiebig handeln, wenn es leicht, aber vor allem, wenn es schwer ist.
Seit Jahrhunderten ist die amerikanische Verfassung ein Vorbild für die Welt, und auch andere Länder orientieren sich an unserem „Wir, das Volk“. Aber wir wissen, wie sehr die Angriffe der letzten Jahre unsere demokratischen Institutionen – die Judikative, die Legislative, die Exekutive – in den Augen der Amerikanerinnen und Amerikaner, ja sogar der Welt, beschädigt haben.
Ich kenne praktisch jedes Staats- und Regierungsoberhaupt der Welt. Erst war ich Senator, dann Vizepräsident und jetzt Präsident. Überall, wo ich auf der Welt hinkomme – ich bin inzwischen mit über hundert Staatsoberhäuptern der Staaten der Welt zusammengetroffen – überall, wo ich hinkomme, werde ich angesehen und gefragt: „Wird alles wieder in Ordnung kommen?“
Stellen Sie sich vor: Das erste Treffen der G7 – der sieben reichsten Nationen der Welt – in Europa, das NATO-Treffen, an dem ich teilnahm, fand Ende Januar, Anfang Februar in England statt. Ich setzte mich und sagte: „Amerika ist wieder da.“ Und Präsident Macron sah mich an und fragte: „Herr Präsident, für wie lange – wie lange?“
Und dann sagte der deutsche Bundeskanzler: „Herr Präsident, was würden Sie davon halten, wenn Sie morgen die London Times aufschlügen und darin stünde, dass tausend Menschen die Türen des britischen Parlaments aufgebrochen haben, hineinmarschiert sind und zwei Polizisten getötet haben, um den neu gewählten Premierminister zu stürzen? Was würden Sie dann denken? Was würden die Vereinigten Staaten denken?“
Was würden wir, die führende Nation der Welt, wohl denken, nach dem, was wir durchgemacht haben?
Viele von Ihnen sind international unterwegs. Viele von Ihnen kennen Menschen aus der ganzen Welt. Es würde mich überraschen, wenn Sie etwas anderes hören würden als die besorgte Frage: Geht es uns gut? Kann die Demokratie aufrechterhalten werden?
Und dieser institutionelle Schaden führt zu Misstrauen und Spaltung in unserer eigenen Bevölkerung.
Ich bin hier, um Ihnen zu sagen: Wenn wir diese staatlichen Institutionen verlieren, stellt das ein großes Risiko für uns dar. Ich habe immer deutlich gesagt: Demokratie ist keine Frage der Parteizugehörigkeit. Sie ist ein Thema, das das ganze Land betrifft.
Ich bin zu Ehren des McCain-Instituts und der Bibliothek gekommen, weil sie die Heimat eines stolzen Republikaners sind, für den sein Land an erster Stelle stand. Unser Engagement für die Demokratie sollte, unabhängig von der politischen Zugehörigkeit, alle Amerikanerinnen und Amerikaner vereinen.
Doch in den Vereinigten Staaten geschieht gerade etwas Gefährliches. Es gibt eine extremistische Bewegung, die die Grundüberzeugungen unserer Demokratie nicht teilt: die MAGA-Bewegung.
Nicht alle Republikanerinnen und Republikaner, nicht einmal die Mehrheit von ihnen, sind Anhänger der extremistischen MAGA-Ideologie. Ich weiß das, weil ich während meiner gesamten beruflichen Laufbahn mit Republikanern zusammenarbeiten durfte. Aber es steht außer Frage, dass die heutige Republikanische Partei von republikanischen MAGA-Extremisten angetrieben wird und sich von ihnen einschüchtern lässt. Ihr extremes Programm würde, wenn es umgesetzt würde, die Institutionen der amerikanischen Demokratie, wie wir sie kennen, grundlegend verändern.
Meine Freunde, sie verbergen ihre Angriffe nicht. Sie machen ganz offen Werbung dafür – und greifen die freie Presse als Feind des Volkes an, greifen die Rechtsstaatlichkeit als Hindernis an, schüren die Unterdrückung von Wählerinnen und Wählern und das Untergraben von Wahlen.
Hätten Sie jemals gedacht, dass wir in diesem Jahr […] Debatten über Bücherverbote und Geschichtsleugnung führen würden?
Extremistinnen und Extremisten im Kongress, die eher das Gebäude abfackeln und die Regierung ausschalten würden, als zuzulassen, dass hier die Anliegen des Volkes besprochen werden.
Unsere Streitkräfte –- und das ist keine Übertreibung; ich sage es seit zwei Jahren – sind die stärksten in der Geschichte der Welt. Nicht nur die stärksten der Welt, sondern die stärksten in der Geschichte der Welt. Sie sind die vielfältigsten und mächtigsten in der Geschichte der Welt. Und die Opposition wirft ihnen vor, schwach und woke zu sein.
Ein einziger Typ in Alabama hält die Beförderung von Hunderten von Offizieren auf.
Ehrlich gesagt haben diese Extremisten keine Ahnung, wovon sie reden. Wirklich, ich meine es ernst.
Sie propagieren einen Gedanken, den der besiegte ehemalige Präsident während seiner Amtszeit geäußert hat und von dem er glaubt, dass er nur für ihn gilt. Es ist ein gefährlicher Gedanke: Dieser Präsident steht über dem Gesetz, seine Macht kennt keine Grenzen.
Trump sagt, die Verfassung gebe ihm „als Präsident das Recht, zu tun, was er will“. Ich kenne keinen Präsidenten, der so etwas auch nur im Scherz gesagt hätte. Sie lassen sich weder von der Verfassung noch von Gemeinwohl und Anstand gegenüber ihren amerikanischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern leiten, sondern von Rache und Rachsucht.
Wir sehen die Schlagzeilen. „Umfassende Ausweitung der Macht des Präsidenten“. Ihr Ziel ist es, „das Gleichgewicht der Macht zu verändern, indem die Machtbefugnisse, die der Präsident über jeden Teil der Bundesregierung hat, gestärkt werden“.
Was gedenken sie zu tun, wenn sie die verfassungsmäßige Ordnung der gegenseitigen Kontrolle und der Gewaltenteilung ausgehöhlt haben? Die Unabhängigkeit der Bundesbehörden einschränken und sie unter die Knute eines Präsidenten stellen? Dem Präsidenten das Recht geben, vom Kongress bewilligtes Geld nicht auszugeben, wenn ihm nicht gefällt, wofür es ausgegeben werden soll? […] Den seit Langem bestehenden Schutz für Staatsbedienstete abschaffen?
Erinnern Sie sich, was er bei seinem Ausscheiden aus dem Amt getan hat? Er führte im öffentlichen Dienst etwas Neues ein, das sich Schedule F nannte. Die betroffenen Beamtinnen und Beamten sollten nicht der Verfassung, sondern dem Präsidenten Treue schwören. Beamtenrechtliche Schutzklauseln entfielen, und der Präsident konnte sie nach Belieben entlassen, weil sie nicht den Schutz des öffentlichen Dienstes genossen. Das war eines der ersten Dinge, die ich abgeschafft habe, als ich Präsident wurde.
Dies sind echte Zitate von MAGA-Anhängern. „Ich bin eure Vergeltung“. Beamten „die Kehle durchschneiden“ und die eigenen politisch extrem eingestellten Gefolgsleute auf ihre Posten setzen. MAGA-Extremisten verkünden ihre Unterstützung für die Polizei, nur um dann zu erklären: „Wir müssen das FBI zerschlagen“.
Und es geht hier nicht nur um eine Person. Es geht um zentrale Teile der Republikanischen Partei im Repräsentantenhaus.
Sie verharmlosen die Angriffe vom 6. Januar, indem sie das Aufspießen und Niedertrampeln von Polizistinnen und Polizisten als „legitimen politischen Diskurs“ bezeichnen.
Hätten Sie gedacht, dass Sie so etwas jemals von hochrangigen US-Politikern hören würden? Macht ergreifen, Macht konzentrieren, versuchen, Macht zu missbrauchen, wichtige Institutionen säubern und neu besetzen, Verschwörungsmythen in Umlauf bringen, aus Profit- und Machtgier Lügen verbreiten, um die Vereinigten Staaten auf jede erdenkliche Weise zu spalten, zu Gewalt gegen diejenigen aufhetzen, die ihr Leben für die Sicherheit Amerikas riskieren, Waffen gegen das richten, was uns als Amerikanerinnen und Amerikaner im Innersten ausmacht.
MAGA ist eine Gefahr, die unsere demokratischen Institutionen in ihren Grundfesten bedroht. Aber es ist auch eine Bedrohung für das Wesen unserer Nation, das unserer Verfassung Leben einhaucht, das uns als Amerikanerinnen und Amerikaner in der gemeinsamen Sache miteinander verbindet.
Aber nichts von alledem überrascht. Sie haben schon früher versucht, auf diese Weise zu regieren und sind damit glücklicherweise gescheitert.
Aber sie haben nicht aufgegeben. Sehen Sie sich nur an, was in den letzten Tagen geschehen ist: ihre Anschuldigungen des Verrats gegen ein großes Nachrichtennetzwerk, weil ihnen dessen Berichterstattung nicht gefällt.
[…]
Morgen habe ich die Ehre, den Wechsel des Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte von einem echten Helden und Patrioten, General Mark Milley, zu einem anderen echten Helden und Patrioten, General CQ Brown, zu vollziehen. Beide sind prägende Führungspersönlichkeiten unserer Zeit.
Und doch hört man von MAGA-Extremisten über den in Ruhestand gehenden patriotischen General, der seinen auf die Verfassung geschworenen Eid einlöst, er sei „ein Verräter“. „Früher wäre er mit dem Tod bestraft worden“.
Dies sind die Vereinigten Staaten von Amerika.
Obwohl ich nicht glaube, dass die Mehrheit der Republikaner so denkt, ist ihr Schweigen ohrenbetäubend. Ihr Schweigen ist ohrenbetäubend.
So gut wie keine Republikaner prangern solche verabscheuungswürdigen Äußerungen an, stattdessen sehen sie zu, wie ein MAGA-Senator sich auf hanebüchene Weise der Beförderung von Hunderten hochrangigen Militärangehörigen in den Weg stellt, was nicht nur diese Menschen, sondern auch ihre Familien, ihre Kinder trifft.
MAGA-Extremisten geben vor, unsere Soldatinnen und Soldaten zu unterstützen, aber sie schaden der Einsatzbereitschaft, der Führungsfähigkeit, der Truppenmoral, frieren ihren Sold ein, lassen Militärfamilien im Ungewissen.
Genau so haben sie auch weggeschaut, als der unterlegene ehemalige Präsident sich weigerte, auf einem US-Friedhof bei Paris, den ich auch besucht habe, den dort begrabenen amerikanischen Soldatinnen und Soldaten die Ehre zu erweisen und sie als Trottel und Verlierer bezeichnete.
Das habe ich mir nicht ausgedacht. Ich weiß, wir alle haben uns Mühe gegeben, das zu vergessen, aber das hat er gesagt. Er hat Militärangehörige „Trottel“ und „Verlierer“ genannt.
War John ein Trottel? War mein Sohn Beau, der ein Jahr lang neben einer brennenden Müllhalde gelebt hat, wieder nach Hause kam und dann starb – war er ein Trottel, weil er sich freiwillig gemeldet hat, um seinem Land zu dienen?
Der gleiche Mann verunglimpft den Heldenmut John McCains. Das ist nicht nur falsch; es ist unamerikanisch. Aber daran wird sich nichts ändern.
MAGA-Extremisten im ganzen Land haben deutlich gemacht, wo sie stehen. Die Herausforderung für den Rest der Vereinigten Staaten lautet also, deutlich zu machen, wo wir stehen.
Glauben wir noch an die Verfassung? Glauben wir an grundsätzlichen Anstand und Respekt? Dieses ganze Land sollte sich, und es ist mir ernst damit, wirklich fragen, was es will, und erkennen, welche Bedrohungen für unsere Demokratie bestehen.
Ich glaube fest daran, dass die Verfassung das entscheidende Merkmal unserer Demokratie ist.
Ich glaube an Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle und gemeinsame Verantwortung von Kongress und Regierung, daran, dass Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten nicht zu Spaltung führen.
Ich glaube an freie und faire Wahlen und die friedliche Übergabe von Macht.
Ich bin der Meinung, in Amerika ist kein Platz – absolut gar kein Platz – für politische Gewalt. Wir müssen Hass anprangern und ihm nicht noch Vorschub leisten.
Ich sehe in beiden Parteien, im ganzen Land, amerikanische Mitbürgerinnen und Mitbürger und keine Todfeinde. Wir sind eine großartige Nation, weil wir gute Menschen sind, die an Ehre, Anstand und Respekt glauben.
Ich habe es geschafft, das Infrastrukturgesetz im Wert von mehr als einer Billion US-Dollar durchzusetzen. Das meiste davon ist bisher an rote Staaten gegangen, die mich nicht gewählt haben. Weil ich alle repräsentiere – im Ernst. Ich repräsentiere alle Amerikanerinnen und Amerikaner. Wo auch immer es Bedarf gibt.
Und ich bin der Meinung, dass jeder Präsident ein Präsident für alle Amerikanerinnen und Amerikaner sein sollte, dass man das Präsidentenamt nutzen sollte, um die Nation zu einen, die Verpflichtung einhalten sollte, für alle Amerikanerinnen und Amerikaner da zu sein.
Ich habe mein Bestes gegeben, und ich bin sicher, ich habe nicht alles erreicht, was Sie von mir erwarten. Aber ich habe versucht, mein Bestes zu geben, um den höchsten Ansprüchen gerecht zu werden, ob Sie mich nun gewählt haben oder nicht. Denn das ist die Aufgabe: Licht zu spenden ohne Feuer zu entfachen, dafür zu sorgen, dass die Demokratie allen zugutekommt, zu wissen, dass wir ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der Weisheit und des Anstands sind, ein Land, das seinen Blick in die Zukunft richtet.
Ich habe mehr Zeit mit Xi Jinping verbracht als irgendein anderes Staats- oder Regierungsoberhaupt. 68 Stunden war ich alleine mit ihm, nur ein Dolmetscher war noch dabei. Ich bin über 27.000 Kilometer mit ihm gereist, hier und in China. Im Hochland von Tibet hat er mich angesehen und mich gefragt: „Würden Sie Amerika für mich definieren?“ Ich habe völlig ernst geantwortet: „Ja. In einem Wort: Möglichkeiten.“
In Amerika glauben wir daran, dass alles möglich ist, wenn wir es nur versuchen. Alles, was wir zusammen angehen, können wir schaffen.
Wir haben in den letzten Jahren einige schwierige Zeiten durchgemacht, und ich bin stolz auf die Fortschritte, die wir als Land erreicht haben. Aber die eigentliche Anerkennung für diesen Fortschritt gebührt nicht mir und meiner Regierung. Die wahren Heldinnen und Helden dieser Geschichte sind Sie, die Amerikanerinnen und Amerikaner. Und auch das ist keine Übertreibung.
Deshalb bitte ich Sie, egal, ob Sie demokratisch, republikanisch oder unabhängig wählen, die Bewahrung unserer Demokratie über alles andere zu stellen. Stellen Sie unser Land an erste Stelle.
In den letzten Jahren hatten wir Grund, stolz auf die US-Demokratie zu sein, und wir sollten es auch sein, stolz auf das, was wir bewahren konnten. Wir dürfen die Demokratie nicht als selbstverständlich betrachten.
Denken Sie einmal an die Zeit zurück, als Sie in der Highschool oder im College waren; im Fach Politikwissenschaften hieß es immer, jede Generation habe die Aufgabe, die Demokratie zu schützen. Ich habe damals gedacht, das sei nur eine Floskel. Und jetzt stehe ich hier als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und spreche über meine Angst vor dem Schwund der Demokratie.
Ich sage Ihnen: Jede Generation muss wachsam sein.
Wissen Sie, am Ende meines Wahlkampfes für den Senat habe ich Strom Thurmond überzeugt, für das Bürgerrechtsgesetz zu stimmen – kein Scherz – und dachte: „Also kann man Hass doch besiegen.“
Kann man nicht. Man begräbt ihn nur. Wenn jemand daherkommt, der das darüberliegende Gestein beiseiteschafft und dem Ganzen ein bisschen Sauerstoff zuführt, kommt der Hass mit Getöse zurück. Er kommt mit Getöse zurück.
Wir sollten alle bedenken, dass Demokratien nicht zwangsläufig durch Waffengewalt zerstört werden. Sie können auch zugrunde gehen, weil Menschen schweigen, weil sie es nicht schaffen, sich für sie einzusetzen oder Gefahren für die Demokratie zu verurteilen, weil Menschen bereit sind, aufzugeben, was ihnen am wichtigsten ist, weil sie frustriert, desillusioniert, müde sind, sich entfremdet fühlen. Ich verstehe das. Wirklich. Ich verstehe es.
Aber trotz all ihrer Fehler ist die amerikanische Demokratie immer noch der beste Weg hin zu Wohlstand, Möglichkeiten, Fortschritt, Fair Play und Gleichberechtigung.
Und die Demokratie braucht uns alle, in allen großen Parteien. Sie sind wichtig. Und ich sage noch einmal, es ist nicht so, dass ich einfach nur nett sein will. Sie alle hier in diesem Saal sind wichtig, denn die Geschichte und unser gesunder Menschenverstand lehren uns, dass wir Dinge verändern können, wenn wir uns an unsere Verfassung und unsere demokratischen Institutionen halten.
Unsere Aufgabe – unsere heilige Aufgabe dieser Zeit ist es, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht zum Schlechteren, sondern zum Besseren verändern. Dass die Demokratie überlebt und sich weiterentwickelt und nicht von einer Bewegung zerschlagen wird, die sich mehr für Macht als für Prinzipien interessiert. Es liegt an uns, den Amerikanerinnen und Amerikanern.
Ich bin der Meinung, je mehr Menschen wählen und je stärker die Nation sich insgesamt engagiert, desto stärker wird unsere Demokratie sein.
Die Antwort auf die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, ist also Engagement. Die Antwort lautet nicht, vom Spielfeldrand aus zuzuschauen, sondern Koalitionen und Gemeinschaften zu bilden und uns zu erinnern, dass es eine deutliche Mehrheit derer unter uns gibt, die an unsere Demokratie glauben und bereit sind, sie zu schützen.
Den Studierenden, die heute hier sind, und den jungen Menschen im ganzen Land sage ich: Sie sind der Grund dafür, dass ich so optimistisch bin.
Ich weiß, man sieht es mir nicht an, aber ich mache das hier schon ziemlich lange.
Ganz im Ernst: Ich war noch nie optimistischer, was die innen- und außenpolitischen Chancen der Vereinigten Staaten betrifft, als ich es heute bin. Das meine ich ernst. Die jungen Menschen – hunderttausend Studierende an dieser Universität und überall im Land – zu sehen, die der begabtesten, der tolerantesten, der talentiertesten und der am besten gebildeten Generation der US-Geschichte angehören.
Es ist Ihre Generation, die mehr als jede andere die legitimen Fragen beantworten wird, die der junge Mann mir vorhin gestellt hat. Fragen an Amerika: Wer sind wir? Wofür stehen wir? Woran glauben wir? Wer werden wir sein?
Diese Bürde liegt nicht nur bei Ihnen, aber Ihre Generation wird sich nicht ignorieren lassen, nicht ausschließen lassen, nicht zum Schweigen bringen lassen.
Ich sage es nicht zum ersten Mal: Wir befinden uns an einem Wendepunkt unserer Geschichte. Ein solcher Moment ereignet sich nicht alle paar Generationen, sondern nur alle acht oder neun Generationen: Ein Moment, in dem Entscheidungen, die in einem relativ kurzen Zeitraum getroffen werden, den Kurs dieses Landes und der ganzen Welt für die nächsten sechs oder sieben Jahrzehnte bestimmen werden.
Sie, ich und alle Amerikanerinnen und Amerikaner, die unsere Demokratie und die von unserer Verfassung geschützten Rechte bewahren wollen, wir alle haben also eine besondere Verantwortung. Wir müssen uns für die amerikanischen Werte, die in der Verfassung, der Unabhängigkeitserklärung, verankert sind, einsetzen, weil wir wissen, dass die MAGA-Extremisten, wie sie bereits bewiesen haben, das nicht tun werden.
Wissen Sie, Madeleine Albright, die frühere US-Außenministerin, hat ein Buch geschrieben, in dem sie schrieb, wir seien die „unentbehrliche Nation“. Das sind wir. Und ich denke, das hast du im Ausland gespürt, oder, Cindy? In jedem Raum, den ich betrete, egal, mit welchen Staats- und Regierungschefs, halten alle inne. Nicht wegen Joe Biden, sondern weil ich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika bin.
Wir sind die unentbehrliche Nation. Der Rest der Welt blickt auf uns, also müssen wir uns für unsere Verfassung, unsere demokratischen Institutionen, stark machen, denn MAGA-Extremisten haben schon deutlich gemacht, dass sie das nicht tun werden.
Die Geschichte ist Zeuge. Die Welt ist Zeuge. Und, was am Wichtigsten ist, unsere Kinder und Enkelkinder werden uns zur Verantwortung ziehen.
Lassen Sie mich daher abschließend Folgendes sagen. In drei Jahren werden wir den 250. Jahrestag der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung feiern – ein Ereignis, das nicht nur unsere Vergangenheit betrifft und unsere Errungenschaften feiert, sondern das auch die Zukunft betrifft und all das, was wir sein können.
Stellen Sie sich diesen Tag vor und fragen Sie sich: Wer möchten wir sein? Die Zeit, dass wir uns für ein heiliges Anliegen der amerikanischen Demokratie entscheiden und es sichern, ist jetzt.
Ich weiß, dass wir diesem Zeitpunkt gerecht werden können. John wusste, dass wir diesem Zeitpunkt gerecht werden könnten. Wie so viele Patriotinnen und Patrioten vor ihm glaubte er an den Charakter und die Bestimmung unserer eigenen Existenz und der Existenz dieser Nation. Er glaubte an uns.
Das sehen wir am McCain-Institut und der Bibliothek und an anderen, gewöhnlichen Orten in ganz Amerika, an denen außergewöhnliche Dinge vollbracht werden. Und denken Sie daran, dass die Seele der Vereinigten Staaten von den Seelen aller Amerikanerinnen und Amerikaner abhängig ist – davon, wie wir unsere Nation sehen, wie wir uns selbst sehen wollen, ob wir entscheiden, durch Zurschaustellung unserer Stärke zu führen oder kraft unseres starken Vorbilds.
Geben wir also niemals nach. Verstecken wir uns niemals vor der Geschichte. Schreiben wir Geschichte.
Wenn wir das tun, haben wir unsere Pflicht gegenüber unserem Land und uns selbst erfüllt. Zukünftige Generationen werden sagen, dass wir unsere Zuversicht behalten haben.
Wir werden bewiesen haben, dass Amerika in all seiner Unvollkommenheit immer noch ein Ort der Möglichkeiten ist, ein Leuchtturm für die Welt, ein Versprechen, das Wirklichkeit wurde – und wo „wir, das Volk“, immer die Macht haben wird.
Das ist unsere Seele. Das ist, wer wir wirklich sind. Das müssen wir immer sein.
Und das ist der Grund, weshalb ich nie zuversichtlicher war, was die Zukunft Amerikas betrifft. Wir dürfen nur nicht vergessen, wer wir sind.
Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt nichts, nichts, das wir nicht erreichen können, wenn wir gemeinsam handeln.
Möge Gott Sie alle segnen.
Möge Gott John McCain und seine Familie segnen. Und möge Gott unsere Soldatinnen und Soldaten schützen. Vielen Dank.