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August 8, 2023

Wie deutsch ist amerikanisch? Wie Kultur geprägt wird

 

Das Urheberrecht für diesen Text liegt beim Max Kade Institute for German-American Studies der University of Wisconsin–Madison. Eine Weiterverbreitung oder Neuveröffentlichung der Übersetzung aus dem Band How German is American? sowie das Herunterladen der Bilder in diesem Text bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Max-Kade-Instituts.

Das Gefühl einer ausgeprägten deutsch-amerikanischen nationalen Identität hat sich im letzten Jahrhundert in vielerlei Hinsicht zurückgebildet, und die historischen Verbindungen zur alten Heimat sind nicht mehr offensichtlich, auch wenn das deutsche Erbe sowohl die amerikanische Massenkultur also auch die Lokalkultur nachhaltig geprägt hat. Einer besonders sichtbaren Gemeinschaft von Amerikanerinnen und Amerikanern ist es jedoch erfolgreich gelungen, Aspekte ihres spirituellen europäischen Erbes zu bewahren, und zwar der Religionsgemeinschaft der Amischen alter Ordnung. Paradoxerweise wurden die Gläubigen, die es eigentlich vorgezogen hätten, nicht in der Öffentlichkeit zu stehen, von den Massenmedien „entdeckt“, woraufhin Bilder der Amischen um die ganze Welt gingen und ihren Weg auch und gerade nach Deutschland fanden, wo eine „in einer anderen Zeit stehengebliebene“ deutschsprachige Gesellschaft ausgerechnet mitten in den Vereinigten Staaten große Faszination ausübt.

Die Amischen haben ihre Wurzeln in der Täuferbewegung, die im 16. und 17. Jahrhundert in Mittel- und Westeuropa entstand. Zu den wichtigsten Grundsätzen des christlichen Glaubens der Täufer gehören die Erwachsenentaufe (Gläubigentaufe) und eine symbolische Distanz zur übrigen Gesellschaft. Die amischen Christinnen und Christen machen diese symbolische Distanz deutlicher sichtbar als viele andere Täufergruppen, insbesondere die ihnen spirituell nahestehenden Mennoniten, indem sie sich anders kleiden und sehr selektiv wenige materielle Aspekte des modernen Lebens annehmen. Hinter ihrem scheinbar widersprüchlichen Lebensstil verbirgt sich die zentrale Tugend der Demut, nach der die Amischen streben. Das Bild oben wirkt widersprüchlich auf Betrachtende, die eher Negatives mit der amischen Gesellschaft assoziieren (KEIN Strom, KEINE Autos, KEIN Spaß …). Zwar sind die meisten Amischen deutsch-schweizerischer Abstammung, aber fast alle sind zweisprachig und sprechen sowohl Pennsylvania Dutch als auch Englisch. Eine kleine Minderheit der Amischen, deren Vorfahren im 19. Jahrhundert direkt aus der Schweiz eingewandert sind, spricht immer noch eine Form von Berndeutsch.

Amische Mädchen beim Inlineskaten
Foto: ©Keith Baum https://photobaum.com/

Neben ihren Muttersprachen Pennsylvania Dutch und Englisch verfügen die Amischen auch über Grundkenntnisse im Standarddeutsch der Bibel und anderer religiöser Texte. Obwohl die wichtigsten Grundsätze des amischen Glaubens seit dem 16. Jahrhundert unverändert geblieben sind, weisen alle anderen Aspekte der amischen Kultur, einschließlich Kleidung, Esskultur, Berufe, Freizeitaktivitäten usw., wenn auch begrenzte, so doch unverkennbare Einflüsse aus dem amerikanischen Mainstream auf. Derzeit leben etwa 200.000 Amische in den Vereinigten Staaten und Kanada; in Europa gibt es keine Amischen mehr. Aufgrund der geringen Abwanderung und der Tatsache, dass die amische Durchschnittsfamilie relativ groß ist, verdoppelt sich die Zahl der Amischen alle zwanzig Jahre und sichert damit die Zukunft von Pennsylvania Dutch als Sprache und dieser modernen amerikanischen Gegenkultur.

Ebenso wie die Geschichte der Amischen ist auch die jüdische Tradition in den Vereinigten Staaten vielfältig. Sie reicht bis in die Kolonialzeit zurück, als sich sephardische Jüdinnen und Juden aus Holland in New Amsterdam, dem Vorläufer des modernen New York, niederließen. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die meisten jüdischen Einwanderinnen und Einwanderer deutschsprachige Aschkenasim aus Mitteleuropa, die stark von den Idealen der Aufklärung und ihrer jüdischen Ausdrucksform, der Haskala, beeinflusst waren. Als die alten Beschränkungen für Jüdinnen und Juden überall in Westeuropa, teilweise im Zusammenhang mit den demokratischen Bestrebungen der Revolutionäre von 1848, aufgehoben wurden, versuchten einige deutsche Jüdinnen und Juden, die traditionellen Gepflogenheiten neu zu definieren. Damit war die als Reformjudentum bekannte Bewegung geboren. Auch wenn die meisten amerikanischen Jüdinnen und Juden ihre Vorfahren zu jiddischsprachigen Zugewanderten aus Osteuropa zurückverfolgen können, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einwanderten, ist das Reformjudentum, das seine Wurzeln in Deutschland hat, heute die bedeutendste Strömung dieser Glaubensrichtung in den Vereinigten Staaten. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass der internationale Ordensverband B’nai B’rith, die älteste durchgängig tätige jüdische Organisation der Welt, 1843 von einer Gruppe deutsch-amerikanischer Juden in New York gegründet wurde. Sie definierten ihre Aufgabe als Förderung einer staatsbürgerlichen Identität, die sowohl auf traditionell jüdischen als auch auf amerikanischen Werten beruht.

Titelkopf der Zeitung Aufbau
Mit freundlicher Genehmigung der New York Public Library

Nachdem Hitler 1933 an die Macht kam, kamen etwa 100.000 deutsche Jüdinnen und Juden in die Vereinigten Staaten, wobei sich viele von ihnen in New York niederließen. 1934 begann der German Jewish Club of New York, der später in New World Club umbenannt wurde, sein Vereinsblatt Aufbau herauszugeben, das sich sowohl unter Juden als auch unter Nicht-Juden schnell zu eine der wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen in den Vereinigten Staaten entwickelte. Der Aufbau ging mit der Zeit, nahm immer mehr Artikel in englischer Sprache für seine in den Vereinigten Staaten geborene Leserschaft auf und wurde zur weltweit führenden Informationsquelle für jüdische Themen in deutscher Sprache; der Aufbau war eine der wenigen Zeitungen, die ausführlich über die Ereignisse des Holocaust berichteten, während diese stattfanden. Bekannte deutschsprachige Emigrierte wie Hannah Arendt, Albert Einstein und Thomas Mann schrieben für den Aufbau. Der Artikel auf der ersten Seite der oben abgebildeten Aufbau-Ausgabe stammt von Emanuel Lasker, einem Mathematiker, Philosophen und Schachweltmeister, der 1868 in Deutschland geboren wurde und 1933 nach New York floh, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1941 lebte.

Da die Zahl der deutschsprachigen amerikanischen Jüdinnen und Juden von Generation zu Generation abnahm, verringerte sich auch die Stammleserschaft der Zeitung. 2004 wurde der Aufbau eingestellt, 2005 jedoch als in Europa erscheinende Monatszeitschrift wiederbelebt, die sich nun an eine andere Leserschaft richtete. In den letzten zehn Jahren, in denen viele Jüdinnen und Juden, hauptsächlich aus Russland, nach Deutschland auswanderten, brach für das jüdische Leben in Deutschland ein neues Zeitalter an, und das Magazin fand eine neue Zielgruppe für seinen hochwertigen Journalismus.

Viele deutschsprachige jüdische und nichtjüdische Flüchtlinge, die vor der NS-Verfolgung flohen, ließen sich in Südkalifornien und in New York nieder. Zu den berühmtesten unter ihnen gehörten Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Thomas Mann, Erich Maria Remarque, Alma Mahler und Franz Werfel. Zwar kehrten einige von ihnen nach dem Krieg nach Europa zurück, aber viele blieben auch und leisteten wichtige Beiträge zur Kunst und zum intellektuellen Leben in der Region. Vor allem Hollywood profitierte von den Fähigkeiten dieser neu Zugewanderten, und ihr Einfluss auf die amerikanische Popkultur ist unverkennbar.

Bambi setzt zum Sprung an
Bild aus der Bibliothek des Max-Kade-Instituts

Die tiefe Verflechtung zwischen der amerikanischen Popkultur und ihren deutschen Wurzeln wird im Bild oben deutlich, eine der Illustrationen, die der aus Deutschland zugewanderte Künstler Kurt Wiese für die Geschichte von Bambi zeichnete. Wiese (1887 – 1974) ist in den Vereinigten Staaten vor allem als Illustrator von über 300 Kinderbüchern bekannt, darunter Werke von Autoren wie Zane Grey und Rudyard Kipling. Zwei seiner Bücher wurden mit der Caldecott-Medaille ausgezeichnet.

Der Verfasser des 1923 auf Deutsch erschienenen Romans Bambi war der ungarisch-österreichisch-jüdische Schriftsteller Felix Salten (ein Pseudonym für Siegmund Salzmann, 1869 – 1945). Die Ausgabe, die in englischer Übersetzung erstmals 1928 in den Vereinigten Staaten erschien, enthielt Wieses Zeichnungen. Bei den Amerikanerinnen und Amerikanern war die Geschichte sowohl im Original für Deutschlernende als auch auf Englisch beliebt, und später wurde Bambi zu einem der beliebtesten Familienfilme von Walt Disney (1942). Obwohl man bei Bambi heute eher an Kinder denkt, schrieb Salten den Roman ursprünglich als Allegorie für Erwachsene und spielte damit auf die zunehmende Bedrohung der europäischen Jüdinnen und Juden in der Zeit zwischen den Weltkriegen an. Disney adaptierte die Geschichte, um seiner Sorge über das Eindringen des Menschen in die Tierwelt und die Wälder Ausdruck zu verleihen. Die ersten Reaktionen der Öffentlichkeit sowohl auf Saltens Roman als auch auf Disneys Film waren heftig. In Österreich wurde das Buch verboten, und in den Vereinigten Staaten protestierte die American Rifleman’s Association vehement gegen die Vorbehalte des Films gegenüber Jägerinnen und Jägern.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für den Einfluss deutscher Einwanderinnen und Einwanderer auf Hollywood und den Broadway. Eines davon ist das Musical Brigadoon von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe, das auf Friedrich Gerstäckers Germelshausen basiert und nach seiner Premiere am Ziegfeld-Theater im März 1947 581-mal aufgeführt und später mit Gene Kelly in der Hauptrolle verfilmt wurde (1954). Man darf natürlich auch nicht die Märchen der Gebrüder Grimm vergessen, die immer wieder übersetzt, gelesen und für jedes Medium adaptiert wurden, allen voran wieder von Walt Disney für seine Zeichentrickfilme.

Der Export von Broadway- und Hollywood-Produkten, insbesondere nach Europa, ist hinlänglich bekannt. Eines der interessantesten Beispiele hierfür ist das Phänomen Sound of Music. Das Musical von Rodgers und Hammerstein (1959) und die Verfilmung unter der Regie von Robert Wise (1965) zeichneten ein Bild von Österreich, das weder etwas mit der historischen noch mit der modernen Realität zu tun hat. (Sorry, aber Edelweiß ist nicht die österreichische Nationalhymne.) Tatsächlich ist The Sound of Music weniger etwas Europäisches als vielmehr Ausdruck der amerikanischen Nachkriegspopkultur. The Sound of Music wurde in Österreich erst 2005 auf die Bühne gebracht, und die Wiener Inszenierung wurde ungeachtet der kritischen Stimmen im Vorfeld zu einem großen Erfolg.

Hinter dem kommerziellen Erfolg von kulturellen Massenprodukten wie Disney-Filmen und The Sound of Music stehen einfache Erzählstrukturen und Marketingstrategien, die der amerikanischen Unterhaltung den Ruf eingebracht haben, immer nach dem gleichen Schema aufgebaut zu sein. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten, dass auf der Bühne und auf der Leinwand das Gute über das Böse triumphiert, ohne dass man sich fragen muss, wer auf welcher Seite steht. Die Gleichförmigkeit, die so viele Konsumentinnen und Konsumenten der Massenkultur weltweit anspricht, ist typisch für viele amerikanische Unternehmen, die mit großem Erfolg exportiert wurden, allen voran McDonald’s. Hungrige Kunden erwarten, dass die Pommes von McDonald’s immer gleich schmecken, unabhängig davon, ob man sie in Heidelberg (Kentucky), Heidelberg (Minnesota), Heidelberg (Mississippi), Heidelberg (Pennsylvania), Heidelberg (Texas) oder in einem der fünf McDonald’s im alten Heidelberg selbst isst.

Wienermobil von Oscar Mayer
Foto mit freundlicher Genehmigung von Kraft Foods, Inc.

Das Oscar Mayer Wienermobil™ gilt schon seit Jahrzehnten als typisch amerikanisches Kulturgut, doch hinter der erfolgreichen Marketingkampagne dieses amerikanischen Unternehmens steht eine lange Tradition deutsch-amerikanischer Esskultur und deutsch-amerikanischen Unternehmergeistes. Wie andere Zugewanderte brachten auch die Deutschen ihre eigenen kulinarischen Traditionen mit, insbesondere in den Bereichen Fleischpökeln und Wurstherstellung. Kochbücher, die in den Vereinigten Staaten für deutsche Eingewanderte veröffentlicht werden, enthalten Dutzende von Wurstrezepten, die von Rohwurst aus Rindfleisch und Bratwurst bis hin zu Leberknödeln und Mortadella reichen. Im multikulturellen amerikanischen Kontext lernten Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft deutsche Gerichte kennen, während deutschstämmige Amerikanerinnen und Amerikaner die kulinarischen Traditionen ihrer Nachbarinnen und Nachbarn übernahmen. Im Laufe der Zeit geriet eine Reihe traditionell deutscher Lebensmittel und Gerichte in Vergessenheit, während andere, wie beispielsweise die Frank(furter), sich über ihre europäische Herkunft hinaus zu Grundnahrungsmitteln einer neuen amerikanischen Küche entwickelten. Und unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit wissen die Menschen im Mittleren Westen, insbesondere in Wisconsin, sofort, dass eine brat (englisch für Göre) eine Art Wurst ist und kein ungezogenes Kind. Es dürfte im heutigen Deutschland zwar kein Problem sein, in der Metzgerei vor Ort eine Bratwurst zu bekommen, allerdings ist stark davon auszugehen, dass Cheddar-Käsebratwurst oder Ananasbratwurst in Deutschland ebenso selten anzutreffen ist wie ein über die Autobahn rollender acht Meter langer Fiberglas-Hotdog auf einem Chevrolet-Van mit senf- und ketchupfarbenen Sitzen und einem Nummernschild mit der Aufschrift „WEENR“.

Es ist lange her, dass der geschäftstüchtige Einwanderer Oscar F. Mayer 1883 seine erste Fleischerei in Chicago eröffnete. Mithilfe des Wissens der alten Welt über die Wurstherstellung in Kombination mit Neuentwicklungen bei Herstellung, Kühlung und Transport schuf er Produkte und einen Markennamen, die überall in den Vereinigten Staaten und zunehmend auch auf der ganzen Welt bekannt sind. 1973 kam das erste Wienermobil nach Spanien, ein weiteres folgte 1988 in Japan. Und im Jahr 2000 folgte der erste Besuch des Wienermobils in … Deutschland.

Das Wienermobil zeugt eindeutig eher von einem stereotypen Bild des modernen Amerika als monolithischer Kultur als von den Wurzeln der Oscar Mayer Company aus dem 19. Jahrhundert, und der kommerzielle Erfolg amerikanischer Exporte wie Hot Dogs verstärkt dieses Bild weiter. Wenn man etwas genauer hinsieht, findet man jedoch eine authentische, breite Vielfalt, die häufig bestimmten Regionen entstammt, beispielsweise was Esskultur, aber auch künstlerische Ausdrucksformen angeht. Millionen von Menschen wissen heute die Küche und Musik der Cajun aus den Bayous im Süden von Louisiana zu schätzen, die inzwischen Teil der amerikanischen Kultur geworden sind. Weniger bekannt ist die historische Verschmelzung deutscher und nicht-deutscher Idiome in der amerikanischen Regionalmusik (Rootsmusik).

Im neunzehnten Jahrhundert wanderten Tausende Deutschsprachige zusammen mit Angehörigen anderer europäischer Ethnien und Nordstaatlern nach Texas ein. Sie kamen in ein Gebiet – den nördlichen Teil Mexikos –, in dem es bereits seit Jahren einen reichen Kulturaustausch gab, insbesondere zwischen spanischen Kolonisten und indigenen Völkern. Mit der beständigste Ausdruck des Zusammenlebens verschiedener Kulturen in dieser Region ist die sogenannte Tex-Mex- oder Tejano-Musik. Das wichtigste Untergenre der Tejano-Musik ist heute die Norteño- oder Conjunto-Musik, die sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt hat. Diese Musik basiert auf einer traditionellen nordmexikanischen Balladenform, dem Corrido. Sie vereint musikalische Einflüsse deutscher und tschechischer Einwanderer, vor allem aus der Polka, und zeichnet sich insbesondere durch den Einsatz des Knopfakkordeons aus.

Albumcover von Fred Zimmerles Conjunto Trio San Antonio
Foto: Chris Strachwitz

Einer der Pioniere des „Norteño-Sounds“ war Fred Zimmerle (1931 – 1998), der in seiner Heimatstadt mit dem gleichen Namen das Trio San Antonio gründete. Die Norteño-Musik war zunächst instrumental und basierte hauptsächlich auf dem Knopfakkordeon, dem Bass und dem Bajo Sexto, einer zwölfsaitigen mexikanischen Gitarre. Diese instrumentale Struktur ergänzte Zimmerle, der Enkel eines deutschen Einwanderers, mit einem traditionellen Gesangsduett und schuf so eine für die moderne Norteño/Conjunto-Musik charakteristische Mischung. Zimmerles Ruf drang bis nach Deutschland, und er ist damit eines der faszinierendsten Beispiele für deutsch-amerikanische Verbindungen in der Musik. Die deutsche Independent-Rockband F.S.K. (Freiwillige Selbstkontrolle) besuchte Fred Zimmerle in Texas und erwähnte ihn in dem Song „Die Kaiser Wilhelm“ auf ihrem Album International von 1996. Hier die letzte Zeile des Lieds: „Fred Zimmerle, Sankt Anton, drückte das Akkordeon selbst in der Pfingstprozession, brachte kein Wort Deutsch hervor, dafür das Spanische schon, ganz wie du ein Texas-Sohn, doch auf dem Grammophon, da dreht sich der Beethoven Männerchor.”

Neben der Musik zeigen sich kulturelle Verbindungen oft auch in der Übertragung von Wörtern zwischen Sprachen. Durch Einwanderung kommt es natürlich zu einem intensiven Kontakt zwischen verschiedenen Sprachen, dieser kann aber auch über andere Wege wie globale Medien, das Bildungswesen und den transnationalen Handel entstehen. Ein gutes Beispiel dafür, wie bereichernd der Kontakt zwischen Sprachen sein kann, ist die gegenseitige Beeinflussung von Deutsch und Englisch. Viele aus dem Deutschen stammende Wörter haben über die Alltagssprache der Zugewanderten Eingang in den englischen Wortschatz gefunden, darunter coffee klatch, dachshund, delicatessen, dummkopf, frank, gesundheit, kindergarten, kitsch, pretzel, sauerkraut und waltz. Andere englische Wörter wie angst, bildungsroman, doppelganger, festschrift, gestalt, leitmotiv, wunderkind und zeitgeist gelangten über die Literatur, die Künste und das Bildungswesen ins Englische. Bis etwa Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts war Deutsch die am häufigsten unterrichtete moderne Fremdsprache an den Schulen und Colleges der Vereinigten Staaten. Auch wenn die Einwanderung aus deutschsprachigen Ländern zurückgegangen ist und immer weniger Amerikanerinnen und Amerikaner Deutsch lernen, finden Wörter wie foosball und poltergeist immer noch ihren Weg ins Englische. Nicht nur Wörter, sondern auch Wortteile aus dem Deutschen werden schöpferisch im Englischen verwendet, darunter -fest (gabfest), –meister (spinmeister) und das in diesem Comic vorangestellte über/uber in der Bedeutung von „über“ oder „super“. Ausdrücke wie How goes it?, Bring it with und The dog wants out sind umgangssprachlich oder regional bekannte Germanismen.

Cartoon in der die Wendung „Über Bermuda, Dad" vorkommt
Urheberrecht: Zits Partnership, verwendet mit Genehmigung von King Features Syndicate (16. Juni 2004)

Der Einfluss des Deutschen und anderer Sprachen auf das Englische ist für die meisten „Sprachkundigen“ kein Grund zur Sorge. In Deutschland hingegen beklagen viele die zunehmende Verwendung englischer Wörter in Technik, Wirtschaft, Werbung und Alltagssprache, die oft spöttisch als „Denglisch“ (einer Verbindung aus Deutsch und Englisch) bezeichnet wird. Wörter wie Bestseller, downloaden, Event, fit, Kids, live (wie in einer Live-Sendung), Lifestyle, Management, open air, relaxen, Service, shoppen und Wellness sind zwar allgegenwärtig, machen aber nur einen kleinen Prozentsatz des gesamten deutschen Wortschatzes aus und verdrängen in der Regel keine Wörter, die es im Deutschen bereits gibt. Wer eine „Überfremdung“ des modernen Deutsch befürchtet, lässt diesen Umstand über den Austausch zwischen Englisch und Deutsch in der Regel außer Acht.

Berliner Stadtreinigung: „We Kehr For You“
Berliner Stadtreinigung, 1999

Das oben stehende Bild aus dem heutigen Deutschland passt sehr gut als Abschluss dieser Betrachtungen zur Frage „Wie deutsch ist amerikanisch?“ Es handelt sich um ein Werbeplakat der Berliner Stadtreinigung mit der Aussage We Kehr For You – eine Anspielung auf das englische Verb to care, sich kümmern. Solche Beispiele sprachlicher Kreativität zeigen nicht nur, dass Entlehnungen aus einer Fremdsprache ein kommunikativ bereichernder Prozess sind, sondern auch, dass die seit Jahrhunderten bestehende Interaktion zwischen der deutschen und der amerikanischen Kultur bis heute anhält und sich auf beiden Seiten des Atlantiks auswirkt.

Originaltext: How German Is American?