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Juli 14, 2022

Zur Verunglimpfung der Ukraine greift der Kreml auf Antisemitismus zurück 

Anlässlich der fortgesetzten Desinformation durch die russische Regierung und russische Medien haben wir den folgenden Bericht übersetzt, der einige der von Russland verbreiteten Falschinformationen entlarvt. Der Bericht erschien am 11. Juli 2022 auf der Website des US-Außenministeriums. 

Eines der häufigsten Desinformationsnarrative des Kremls zur Rechtfertigung des verheer

Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Kippa, im Hintergrund orthodoxe Juden
Am 23. Januar 2020 besuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Klagemauer in der Altstadt von Jerusalem (Quelle: https://www.president.gov.ua/en/news/volodimir-zelenskij-vidvidav-stinu-plachu-ta-doluchivsya-do-59429)

enden Krieges gegen die ukrainische Bevölkerung ist die Lüge, dass Russland damit die „Entnazifizierung“ der Ukraine verfolge. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine als „Bande von Drogensüchtigen und Neonazis“ bezeichnet, während russische Staatsmedien und Propaganda wiederholt zur „Entnazifizierung“ der gesamten ukrainischen Bevölkerung aufgerufen haben.

Durch den Vergleich mit dem Nationalsozialismus und den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts hofft der Kreml, die Ukraine in den Augen der russischen Öffentlichkeit und der Welt zu delegitimieren und zu dämonisieren. Er versucht, die internationale öffentliche Meinung zu manipulieren, indem falsche Parallelen zwischen Moskaus Aggression gegen die Ukraine und dem Kampf der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland gezogen werden, der viele Menschen in den ehemaligen Sowjetrepubliken – darunter auch Ukrainerinnen und Ukrainer sowie Russinnen und Russen –, die während des Zweiten Weltkriegs enorme Opfer brachten, eint und mit Stolz erfüllt.

Mehr als 140 internationale Historikerinnen und Historiker haben Russlands „Gleichsetzung des ukrainischen Staates mit dem Naziregime zur Rechtfertigung seiner grundlosen Aggression“ angeprangert und Moskaus Propaganda als „sachlich falsch, moralisch verwerflich und zutiefst beleidigend“ für die „Opfer des Nationalsozialismus und diejenigen, die mutig dagegen gekämpft haben“ bezeichnet. Auch die renommierten Holocaust-Gedenkstätten Yad Vashem und das United States Holocaust Memorial Museum verurteilten Russlands „völlig unzutreffende Vergleiche mit der Ideologie und den Taten der Nazis“ und die falschen Behauptungen, dass „die demokratische Ukraine ‚entnazifiziert‘ werden muss“.

Der jüdische Präsident der Ukraine im Visier 

Den Propagandaorganen des Kreml fällt es schwer, den Menschen außerhalb Russlands den erfundenen Vorwand für den Krieg in der Ukraine, die „Entnazifizierung“, zu vermitteln. Sie greifen auf zunehmend lächerliche – und oft widersprüchliche – Rechtfertigungen zurück. Wenn Kritiker darauf hinweisen, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der die Wahlen in der Ukraine 2019 mit 73 Prozent der Stimmen gewann, selbst Jude ist und Familienmitglieder hat, die von den Nazis ermordet wurden, verbreitet der Kreml falsche Narrative, um seine jüdische Herkunft zu delegitimieren. Der Kreml behauptet fälschlicherweise, die schlimmsten Nazis seien in Wirklichkeit Juden gewesen, und versucht, die Rolle des Antisemitismus in der Nazi-Ideologie herunterzuspielen.

Russlands korrupter ehemaliger Präsident und stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates Dmitri Medwedew behauptet beispielsweise, Selenskyj habe seine jüdische Identität „verloren“. Einer der prominentesten Propagandisten des Kreml, Wladimir Solowjow, behauptete sogar, Selenskyj sei gar nicht wirklich jüdisch, während Solowjows Kollegen und staatliche Medien dem ukrainischen Präsidenten fälschlicherweise vorwarfen, seine jüdische Familie und seine Vorfahren zu verraten.

Im Mai versuchte der russische Außenminister Sergej Lawrow, die Frage eines italienischen Journalisten nach Selenskyjs Herkunft mit einer antisemitischen Verschwörungstirade und einem verzerrten Bild vom Holocaust zu beantworten, indem er spekulierte, dass Adolf Hitler „auch jüdisches Blut hatte“ und hinzufügte, dass „weise jüdische Menschen sagen, dass die glühendsten Antisemiten gewöhnlich Juden sind“. Offizielle Vertreter der israelischen Regierung forderten sofort eine Entschuldigung für Lawrows „unverzeihliche, empörende“ Bemerkungen und „Lügen …, die darauf abzielen, die Juden selbst für den Holocaust verantwortlich zu machen“. Der damalige israelische Außenminister Yair Lapid schrieb, dass die „niedrigste Stufe des Rassismus gegen Juden ist es, Juden selbst des Antisemitismus zu beschuldigen“. Das russische Außenministerium legte noch einmal nach und beschuldigte Israel, „antihistorische Aussagen“ zu machen und ein „Neonazi-Regime in Kiew“ zu unterstützen.

Schon lange vor Lawrows Äußerungen haben Medien und Propagandaorgane des Kreml, die mit dem russischen Geheimdienst in Verbindung stehen, Desinformation und Propaganda verbreitet, die auf Selenskyjs Jüdischsein und die Beziehungen der Ukraine zu Israel abzielten. Im Gegensatz zu neueren Desinformationsnarrativen beschuldigte Sergej Glasjew, der ehemalige Wirtschaftsberater von Präsident Putin, Selenskyj im Jahr 2019, die russischsprachige Bevölkerung im Osten und Süden der Ukraine durch israelische Juden ersetzen zu wollen.

Das Unhaltbare verteidigen 

Nach Lawrows Äußerungen behaupteten Solowjow und andere Meinungsmacher im russischen Staatsfernsehen, dass Nazismus nicht zwangsläufig mit Antisemitismus einhergehe, sondern auch Ausdruck einer sogenannten „Russophobie“ sein könne. Das russische Desinformations- und Propaganda-Ökosystem versuchte daraufhin, die falschen Behauptungen der Beamten zu untermauern, indem Selenskyj weiter angegriffen, Hitlers angebliche jüdische Herkunft behauptet und versucht wurde, israelische Politikerinnen und Politiker zu diskreditieren. Der mit dem russischen Militärgeheimdienst in Zusammenhang stehende Desinformationskanal One World bezeichnete Lawrows Kritiker als Rassisten, die „Hitler ähnlich“ seien, weil sie behaupteten, dass „die ethnisch-religiöse Identität bei der Geburt“ die politischen Ansichten einer Person bestimme.

Die Nazi-Verleumdung als Propagandamethode 

Es gibt keinen besseren Weg, die Propaganda und Desinformation des Kremls zu verstehen, als „hinter die Kulissen zu schauen“ und sich anzusehen, wie die Maschinerie funktioniert. Am 5. Juni veröffentlichte der Sicherheitsdienst der Ukraine SBU einen Bericht des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes FSB über Desinformationsnarrative, die die russische Regierung fördern sollte, um die „informationell-propagandistische Unterstützung“ ihrer „speziellen Militäroperation“ in der Ukraine zu verstärken.

Der FSB kam darin zu dem Schluss, dass Russland die Behauptung der „Entnazifizierung“ nur unzureichend gestützt habe, und empfahl eine „massive Verbreitung“ von Behauptungen, in denen ukrainische Nationalisten beschuldigt werden, Kinder in den sogenannten „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“ getötet zu haben – Teilen der ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk, die Russland seit 2014 kontrolliert. Der FSB rief darüber hinaus zur Schaffung eines „Netzwerks von Propagandisten“ auf, um die Falschinformation zu verbreiten; so sollten auch inszenierte Videos mit russischen und ukrainischen Weltkriegsveteranen zum Einsatz kommen, in denen die Beteiligten Russland auffordern, „den Faschismus in der Ukraine zu stoppen“. Schließlich empfahl der FSB, in postsowjetischen Gebieten „antifaschistische“ Frontgruppen zu gründen und die Europäische Union mit Desinformation zu bombardieren, die nahelegt, dass sich das Leben in Europa aufgrund der Unterstützung ukrainischer „Nazis“ verschlechtere.

Skrupellose Narrative 

Präsident Putin und sein Desinformations- und Propagandaapparat machen sich die historische Erinnerung an den Kampf der Sowjetunion gegen Nazideutschland zunutze, um einen Vorwand für ihren vorsätzlichen, brutalen Krieg gegen die Ukraine zu haben. Für seine rücksichtslosen Ziele nutzt der Kreml das Leid und die Opfer all jener aus, die den Zweiten Weltkrieg erlebt und den Holocaust überlebt haben. Damit lenkt der Kreml von den äußerst wichtigen globalen Bemühungen zur Bekämpfung von Antisemitismus ab und verbreitet stattdessen eine der heimtückischsten Formen des Antisemitismus, nämlich die Verzerrung des Holocaust. Angesichts des weltweit zunehmenden Antisemitismus ist es für alle unerlässlich, diese besonders bösartige Form der russischen Desinformation zu verurteilen.

Originaltext: To Vilify Ukraine, The Kremlin Resorts to Antisemitism